Ethikunterricht beeinflusst Religiosität, Geschlechterrollen und Arbeitsmarkt

(Geschätzte Lesezeit: 1 - 2 Minuten)
 Ethik, Wissenschaft und Forschung

Die Einführung des Ethikunterrichts als Alternative zum Religionsunterricht hat die Religiosität der Schüler*innen im Erwachsenenalter verringert.

Gleichzeitig hat sie traditionelle Geschlechterrollen zurückgedrängt und die Arbeitsmarktbeteiligung und Löhne erhöht. Das geht aus einer neuen Studie des ifo Instituts hervor.

»Neben allgemeiner Religiosität nahm auch die Wahrscheinlichkeit ab, am Gottesdienst teilzunehmen, zu beten oder Mitglied einer Kirche zu sein«, sagt ifo-Forscher Ludger Wößmann. Diese Folgen entstanden vor allem in katholischen Regionen.

Der Rückgang an Religiosität ging einher mit weitreichenden Folgen für Familien und Arbeitsmarkt. »Nach der Einführung des Ethikunterrichts wurden traditionelle Einstellungen zur Aufgabenverteilung der Geschlechter und zur Notwendigkeit der Ehe zurückgedrängt«, sagt ifo-Forscher Benjamin Arold. Dies schlägt sich nieder in der Anzahl der geschlossenen Ehen (-1,5 Prozentpunkte) und der Geburten (-0,1 Kinder). Dafür stiegen die Arbeitsmarktbeteiligung (+1,5 Prozentpunkte), die Arbeitszeiten (+0,6 Wochenstunden) und das Lohnniveau (+ 5,3 Prozent).

Hingegen beeinflusste die Unterrichtsreform nicht die Lebenszufriedenheit oder ethisches Verhalten wie etwa ein ehrenamtliches Engagement. »Die Einführung der Wahlmöglichkeit zwischen Religions- und Ethikunterricht ging also nicht auf Kosten allgemeiner ethischer Einstellungen«, sagt ifo-Forscherin Larissa Zierow.

Grundlage waren Umfragedaten von mehr als 58.000 Erwachsenen, die zwischen 1950 und 2004 in Westdeutschland eingeschult wurden. Die westdeutschen Bundesländer ersetzten den verpflichtenden Besuch des Religionsunterrichts zu unterschiedlichen Zeitpunkten durch eine Wahlmöglichkeit zwischen Religions- und Ethikunterricht – von 1972 in Bayern bis zum Jahre 2004 in Nordrhein-Westfalen. Vor der Reform war der verpflichtende Religionsunterricht sehr intensiv: Während der gesamten Schulzeit umfasste er rund 1.000 Unterrichtsstunden, etwa viermal so viel wie der Physikunterricht.

Und so haben die Forscher die Auswirkungen des Ethikunterrichts auf die Religiosität getrennt von der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung: Sie verwenden eine Methode, die ausnutzt, dass die westdeutschen Bundesländer die Reform zu verschiedenen Zeitpunkten eingeführt hatten. So betrachten sie verschiedene Altersgruppen innerhalb eines Bundeslandes: Die Älteren sind unter der alten und die Jüngeren unter der neuen Regelung zur Schule gegangen. Den Unterschied in der Religiosität dieser Altersgruppen vergleichen sie mit den Unterschieden zwischen den gleichen Altersgruppen in anderen Bundesländern, bei denen es zu dem jeweiligen Zeitpunkt keine Reform gab.


  VERWEISE  


Mobbing und körperliche Gewalt: Schulen kämpfen mit wachsender Aggression
DGUV fordert Maßnahmen gegen wachsende Gewalt in Deutschlands Schulen Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zeigt, dass viele Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen von einer verstärkten Wahrnehmung von...
Künstliche Intelligenz in der Schule
KI im Klassenzimmer - Für Bildungserfolg mit digitaler Kompetenz Der Verband der Bildungswirtschaft hat ein neues Positionspapier zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im schulischen Kontext veröffentlicht. Das Papier beleuchtet die...
Selbstregulationskompetenzen stärken: Ein Gewinn für Bildung und Gesellschaft
Selbstregulation als Schlüssel zum Wohlbefinden junger Menschen Die Selbstregulationskompetenzen von Kindern und Jugendlichen spielen eine zentrale Rolle für ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklungschancen. Diese Kompetenzen umfassen kognitive,...

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • OECD veröffentlicht Bericht »Bildung auf einen Blick 2024«

    Bildung weltweit im Fokus: OECD-Indikatoren 2024 Die Publikation Bildung auf einen Blick – OECD-Indikatoren gilt als wichtige Informationsquelle zum weltweiten Stand der Bildung. Sie liefert umfassende Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der...

  • Bildungsbarometer 2024: Meinungen zum Bildungssystem im Bundesländervergleich

    Deutsche bewerten ihre Schulen als mittelmäßig, dabei gibt es jedoch große regionale Unterschiede Das Urteil der deutschen Bevölkerung über die Qualität der Schulen fällt je nach Bundesland sehr unterschiedlich aus. Im Bundesdurchschnitt geben 29...

  • Künstliche Intelligenz in der Schule

    KI im Klassenzimmer - Für Bildungserfolg mit digitaler Kompetenz Der Verband der Bildungswirtschaft hat ein neues Positionspapier zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im schulischen Kontext veröffentlicht. Das Papier beleuchtet die Chancen von KI...

  • AFBG: Entwurf zur Novellierung vorgelegt

    Novelle der Aufstiegsfortbildungsförderung (AFBG) Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) sollen die Förderbedingungen für die berufliche Aufstiegsfortbildung weiter verbessert und damit die...

  • Bildung in Deutschland - Wunsch und Wirklichkeit

    Bildung in Deutschland: Große Erwartungen, ernüchternde Realität Eine Umfrage der Deutsche Telekom Stiftung, durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, zeichnet ein differenziertes Bild der Bildungssituation in Deutschland. Die Mehrheit...

.