Lesekompetenz in Österreich: Die Schere öffnet sich weiter

PIAAC

Leseaktivität in Österreich hat abgenommen

Das geht aus dem zweiten Band des nationalen Ergebnisberichts zur PIAAC-Erhebung 2022/23 über die Grundkompetenzen von Erwachsenen hervor.

Die jüngsten Ergebnisse der PIAAC-Erhebung zeigen eine alarmierende Entwicklung: Die Unterschiede in der Lesekompetenz Erwachsener in Österreich haben sich innerhalb von elf Jahren deutlich vergrößert.

Besonders betroffen sind Berufsgruppen mit mittleren und niedrigen Qualifikationsanforderungen, während Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen ihre Lesekompetenz weitgehend halten konnten.

Kompetenzgefälle zwischen Bildungsniveaus und Altersgruppen

Die aktuelle Auswertung offenbart, dass die mittlere Lesekompetenz bei Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen – etwa maximal Pflichtschule oder Lehre – deutlich gesunken ist. Dagegen blieb sie bei Akademiker*innen und Hochschulabsolvent*innen stabil.

Die »Schere« zwischen den Bildungsgruppen habe sich weiter geöffnet, wie Tobias Thomas (Statistik Austria) betont. Auch zwischen den Altersgruppen zeige sich ein wachsendes Gefälle: Die 16- bis 24-Jährigen in Österreich schneiden beim Lesen signifikant besser ab als der OECD-Durchschnitt der gleichen Altersgruppe. Ältere Personen (35 bis 65 Jahre) liegen hingegen unter dem OECD-Durchschnitt. Der Kompetenzunterschied zwischen Jüngeren und Älteren ist in Österreich größer als im internationalen Vergleich.

Rückgang der Lesekompetenz in bestimmten Berufsgruppen

Besonders deutlich ist der Rückgang der Lesekompetenz bei Beschäftigten in Dienstleistungs-, Handwerks- und Montageberufen, bei Fachkräften in Land- und Forstwirtschaft sowie bei Hilfsarbeitskräften. Während Personen in akademischen Berufen in Österreich überdurchschnittlich gut abschneiden, liegen Hilfsarbeitskräfte deutlich unter dem OECD-Durchschnitt.

Bei Nicht-Erwerbspersonen – wie Pensionist*innen und haushaltsführenden Personen – ist die Lesekompetenz ebenfalls gesunken. Schüler*innen und Student*innen hingegen zeigen keine signifikante Veränderung.

Zusammenhang zwischen Kompetenz, Bildung und Einkommen

Ein höheres Kompetenzniveau in den Bereichen Lesen, Alltagsmathematik und adaptives Problemlösen geht mit einem höheren Einkommen einher.

Besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang bei der Alltagsmathematik. Das Bildungsniveau hat zusätzlich einen eigenständigen, starken Einfluss auf das Einkommen – sogar stärker als die Grundkompetenzen selbst.

Unterschiede im Leseverhalten: Österreich vs. Deutschland

In Österreich sind die Leseaktivitäten sowohl in der Freizeit als auch am Arbeitsplatz rückläufig. Besonders auffällig ist der Rückgang beim Konsum komplexer Lesematerialien wie Zeitungsartikel, Magazine und Newsletter.

In Deutschland hingegen blieb die Leseaktivität in der Freizeit stabil, am Arbeitsplatz nahm sie sogar zu. Während sich die Lesekompetenz in Deutschland über die Jahre nicht verschlechtert hat, könnte der Kompetenzrückgang in Österreich mit der abnehmenden Lesetätigkeit zusammenhängen.

Resumee: Handlungsbedarf für Weiterbildung und Digitalisierung

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass gezielte Maßnahmen zur Förderung von Lesekompetenz und lebenslangem Lernen – insbesondere in Berufsgruppen mit niedrigen und mittleren Qualifikationsanforderungen – dringend notwendig sind.

Die Digitalisierung und der Wandel der Arbeitswelt erfordern zudem, dass auch ältere Beschäftigte und Menschen mit geringerer formaler Bildung besser unterstützt werden, um am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilhaben zu können.


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