
Jugendliche zwischen Entscheidung und Möglichkeit
Rund zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland wissen laut der aktuellen IAB-Studie »BeYou – Berufswahl und Du« bereits, welchen Bildungsweg sie nach der Schule einschlagen wollen.
Doch etwa ein Drittel zeigt sich unentschlossen und erwägt mehrere Alternativen zugleich – von der betrieblichen Ausbildung über weiterführende Schulen bis hin zum Studium. Diese Offenheit spiegelt die Vielfalt heutiger Bildungswege wider, aber auch eine gewisse Unsicherheit angesichts komplexer Optionen.
Bildungsziele unterscheiden sich nach Schulform
Jugendliche der Sekundarstufe I ziehen am häufigsten eine betriebliche Ausbildung oder den Besuch einer weiterführenden Schule in Betracht. Wer auf die Hochschulreife zusteuert, favorisiert dagegen klar das Studium, sieht in der dualen Ausbildung aber eine attraktive Alternative. Besonders deutlich wird die Mehrfachorientierung bei angehenden (Fach-)Abiturient*innen: Fast die Hälfte von ihnen erwägt mehrere Bildungswege. Unter Schüler*innen der Sekundarstufe I liegt dieser Anteil mit 27 Prozent deutlich niedriger.
IAB-Forscherin Silke Anger interpretiert diese Vielfalt als Zeichen von Offenheit, aber auch von Unsicherheit. Viele Jugendliche setzten sich frühzeitig mit ihrer beruflichen Zukunft auseinander, hätten aber Schwierigkeiten, sich angesichts der Fülle an Möglichkeiten festzulegen.
Ausbildung bleibt attraktiv – auch außerhalb des Bewerberpools
Bemerkenswert ist, dass eine betriebliche Ausbildung nicht nur für Jugendliche infrage kommt, die bereits im Bewerberpool der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfasst sind. Zwar haben sich 72 Prozent der dort registrierten Schüler*innen klar für eine Ausbildung entschieden. Doch auch 35 Prozent der Jugendlichen, die bislang nicht als Bewerber*innen gelten, denken über eine Ausbildung nach. Diese Gruppe gilt offiziell nicht als ausbildungsinteressiert – könnte aber mit gezielter Beratung gewonnen werden.
IAB-Direktor Bernd Fitzenberger betont, dass Jugendliche außerhalb des Bewerberpools nicht aus dem Blick geraten dürften. Eine frühe Berufsberatung könne hier Orientierung schaffen und Perspektiven aufzeigen.
Frühe Orientierung als Schlüssel
Die Studie verdeutlicht, dass sich berufliche Orientierung zunehmend als individueller Prozess gestaltet. Bildungsentscheidungen hängen von Schulform, Leistungsniveau, familiärem Hintergrund und persönlicher Sicherheit ab.
Laut IAB-Forscherin Anna Heusler unterstreichen die Ergebnisse die Notwendigkeit einer passgenauen Berufsorientierung – abgestimmt auf den jeweiligen Entscheidungsstand. Je früher Jugendliche die Vielfalt an Bildungswegen verstehen, desto besser können sie Chancen einschätzen und fundierte Entscheidungen treffen.
Resümee
Die IAB-Studie zeigt, dass Offenheit und Unentschiedenheit bei Jugendlichen kein Widerspruch sind. Sie spiegeln die Suche nach einem individuellen Weg zwischen Ausbildung, Schule und Studium. Eine kluge Berufsberatung kann helfen, diese Offenheit in Klarheit zu verwandeln und so dazu beitragen, Fachkräftepotenziale frühzeitig zu erschließen.
Hintergrund
Die IAB-Studie »BeYou – Berufswahl und Du« befragt seit Frühjahr 2024 rund 6.300 Jugendliche aus Abschlussklassen allgemeinbildender Schulen, die die Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch genommen haben. Erfasst werden ihre Pläne und Erwartungen noch während der Schulzeit – und nicht erst rückblickend, wie in früheren Studien.
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