Schulische Inklusion: Erkenntnisse aus fünf Jahren Forschung

INSIDE

Wie Inklusion an weiterführenden Schulen gelingt – und wo sie an Grenzen stößt

Die gesetzliche Verpflichtung zur Inklusion, also zum gemeinsamen Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, zählt zu den größten Herausforderungen im deutschen Bildungssystem.

Offen bleibt dabei die Frage, wie sich dieser Ansatz konkret auf den Schulalltag, den Lernerfolg und die soziale Teilhabe auswirkt. Unklar ist auch, ob inklusive Lernumgebungen vor allem Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf zugutekommen oder ob alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen profitieren.

Die bundesweite Langzeitstudie des Projekts INSIDE (»Inklusion vor und nach der Sekundarstufe I«) legt erstmals umfassend offen, wie inklusiver Unterricht an weiterführenden Schulen in Deutschland funktioniert und wo die größten Herausforderungen liegen.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren wurden mehr als 4.000 Jugendliche mit und ohne sonderpädagogische Förderbedarfe an 246 Schulen begleitet und ihre Entwicklung wissenschaftlich dokumentiert. Das wichtigste Ergebnis: Inklusion gelingt nicht überall reibungslos, aber auch kein grundsätzliches Scheitern wurde festgestellt.

Zentrale Ergebnisse der Studie

Die Studie zeigt ein gemischtes Bild: Während an vielen Schulen Inklusion gelingen kann, stößt sie vielerorts an praktische Grenzen. Erfolgsentscheidend ist laut Forschenden die Zusammenarbeit von Lehrkräften. Eine starke Kooperation zwischen Sonderpädagogen und Regelschullehrkräften, eine gute Vorbereitung sowie eine positive Arbeitsatmosphäre fördern das Gelingen inklusiven Unterrichts.

Rolle der Lehrkräfte und digitale Medien

Die Untersuchungen belegen, dass die Einstellung der Lehrkräfte und ihre Selbstwirksamkeitserwartung maßgeblich bestimmen, wie erfolgreich digitale Medien im inklusiven Unterricht eingesetzt werden. Lehrkräfte, die sich für den inklusiven Unterricht gut vorbereitet fühlen, bewerten digitale Medien positiver und setzen sie gezielter zur individuellen Förderung ein.

Demokratiebildung und Inklusion

Ein bedeutender Befund ist der positive Zusammenhang zwischen gelebter Inklusion und Demokratiebildung: Schulen, die Inklusion aktiv gestalten, fördern laut INSIDE-Daten zugleich die demokratische Haltung bei Lernenden und Lehrkräften.

Entwicklung der Kompetenzen

Die Studie dokumentiert, dass alle Schülerinnen und Schüler im Lesen und in Mathematik Fortschritte machen. Schüler*innen mit sonderpädagogischem Fokus »Lernen« bleiben dabei leistungsmäßig aber hinter anderen Gruppen zurück. Zudem werden Universal Design for Learning-Prinzipien (UDL) häufiger im Deutsch- als im Mathematikunterricht umgesetzt – mit in Mathematik teils negativem Einfluss auf Lernzuwächse, was auf die Zusammensetzung der Klassen zurückgeführt werden könnte.

Bedeutung des sozialen Klimas und Elternnetzwerke

Sozialkompetenzen entwickeln sich für Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf unabhängig vom inklusiven Kontext; entscheidend ist das Klassenklima. Für Schüler*innen mit Förderbedarf bleibt die soziale Teilhabe begrenzter, besonders bei emotionalen und sozialen Unterstützungsbedarfen. Erlebt ein Kind wertschätzende Beziehungen zu Lehrkräften, kann dies die soziale Teilhabe stärken. Auch Elternnetzwerke innerhalb der Klassen wirken sich positiv aus, insbesondere wenn nur wenige Kinder mit Förderbedarf einer Klasse angehören.

Resumee

Die INSIDE-Studie liefert eine bislang einzigartige, datenbasierte Grundlage für die weitere Forschung zur schulischen Inklusion in Deutschland. Ab Ende 2025 wird das Datenpaket der Wissenschaft zur Verfügung stehen, um neue, evidenzbasierte Impulse für gerechtere Bildung zu geben. 


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