Bildung von Anfang an: Warum frühe Förderung soziale Grenzen überwinden kann

Sachverständigenrat für Integration und Migration

Teilhabe beginnt im Klassenzimmer: Wie Bildung soziale Herkunft überwinden kann

Noch immer hängt der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft und dem Einkommen der Familien ab. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten oder mit Migrationsgeschichte sind häufig benachteiligt – insbesondere neuzugewanderte Kinder mit geringen Deutschkenntnissen und Fluchterfahrungen.

Das aktuelle Positionspapier des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) mit dem Titel »Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe« beschreibt, wie sich diese Ungleichheiten abbauen lassen.

Frühe Bildung legt das Fundament

Nach Einschätzung von Prof. Birgit Leyendecker, Mitglied im SVR und Expertin für frühkindliche Bildung, wird der Grundstein für einen erfolgreichen Bildungsweg bereits in der Kita gelegt. Besonders Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und solche, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, profitierten von frühzeitiger Förderung. T

rotz Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz nehmen zugewanderte Eltern ihn seltener wahr. Als Ursachen nennt Leyendecker mangelnde Kenntnisse des Bildungssystems, Befürchtungen einer nicht kultursensiblen Betreuung, Diskriminierung bei der Platzvergabe und finanzielle Hürden.

Sprachbildung als Schlüssel zur Integration

Prof. Havva Engin, ebenfalls SVR-Mitglied, betont, Bildung sei nicht nur ein Menschenrecht, sondern der entscheidende Schlüssel zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe. Sprachliche Förderung ab dem frühesten Kindesalter, vorzugsweise alltagsintegriert in der Kita, erleichtere Integration und Lernverlauf.

Der SVR begrüßt daher die geplante Fortführung des Sprach-Kita-Programms durch die Bundesregierung und empfiehlt den Ländern, Sprachkompetenzen systematisch zu erfassen und Förderung gezielt auszubauen.

Schulen in schwieriger Lage gezielt stärken

Ungleiches müsse ungleich behandelt werden, so der Rat. Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern aus einkommensschwachen oder zugewanderten Familien sollten zusätzliche Ressourcen erhalten. Das Startchancen-Programm von Bund und Ländern sei hier ein richtiger Schritt. Empfohlen wird eine sozialindexbasierte Schulfinanzierung, die Mittel dort konzentriert, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Integration durch schnelle Schulaufnahme

Auch für geflüchtete Kinder und Jugendliche ist der zügige Schulzugang entscheidend. Laut EU-Aufnahmerichtlinie soll er spätestens zwei Monate nach dem Asylantrag erfolgen. Vorbereitungsklassen können laut SVR zwar übergangsweise helfen, erwiesen sich aber langfristig oft als Hürde für den Schulerfolg. Daher wird empfohlen, den Wechsel in Regelklassen frühzeitig zum Standard zu machen.

Jugendliche nicht aus dem System fallen lassen

Besonders ältere Geflüchtete laufen Gefahr, ohne Abschluss zu bleiben, wenn die Schulpflicht endet. Der SVR rät daher, die Berufsschulpflicht für junge Erwachsene mit Fluchthintergrund zu verlängern. Nur so könnten sie Sprache und Grundlagen für eine Ausbildung erwerben und den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen.

Vielfalt als Normalität begreifen

Sprachliche und kulturelle Vielfalt ist laut Engin längst Alltag in deutschen Bildungseinrichtungen. Viele Programme zielten darauf, Kitas, Schulen und Hochschulen auf diese Realität vorzubereiten.

Allerdings fehlten systematische Auswertungen. Der SVR fordert deshalb eine konsequente Evaluation, um Wirkung und Bedarfe besser einschätzen zu können.

Weitere Empfehlungen

Das Positionspapier enthält zudem konkrete Vorschläge für mehr Chancengerechtigkeit:

  • Diversitätskompetenz in der Lehrkräftebildung stärken
  • Potenziale zugewanderter Pädagoginnen und Pädagogen nutzen
  • Brückenangebote vor Kita- oder Schuleintritt qualitativ ausbauen
  • Geflüchtete junge Frauen gezielt fördern
  • Studienerfolg durch Beratung und Unterstützung sichern

Bildung als gesellschaftliche Aufgabe

Chancengleichheit bleibt laut SVR eine zentrale Voraussetzung für Teilhabe und sozialen Zusammenhalt. Bildungspolitik müsse langfristig angelegt und sozial ausgewogen sein. Nur wenn Kinder und Jugendliche unabhängig von Herkunft und Einkommen gleiche Chancen erhalten, kann Bildung ihren Auftrag erfüllen: Wege zu eröffnen statt sie zu versperren.


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