Sachsen-Anhalt ringt um neues Bildungsurlaubsgesetz

Bildungsurlaub (symbolisch)

Bildungszeit in Sachsen-Anhalt: Reform zwischen Stillstand und Streit

Der Streit um die Bildungszeit in Sachsen-Anhalt spitzt sich zu. Während Gewerkschaften und SPD eine schnelle Umsetzung fordern, bremsen CDU und FDP das Vorhaben aus und verweisen auf wirtschaftliche Belastungen.

Das geplante Gesetz soll die Bildungsfreistellung modernisieren und ehrenamtliches Engagement stärker fördern.

Kern des Gesetzentwurfs

Beschäftigte in Sachsen-Anhalt haben derzeit Anspruch auf fünf Tage Bildungszeit pro Jahr. Der neue Entwurf der schwarz-rot-gelben Koalition sieht vor, diese auch für politische Bildung und ehrenamtliche Tätigkeiten zu öffnen. Zudem sollen künftig eintägige Veranstaltungen anerkannt werden.

Bildungsminister Jan Riedel (CDU) erklärte, Weiterbildung sei zentral für Fachkräftesicherung, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Gewerkschaften fordern schnelle Beratung

DGB-Landeschefin Susanne Wiedemeyer kritisierte, dass der Entwurf entgegen der ursprünglichen Planung nicht zum geplanten Zeitpunkt im Landtag diskutiert worden sei. Sie forderte, die Novelle endlich einzubringen und zu beraten. Weiterbildungszeit sei ein bewährtes Modell in fast allen Bundesländern. Arbeitgeberpräsident Marco Langhof warf sie vor, die Debatte mit dem Hinweis auf mögliche »Streikschulungen« zu verzerren.

Widerstand von Arbeitgebern und Handwerk

Der Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt lehnt die Pläne strikt ab. Eine Freistellung von fünf Arbeitstagen bei voller Lohnfortzahlung greife unzumutbar in die wirtschaftliche Souveränität ein, hieß es. Besonders kleine und mittlere Betriebe hätten darunter zu leiden.

Ähnlich äußerte sich die Handwerkskammer Magdeburg. Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe betonte, berufsspezifische Weiterbildung müsse Vorrang haben und forderte finanzielle Entlastungen für Unternehmen.

Uneinigkeit im Landtag

Auch zwischen den Regierungsparteien knirscht es. CDU-Fraktionschef Guido Heuer sprach von notwendigem Optimierungsbedarf und stellte infrage, ob der zeitliche Rahmen von fünf Tagen noch ökonomisch vertretbar sei.

Unterstützung erhielt er von der FDP, die vor allem bei der Finanzierung Klärungsbedarf sieht. SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle wies diese Bedenken zurück. Sie betonte, der Gesetzentwurf sei tragfähig und werde im Herbst im Landtag eingebracht.

Kritik der Opposition

Die Grünen bemängeln das Vorgehen der CDU. Bildungspolitikerin Susan Sziborra-Seidlitz verwies darauf, dass die Pläne seit Monaten bekannt seien. Wenn die Union nun plötzlich Bedenken äußere, sei das schwer nachvollziehbar.

Auch die FDP geriet in die Kritik. Aus Sicht der Grünen müssten weitere Inhalte wie kulturelle Bildung und Nachhaltigkeit aufgenommen werden. Die Linke wiederum hob hervor, dass bisher relativ wenige Arbeitnehmer überhaupt Bildungszeit nutzten, weshalb die Sorge vor massiven Ausfällen unbegründet sei.

Die AfD lehnte die Pläne ab und erklärte, Weiterbildung solle in der Freizeit stattfinden.

UM DAS GEHT ES IM KERN

ThemaBildungsfreistellungsgesetz 1998Bildungszeitgesetz (Entwurf) 2025
Begriff und Zielsetzung Freistellung zur beruflichen Weiterbildung Neuer Begriff »Bildungszeit« – umfasst berufliche, politische Bildung und Qualifizierung für Ehrenamt; Betonung Lebenslangen Lernens
Anspruch auf Freistellung 5 Arbeitstage im Kalenderjahr, Übertragbarkeit innerhalb von 2 Jahren 5 Arbeitstage im Kalenderjahr, Übertragbarkeit bis 30. Juni des Folgejahres; flexiblere Nutzung (auch halbtags, mindestens 6 Unterrichtsstunden)
Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, Auszubildende, Heimarbeitsbeschäftigte Zusätzlich Studierende mit dualem Studium, Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung; weitere Konkretisierungen
Bildungsthemen Berufliche, thematisch ausgerichtete Weiterbildung Erweiterung um politische Bildung und Qualifizierung für Ehrenamt; Förderung von Vielfalt, Gleichstellung und Demokratiebewusstsein
Veranstalter und Anerkennung Anerkennung der Bildungsveranstaltungen durch Landesverwaltungsamt; Antrag schriftlich vor Veranstaltungsbeginn Anerkennung elektronisch, erweiterte Anerkennung z.B. für akkreditierte Studiengänge, Landeszentrale für politische Bildung, Bundeszentrale; Vereinfachtes Verfahren und längere Anerkennungsdauer (bis 3 Jahre)
Flexible Nutzung Mindestdauer meist ein Tag, mehrtägige Veranstaltungen üblich Flexiblere Veranstaltungen möglich; Anerkennung von Online- und Hybridformaten; Mindestdauer 6 Unterrichtsstunden/Tag, Ausnahmen für Auszubildende/Studierende
Ablehnung der Freistellung Arbeitgeber mit <5 Beschäftigten können ablehnen; Ablehnung nur bei dringenden betrieblichen Gründen, fristgerechte Mitteilung (mind. 3 Wochen vorher) Ähnliche Regelung mit Schutz der Kleinbetriebe; Ablehnung muss spätestens 10 Arbeitstage nach Antrag erfolgen; flexibler Umgang mit Interessensausgleich
Entgeltfortzahlung Lohnfortzahlung während der Freistellung Lohnfortzahlung bleibt, keine weiteren Ansprüche gegen Arbeitgeber
Erwerbstätigkeitsverbot während Bildungszeit Verbot der Erwerbstätigkeit, die dem Freistellungszweck widerspricht Gleichlautend, klare Fokussierung auf Weiterbildung als Zweck der Bildungszeit
Benachteiligungsverbot Schutz der Arbeitnehmer vor Nachteilen bei Freistellung Erweiterter Schutz, Abweichungen nur zu Gunsten der Anspruchsberechtigten erlaubt
Berichtspflicht Bericht an Landtag alle 4 Jahre Bericht an Landtag einmal pro Legislaturperiode (Erstbericht 2029); umfangreiche statistische Anforderungen
Gremien / Beirat Beteiligung von Verbänden bei Anerkennungen Einrichtung eines Beirats für Bildungszeit mit paritätischer Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, weiteren beratenden Mitgliedern, Ombudsstelle-Funktion
Inkrafttreten / Übergangsregelung Gesetz seit 1998 gültig, zuletzt geändert 2005 Inkrafttreten 01.09.2026, Ablösung des alten Gesetzes zum gleichen Zeitpunkt

 

Wesentliche Änderungen:

  • Die Umbenennung zu »Bildungszeit« spiegelt eine modernere, umfassendere Auffassung von Weiterbildung wider, inklusive politischer Bildung und Ehrenamtsqualifizierung.
  • Anspruchsberechtigte Gruppe wurde erweitert (z.B. dual Studierende, Menschen mit Behinderung).
  • Flexiblere Nutzungsmöglichkeiten (halbtags, digitale Formate) werden ermöglicht und Mindestanforderungen an Unterrichtsstunden präzisiert.
  • Anerkennungsverfahren wird digitalisiert und teilweise automatisiert, Anerkennungsdauer verlängert, auch staatlich beaufsichtigte bzw. akkreditierte Bildungsträger werden anerkannt ohne neuen Antrag.
  • Einführung eines Beirats mit paritätischer Vertretung und erweiterten Aufgaben, u.a. Vermittlung im Streitfall.
  • Berichtspflichten wurden auf einmal pro Legislaturperiode mit erweiterten Angaben angepasst.
  • Schutz vor Benachteiligung wurde konkretisiert, Ablehnungsfristen und -gründe präzisiert. 

Ähnliche Themen in dieser Kategorie

29.08.2025

Bildungsurlauber.de legt aktuellen Trendbericht 2025 vor In fast allen Bundesländern haben Beschäftigte Anspruch auf Bildungsurlaub, der ihnen bezahlten Sonderurlaub für Weiterbildungen bietet – zusätzlich zum regulären Erholungsurlaub. Bayern und Sachsen bilden …

21.08.2025

Großes Potenzial – geringe Nutzung Obwohl »Bildungsurlaub« ein wertvolles Instrument zur persönlichen und beruflichen Weiterbildung darstellt, nutzen nur 3,5 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Deutschland dieses Recht.  Das ergab eine Randstad-ifo-HR-Befragung Anfang 2023 …

07.08.2025

Neues Gesetz setzt auf Flexibilität und lebenslanges Lernen Das Land Sachsen-Anhalt will ab 1. September 2026 mit dem Bildungszeitgesetz (BzG LSA) neue Maßstäbe für Weiterbildung setzen und das seit 1998 gültige Bildungsfreistellungsgesetz ablösen. Ziel sei nach Angaben der …

29.05.2025

Bundesausschuss für politische Bildung: Träger in Existenznot Die Träger der politischen Bildung in Deutschland sehen sich durch die anhaltende vorläufige Haushaltsführung des Bundes in ihrer Existenz bedroht. Hintergrund ist, dass für das Jahr 2025 bislang kein endgültiger …

.
Oft gelesen...