Kopfnoten in der Schule: Kein messbarer Effekt auf Bildungserfolg und Berufseinstieg

Schulzeugnis (durch Mutter mit Kind betrachtet)

Überflüssige Kopfnoten kosten über 200 Millionen Euro

Die Vergabe von Verhaltensnoten – sogenannte »Kopfnoten« – ist in deutschen Schulen weit verbreitet, hat aber laut aktueller Forschung keinen nachweisbaren Einfluss auf den Bildungserfolg oder den späteren Berufseinstieg der Schüler*innen.

Das zeigt eine ifo-Studie von Schoner et al. (2024), die erstmals empirisch untersucht hat, ob Kopfnoten tatsächlich das Verhalten, die Leistungen oder die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Zentrale Ergebnisse der Studie

  • Kopfnoten beeinflussen weder die kognitiven noch die nicht-kognitiven Fähigkeiten der Schüler*innen. Weder Lesekompetenzen noch Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit, sozialverträgliches Verhalten oder Vertrauen werden durch die Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens signifikant verändert.
  • Auch beim Übergang von der Schule ins Berufsleben zeigen sich keine Effekte. Die Wahrscheinlichkeit, nach der Schule einen Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz zu finden, bleibt mit oder ohne Kopfnoten gleich.
  • Die Ergebnisse sind robust: Verschiedene statistische Methoden und Kontrollen bestätigen, dass Kopfnoten keine messbaren Vorteile bringen.

Warum bleiben die Effekte aus?

  • Fachnoten enthalten bereits Informationen über nicht-kognitive Fähigkeiten. Wer im Unterricht engagiert und zuverlässig ist, bekommt meist auch bessere Fachnoten. Verhaltensnoten liefern daher kaum zusätzliche Informationen, die für Arbeitgeber*innen relevant wären.
  • Kopfnoten haben keine Konsequenzen für Versetzung oder Schulwahl. Da sie nicht über den weiteren Bildungsweg entscheiden, fehlt den Schüler*innen der Anreiz, gezielt an ihrem Verhalten zu arbeiten.
  • Feedback kommt zu spät. Die halbjährliche oder jährliche Vergabe von Zeugnissen mit Kopfnoten wirkt zu langsam, um das Verhalten im Schulalltag kurzfristig zu beeinflussen.
  • Lehrkräfte nutzen auch ohne Kopfnoten andere pädagogische Maßnahmen. Fast 60% der befragten Lehrkräfte geben an, bei Fehlverhalten auf Einzelgespräche, Ermahnungen oder Einträge ins Klassenbuch zurückzugreifen – unabhängig davon, ob es formelle Verhaltensnoten gibt.

Hoher Aufwand, geringer Nutzen

Die Vergabe von Kopfnoten ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden: Im Schnitt investieren Lehrkräfte etwa 30 Minuten pro Schulkind und Schuljahr für die Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens.

Hochgerechnet auf alle Schüler*innen in Deutschland entstehen so jährliche Gesamtkosten von rund 206 Millionen Euro. Diese Ressourcen könnten effizienter eingesetzt werden, etwa für gezielte Förderung oder individuelles Feedback.

Resumee: Kopfnoten überdenken

Die Studie legt nahe, dass die bildungspolitische Praxis Kopfnoten kritisch hinterfragen sollte. Weder für den Bildungserfolg noch für den Berufseinstieg bringt die Benotung des Verhaltens nachweisbare Vorteile.

Stattdessen sollten Schulen und Politik andere Wege finden, um nicht-kognitive Fähigkeiten zu fördern und das Lernklima zu verbessern. 


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