Junge Menschen in Deutschland: Zwischen Informationsflut und psychischer Belastung

Jugendliche in der Krise: Wie Gewaltbilder und Politik die Psyche belasten
Eine aktuelle, bundesweite Umfrage des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg zeigt: Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland sind angesichts der Vielzahl globaler Krisen wie Kriege, Anschläge und Klimawandel stark psychisch belastet.
Die Studie, durchgeführt im März 2025 unter 2.000 Personen im Alter von 16 bis 21 Jahren, kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Befragten sich durch politische und gesellschaftliche Entwicklungen persönlich bedroht fühlt. Besonders Kriege und internationale Konflikte lösen bei vielen Angst aus und führen dazu, dass 23 Prozent öffentliche Orte meiden.
Medienkonsum als Belastungsfaktor
Die Jugendlichen sind in hohem Maße informiert – jedoch nicht freiwillig. Fast die Hälfte sieht mindestens einmal pro Woche, fast ein Fünftel sogar täglich, verstörende Bilder oder Videos von Gewalt, Verwundung oder Tod. Diese Inhalte gelangen meist ungefragt über Social-Media-Feeds oder werden direkt zugeschickt. Männliche Befragte sehen solche Szenen häufiger als weibliche.
(c) Lehrstuhl für KJPP - Universität Regensburg
Die Studie hebt hervor, dass diese indirekte Konfrontation mit Gewaltbildern zu Symptomen einer posttraumatischen Belastung führen kann: 20 Prozent berichten von Nachhallerinnerungen, 14 Prozent von Schreckhaftigkeit und 10 Prozent von Schlafproblemen.
Psychische und körperliche Beschwerden weit verbreitet
Rund 48 Prozent der Jugendlichen geben an, unter ausgeprägten depressiven Symptomen zu leiden, wobei weibliche Befragte besonders betroffen sind. 56 Prozent berichten von Schlafproblemen, 48 Prozent von körperlichen Beschwerden wie Schmerzen oder Übelkeit ohne erkennbare Ursache.
Trotz dieser hohen Belastung sucht nur ein geringer Teil professionelle Hilfe: Nur etwa 20 Prozent wenden sich an Psycholog*innen oder Ärzt*innen, die Mehrheit sucht Unterstützung im privaten Umfeld.
Hürden bei der Suche nach Unterstützung
Die Studie identifiziert mehrere Gründe, warum viele Jugendliche keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Zu lange Wartezeiten, zu wenige Anlaufstellen, Bedenken hinsichtlich Vertraulichkeit, Angst vor Therapie oder die Annahme, dass eine Behandlung nicht helfen würde.
Die meisten Jugendlichen wünschen sich persönliche Gespräche statt Online-Angeboten und fordern mehr Aufklärung zu psychischer Gesundheit in Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten.
Empfehlungen: Kommunikation, Aufklärung und Schutz im Netz
Die Forschenden betonen, dass das Vertrauen in die Politik gestärkt werden müsse – durch transparente und jugendgerechte Kommunikation. Erwachsene sollten lernen, Jugendlichen in Krisenzeiten empathisch und wertfrei zuzuhören.
Zudem sei es notwendig, Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen und Therapieangebote auszubauen. Im Umgang mit sozialen Medien empfehlen die Wissenschaftler*innen, Schutzfilter zu stärken und die Medienkompetenz zu fördern. Jugendliche sollten ihren Nachrichtenkonsum begrenzen und digitale Pausen einlegen, um sich besser zu schützen und zu erholen.
VERWEISE
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