Ausgaben der Studierenden übersteigen ihre Einkünfte

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Eine Erhöhung der BAföG-Förderungssätze liegt nahe, legt man die aktuellen Ergebnisse einer Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) für das Deutsche Studentenwerk zugrunde, das erstmals seit Einführung des BAföG die Lebenshaltungskosten von Studierenden in Deutschland auf der Grundlage von statistischen Daten berechnet hat: Betrachtet man die tatsächlichen Ausgaben der angehenden Akademiker*innen, dann liegen diese deutlich über den BAföG-Sätzen und häufig über dem verfügbaren Budget insgesamt. Dies gilt auch dann, wenn entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung des soziokulturellen Existenzminimums nur die Ausgaben der 15 Prozent mit den geringsten Einnahmen zugrunde gelegt werden.

Folgt man der heute vom Deutschen Studentenwerk veröffentlichten Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), dann betragen die Lebenshaltungskosten von alleinlebenden Studierenden in Deutschland durchschnittlich zwischen 920 und 950 Euro pro Monat. Diese Summe ergibt sich allein aus den Ausgaben für Ernährung, Fahrtkosten, Kleidung, Kommunikation und Freizeit, Lernmittel bzw. Bildung, Gesundheit und Miete, die in allen drei zugrunde gelegten Datenquellen, der Sozialerhebung, der Einkommens- und Verbrauchsstatistik (EVS) und dem Sozio-Oekonomischen Panel (SOEP), vergleichbar sind. Darüber hinaus sind aber auch Ausgaben für die Körperpflege, die Innenausstattung von Wohnungen sowie Beherbergung und Gaststätte zu berücksichtigen, die in der Sozialerhebung bislang nicht erhoben werden, die aber die Kosten um gut einhundert Euro steigern. Die Höhe der Gesamtausgaben wird durch viele Faktoren beeinflusst, wie etwa der Wohnform, der Existenz von Kindern oder der Erwerbstätigkeit der Studierenden. Sie steigen allein schon mit dem Alter der Studierenden deutlich an. Zwar erhöhen sich die Ausgabenwerte für alle Kategorien, doch erweisen sich Miet- und Gesundheitskosten als die stärksten Kostentreiber.

Auf der anderen Seite werden die Einnahmen, die monatlich verfügbaren Mittel der Studierenden betrachtet. Es zeigt sich, dass diese, insbesondere im unteren Einkommensbereich, meist niedriger sind als die Ausgaben. D.h. entweder haben die Studierenden noch andere Einnahmequellen, als in den Erhebungen bisher erfasst werden, oder sie geben mehr aus, als sie an Geld zur Verfügung haben. Dabei zeigt sich auch, dass weder das BAföG noch die Eltern alleine in der Lage sind, eine ausreichende finanzielle Grundlage zur Finanzierung des Studiums zu ermöglichen. Erst wenn beide Quellen miteinander kombiniert oder durch Erwerbstätigkeit der Studierenden ergänzt werden, kommen die Studierenden auf ein einigermaßen akzeptables Niveau. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Folgen diese Ergebnisse für die Berechnung des BAföG-Satzes haben werden.

Dies sind die zentralen Ergebnisse der vom FiBS vorgelegten Studie, in der im Auftrag des Deutschen Studentenwerks die Lebenshaltungskosten der Studierenden in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen Lebensumständen ermittelt wurden.

Einflussfaktoren auf die Ausgabenhöhe

Schaut man genauer auf die Faktoren, die die Höhe der Ausgaben besonders beeinflussen, so zeigt sich folgendes Bild.

Alter und Wohnform

Wohnen die Studierenden nicht allein, sondern mit ihrem bzw. ihrer Partner*in zusammen, sind die individuellen Kosten meist etwas niedriger, da die Ausgaben für Miete, Ernährung und Kommunikation geteilt werden können. Die Höhe der Einsparungen variiert dabei zwischen den Erhebungen. Während es nach der Sozialerhebung mit 903 Euro monatlich nur etwa 20 Euro weniger sind, sind es nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 135 Euro, sodass sich die Gesamtausgaben auf nur noch knapp 800 Euro belaufen. Noch deutlich geringer sind die Ausgaben derjenigen, die in einer Wohngemeinschaft oder im Studentenwohnheim leben. Sie geben im Schnitt zwischen 750 und 700 Euro aus bzw. bis zu 800 Euro aus.
Diese durchschnittlich über alle Altersgruppen geltenden Gesamtausgaben sind für die 18- bis 24-Jährigen mit etwa 750 Euro bzw. knapp 900 Euro im Monat am niedrigsten, wenn auch die Ausgaben für Körperpflege etc. berücksichtigt werden, steigen aber mit dem Alter der Studierenden sukzessive auf bis zu 1.250 oder 1.300 Euro und auch darüber hinaus an - je nachdem, welche Erhebung herangezogen und welche Wohnform zugrunde gelegt wird.

Auch wenn sich bei allen Einzelpositionen höhere Ausgaben finden lassen, sind Miete und insbesondere die Gesundheitskosten deutliche Kostentreiber. »Zum einen wohnen ältere Studierende häufiger alleine oder mit dem Partner, der Partnerin zusammen. Jüngere leben hingegen eher im Wohnheim oder in der WG«, erläutert Dr. Dieter Dohmen, der Direktor des FiBS. »Auch die Attraktivität des Studienortes schlägt sich in den Mietkosten nieder. Zum anderen steigen die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Diejenigen, die noch keine 25 Jahre alt sind, sind bei den Eltern mitversichert. Anschließend gelten studentische Tarife gelten, aber bei den mindestens Dreißigjährigen gibt es keine vergünstigte Pflichtversicherung mehr«. Dies allein führt schon dazu, dass die Kosten im Schnitt jeweils um 40 bis 50 Euro steigen.

Umfang der Erwerbstätigkeit und Hauptfinanzierungsquelle

Die Höhe der Ausgaben wird zudem vom Umfang der Erwerbstätigkeit und der Hauptfinanzierungsquelle beeinflusst. Studierende, die sich hauptsächlich über die Eltern finanzieren, haben danach etwas höhere Ausgaben als Studierende, die sich insbesondere über das BAföG finanzieren. Die höchsten Ausgaben zeigen sich jedoch bei Studierenden, die sich vor allem über die eigene Erwerbstätigkeit finanzieren.

Existenz von Kindern

Deutlich höher sind die Ausgaben von Studierenden mit Kindern. Dabei ist der Ausgabenanstieg davon abhängig, ob es sich um Alleinerziehende oder zusammenlebende Eltern handelt und wie viele Kinder vorhanden sind. Der durchschnittliche kindbedingte Ausgabenanstieg schwankt dabei zwischen 200 und 600 Euro und wird auch davon beeinflusst, dass Betreuungskosten zu finanzieren sind. »Auffallend ist, dass die Betreuungskosten dabei zwar ein kostenerhöhender Faktor sind«, so Dohmen, »aber diejenigen mit Betreuungskosten auch bei den meisten anderen Positionen höhere Ausgaben haben, als diejenigen, die keine Betreuungskosten haben. Man könnte vermuten, dass diejenigen mit Betreuungskosten finanziell etwas bessergestellt sind, aber auch Eltern mit geringen Einkommen haben zum Teil sehr hohe Betreuungskosten«.

Die unteren 15 Prozent nach Einnahmen

Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass für die Festlegung des soziokulturellen Existenzminimums beim Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nur die Ausgaben derjenigen zu berücksichtigen sind, die zu den unteren 15 Prozent nach Einkommen zählen. Um eine entsprechende Grundlage für die Berechnung der BAföG-Sätze zu schaffen, wurden daher in der FiBS-Studie auch die Ausgaben ermittelt, die diese Teilgruppe von Studierenden hat.

Grundsätzlich sind die Ausgaben dieser einkommensschwachen Studierenden zwischen einem Viertel und einem Drittel geringer als beim Durchschnitt aller. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie gerade einmal die Hälfte der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten aller Studierenden oder sogar noch weniger ausgeben.

Die drei Erhebungen zeigen für diese Teilgruppe der Studierenden allerdings erhebliche Unterschiede im Ausgabenniveau, wobei die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgängig die geringsten Ausgaben ausweist: Betrachtet man nur die im Wesentlichen unverzichtbaren Ausgaben ohne Miet- und Versicherungsausgaben, die im BAföG als ergänzende Zuschläge gewährt werden, schwanken die Ausgaben der Einkommensschwächeren nach der Sozialerhebung altersabhängig zwischen 285 und 330 Euro. Nach dem Sozio-Oekonomischen Panel sind es bereits 360 bis 585 Euro und nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zwischen 345 und fast 700 Euro. Zum Vergleich: der hier relevante BAföG-Satz der Jahre 2012/13 lag bei 373 Euro.

Die Ausgaben für die Miete schwanken bei diesen Studierenden, die zu den unteren 25 Prozent zählen, zwischen 201 Euro, bei denjenigen, die im Studentenwohnheim leben, und 290 Euro bei den Alleinlebenden. Die Mietpauschale von 224 Euro reicht somit nur bei wenigen Studierenden zur Finanzierung der Miete aus. Die Ausgaben für die Gesundheit, die die Kranken- und Pflegeversicherung miteinbeziehen, steigen mit dem Alter von rund 25 Euro auf bis zu etwa 150 Euro an.

Einkommensschwache Studierende mit Kindern geben meist zwischen 200 und 300 Euro pro Monat mehr aus als ihre kinderlosen Pendants, wobei sich diese höheren Kosten bei fast allen Ausgabenpositionen feststellen lassen. Besonders deutliche Unterschiede zeigen sich bei den Miet-, Gesundheits- und Betreuungsausgaben. »Hier zeigen unsere Ergebnisse erstaunlicherweise«, hält Dohmen fest, »dass einkommensschwache Studierende, die Kinder haben, sogar höhere Betreuungsgaben haben als der Durchschnitt der studierenden Eltern. Wir können zwar nicht ausschließen, dass dies auf Ausreißer bei geringen Fallzahlen zurückzuführen ist, doch sollte dieses Ergebnis in jedem Fall ein Anlass für weitere Untersuchungen sein«.

Auffallend ist ferner, dass die Gruppe der einkommensschwachen Studierenden zum Teil extrem geringe Lebensmittelkosten angeben, die zum Teil sogar unter drei Euro pro Tag liegen. »Dies liegt auch daran, dass die Ausgaben für die Miete und andere Positionen, wie etwa Kommunikation, kaum reduziert werden können. Zudem ist der Mietzuschlag des BAföG zu gering, um die Mietausgaben zu finanzieren. Das zwingt die Studierenden dazu, diese Mehrausgaben an anderer Stelle zu kompensieren. Und das ist dann meist das Essen«, so der Direktor des FiBS.

Fazit
»Die Lebenshaltungskosten liegen häufig über den Einnahmen und Einnahmemöglichkeiten der Studierenden sowie über den Förderungssätzen des BAföG, dessen Pauschalen den realen Ausgaben nicht entsprechen.
Es gibt nicht den oder die Durchschnitts-Studierende«, fasst der Bildungsökonom die Ergebnisse der Studie zusammen, »sondern die Ausgaben werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Es lassen sich jedoch einige Faktoren ausmachen, die die Kosten stark beeinflussen und von den Studierenden zum Teil nur bedingt beeinflussbar sind. Hierzu zählen etwa die Kosten für die Miete, Gesundheit oder Kommunikation. Bemerkenswert bis erschreckend ist die Bandbreite bei den Ausgaben für Ernährung. Hierfür werden zum Teil Beträge ausgegeben, die eine gesunde und ausgewogene Ernährung unwahrscheinlich erscheinen lassen«.
Datengrundlage

Der Vergleich von Sozialerhebung, EVS und SOEP diente der kritischen Überprüfung, Ergänzung und Validierung der einzelnen Erhebungs- und Analyseergebnisse. Allerdings berücksichtigen die drei zugrundeliegenden Datenquellen sehr unterschiedliche Ausgaben. Die Sozialerhebung erhebt im Vergleich zur EVS und zum SOEP die wenigsten Ausgabenpositionen, so dass die Größenordnungen zum Teil beträchtlich voneinander abweichen.

Für die nächste Sozialerhebung empfiehlt sich daher eine Erweiterung des Ausgabenbegriffs, damit die - bisher unzureichend erfassten - weiteren Kosten, wie etwa für die Ausstattung und Instandhaltung der Unterkunft, die Körperpflege oder auch durch Kinder etc. entstehen, um eine noch bessere Datengrundlage für die Festlegung der BAföG-Förderungssätze zu haben. Bestimmte Zielgruppen, die nur einen kleinen Teil der Studierendenpopulation insgesamt ausmachen, wie etwa die Studierenden mit Kind, sollten zudem noch gezielter um die Teilnahme an der Erhebung gebeten werden, um die Validität der Ergebnisse sicherzustellen.

 

 

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