Studie: Wie die Bevölkerung auf den demografischen Wandel vorbereitet ist

 Rentner, Rente (Symbolbild)

Eine neue Studie nimmt in den Blick, wie gut Bürgerinnen und Bürger auf die Auswirkungen des demografischen Wandels vorbereitet sind.

Die Folgen des demografischen Wandels sind hinlänglich bekannt – eigentlich. Und doch zeigt diese Studie, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung für das Alter, einen möglichen Pflegefall, die Gestaltung des Wohnumfelds oder ein längeres Arbeitsleben vorgesorgt hat.

Viel zu wenige Menschen sind ausreichend gerüstet für die tiefgreifenden Herausforderungen, die die alternde Gesellschaft mit sich bringt. Die Gründe dafür sind vielfältig, insbesondere Geringverdiener*innen haben jedoch aufgrund ihrer finanziellen Situation gar nicht erst die Möglichkeit, angemessen vorzusorgen.

Für die Studie hat die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung individuelle Strategien im demografischen Wandel herausgearbeitet. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat auf dieser Grundlage 1.234 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der 16- bis 70-jährigen Bevölkerung durchgeführt.

Private finanzielle Altersvorsorge

Nur jede*r Dritte*r der 16- bis 70-jährigen Nichtrentner*innen legt regelmäßig Geld für die private Altersvorsorge zurück. Lediglich ein Viertel geht hingegen davon aus, im Alter ausreichend Geld zur Verfügung zu haben, 14 Prozent fürchten sogar, dass das Geld knapp oder gar nicht reichen wird.

Der Grund ist nachvollziehbar: Vielfach reicht das Einkommen nicht, um Geld fürs Alter zurückzulegen. Dies gilt vor allem für Geringverdiener*innen – von ihnen sorgen sich mit 38 Prozent besonders viele um ihre finanzielle Situation im Alter. Dass finanzielle Vorsorge nottut, ist offenbar bei allen Gruppen angekommen. Denn Gut- und Geringverdienende legen prozentual gesehen einen gleich hohen Anteil des frei verfügbaren Einkommens fürs Alter zurück.

Bei der Altersvorsorge sind allerdings auch tradierte Geschlechterrollen von Bedeutung: Mehr als jede fünfte Frau erklärt, sie verlasse sich im Alter auf Unterstützung durch Familie und Partner, bei den Männern ist es nur jeder Achte. Die Abhängigkeit von den Partnern oder der Familie ist unter Frauen in den westdeutschen Bundesländern und mit hohem Sozialstatus stärker verbreitet als in den ostdeutschen Bundesländern sowie unter Frauen mit niedrigem Sozialstatus.

Vorsorge für den Pflegefall

Obwohl die Nachrichten voll sind von Berichten über den Pflegenotstand, hat unter den 60- bis 70-Jährigen erst jede*r Dritte Maßnahmen für den Pflegefall ergriffen. Fast drei Viertel der 50- bis 70-Jährigen gehen in der Befragung davon aus, dass Angehörige die Pflege zumindest teilweise übernehmen. 62 Prozent dieser Altersgruppe denken, dass der oder die Partner*in einen Teil der Pflege abdecken wird, 46 Prozent geben an, dass sich auch die eigenen Kinder beteiligen werden. Finanziell schlechter gestellte Personen rechnen für den Pflegefall deutlich seltener mit der Unterstützung durch die Familie, unter ihnen ist auch die Angst vor Einsamkeit im Alter besonders stark verbreitet.

Nutzung technischer Hilfsmittel im Wohnumfeld

Obwohl die meisten Menschen möglichst lange in ihrem eigenen Zuhause wohnen bleiben möchten, bezeichnen nur gut 17 Prozent der 50- bis 70-Jährigen ihre eigene Wohnsituation als altersgerecht.

Je weniger Geld die Befragten zur Verfügung haben, desto seltener nutzen die Menschen technische Hilfsmittel, die ihnen im Alter das Leben erleichtern könnten. Nur 27 Prozent kommunizieren über Videotelefonie mit ihren Angehörigen (Besserverdienende: 45 Prozent). Roboter im Haushalt oder Garten nutzen 10 Prozent (Besserverdienende: 20 Prozent). Ganz ähnlich verhält es sich mit der Übermittlung medizinischer Daten oder Videosprechstunden mit dem Arzt, die bisher jedoch allgemein nur sehr selten in Anspruch genommen werden.

Gesundheitliche Vorsorge

So groß die Angst ist, im Alter krank zu sein, so schwach ausgeprägt ist doch quer durch alle Schichten und Altersgruppen das Bemühen, im Job auf die eigene Gesundheit zu achten: Nur knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dies zu tun.

Während jede*r dritte Berufstätige mit hohem sozio-ökonomischem Status flexible Arbeitszeitmodelle nutzt, bemühen sich die schlechter gestellten Beschäftigten vor allem um altersgerechte Arbeitsbedingungen oder ziehen näher an den Arbeitsort. Letztere wünschen sich zudem weniger Leistungsdruck, mehr Urlaub, mehr Wertschätzung und weniger körperliche Belastung.

Weniger als jede*r Zehnte gibt an, über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten zu wollen. Mehr als ein Viertel der Berufstätigen will dagegen schon früher in Rente gehen, ein Viertel ist noch unentschlossen. Von den Berufstätigen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status wollen überdurchschnittlich viele (41 Prozent) vorzeitig in Rente gehen. Sie begründen diesen Wunsch zumeist mit gesundheitlichen Einschränkungen oder damit, dem beruflichen Stress entkommen zu wollen.

Für bessergestellte Beschäftigte ist der Beweggrund dagegen, mehr Zeit für Reisen, Hobbys und Familie haben zu wollen.

Was ist zu tun?

Die Studie zeigt, dass insbesondere die gefährdeten Gruppen – Geringverdiener*innen, Alleinerziehende, Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern – nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, sich für die Folgen des demografischen Wandels zu wappnen.

Umso wichtiger ist es, dass staatliche Instanzen sich engagieren. So könnte der bereits bestehende Demografie-Check für neue Gesetze um den Punkt ergänzt werden, die Problemlagen vulnerabler Gruppen besonders in den Blick zu nehmen.

Weitere mögliche Maßnahmen reichen von einer Ausweitung bestehender Steuervorteile und Zuschüsse für Altersanlagen bis hin zu einem staatlichen Standardprodukt, in das Beschäftigte automatisch einzahlen, sofern sie nicht per Opt-Out-Regelung widersprechen.

Mehr Investitionen in eine qualitativ wie quantitativ angemessene Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur sind die Voraussetzung dafür, Frauen und Alleinerziehende zu entlasten und ihnen eine auskömmliche Erwerbsarbeit zu ermöglichen.

Des Weiteren sollte eine monatliche Zahlung für Pflegende eingeführt werden, die großzügiger ausgestaltet ist als das aktuelle Pflegegeld, und Konzepte entwickelt werden, um Beruf und Pflege besser zu kombinieren. Denn das wichtigste Mittel gegen Altersarmut sind natürlich angemessene Löhne, durchgängige Erwerbsbiografien und sozialversicherungspflichtige Jobs.


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