
Klimawandel: Was Deutschland denkt
Der zweite Zusammenhaltsbericht des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) zeigt, dass die meisten Menschen in Deutschland den Klimawandel als ernstes Problem ansehen.
Viele wünschen sich mehr Klimaschutz. Gleichzeitig sorgen sich viele um mögliche Folgen für Jobs, Preise und ihren Lebensstandard. Diese Mischung aus Zustimmung und Unsicherheit beeinflusst, wie die Gesellschaft über Klimapolitik spricht – und ob die notwendige Veränderung gelingt.
Fünf Gruppen prägen die Diskussion
Die Forschenden unterscheiden fünf »Klimatypen«. Sie zeigen, wie unterschiedlich Menschen über den Klimawandel und die Transformation denken.
- Entschlossene (18 %) halten den Klimawandel für sehr gefährlich und wollen schnelle, umfassende Maßnahmen. Sie machen sich wenig Sorgen über wirtschaftliche Folgen.
- Besorgte (18 %) sehen den Klimawandel ebenfalls als große Gefahr, befürchten aber starke Nachteile durch Klimapolitik. Sie sind daher besonders wichtig für eine breite Unterstützung.
- Zustimmende (31 %) wünschen sich mehr Klimaschutz, haben aber etwas weniger Angst vor den Folgen. Sie stehen in der Mitte und spiegeln den Durchschnitt der Bevölkerung wider.
- Indifferente (25 %) beschäftigen sich kaum mit dem Thema. Sie haben weder eine klare Meinung noch ein großes Interesse – und sind dadurch anfälliger für Falschinformationen.
- Ablehnende (8 %) bezweifeln die Gefährlichkeit des Klimawandels oder lehnen Klimaschutzmaßnahmen ab. Sie sind politisch aktiv und oft sehr sichtbar.
Große Mehrheit für mehr Klimaschutz – aber viele Sorgen
83 Prozent der Befragten machen sich Sorgen wegen des Klimawandels. 71 Prozent finden, dass die Politik mehr tun müsste. Fast die Hälfte hat jedoch Angst, dass Klimapolitik Arbeitsplätze kosten könnte, und viele fürchten finanzielle Nachteile.
Diese Unsicherheiten machen es leichter, dass Falschinformationen sich verbreiten – besonders über soziale Medien. Laut Bericht nutzen politische Gruppen und sogenannte »Polarisierungsunternehmer*innen« solche Inhalte gezielt, um Zweifel an Klimapolitik zu verstärken.
Unterschiede je nach Lebenssituation
Die Klimatypen hängen eng mit der sozialen Lage zusammen:
- Besorgte und Indifferente haben oft geringere oder mittlere Einkommen.
- Entschlossene gehören häufiger zu einkommensstärkeren und stabileren Gruppen.
- Besorgte und Ablehnende haben oft geringeres Vertrauen in Politik und sind eher offen für Verschwörungserzählungen.
Diese Unterschiede erhöhen das Risiko, dass Konflikte über Klimapolitik mit anderen sozialen Spannungen zusammenfallen – etwa Migration oder Angst vor sozialem Abstieg.
Regionale Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle
Weitere Daten aus dem RISC Regional Panel und dem Qualitativen Panel zeigen:
- Extreme Wetterlagen werden regional unterschiedlich wahrgenommen.
- Menschen in belasteten Lebenslagen fühlen sich häufiger von Naturereignissen bedroht.
- Ökonomisch besser gestellte Gruppen berichten öfter von nachhaltigen Lebensgewohnheiten.
- Diese Unterschiede prägen, ob Menschen Klimapolitik vertrauen – oder sie als Bedrohung empfinden.
Wo der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist
70 Prozent der Befragten befürchten, dass Konflikte durch Klimapolitik stärker werden. Besonders problematisch könnte es werden, wenn Besorgte und Indifferente Argumente der Ablehnenden übernehmen – zum Beispiel durch Falschinformationen. Dann könnte eine Allianz entstehen, die Klimaschutz generell ablehnt.
Wie eine breite Allianz für Klimaschutz möglich wird
Trotz aller Unterschiede gibt es eine Chance für eine Mehrheit, die Klimaschutz unterstützt. Dafür müssten Entschlossene, Zustimmende und Besorgte zusammenkommen. Sie teilen die Ansicht, dass Klimaschutz notwendig ist, unterscheiden sich aber in ihren Sorgen und ihrem Vertrauen in politische Institutionen.
Damit diese gemeinsame Basis entsteht, betonen die Forschenden drei Punkte:
- Soziale Sorgen ernst nehmen – besonders dort, wo Menschen finanziell belastet sind.
- Vertrauen stärken – durch klare Informationen, faire Prozesse und nachvollziehbare Entscheidungen.
- Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe erklären – nicht als Projekt einzelner Gruppen.
Blick nach vorn
Der Bericht verdeutlicht: Die Transformation wird kommen. Die entscheidende Frage lautet, wie sie gestaltet wird. Damit die Gesellschaft zusammenhält, müssen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammen gedacht werden. Viele Menschen sind bereit, diesen Weg zu gehen – wenn sie Vertrauen in politische Entscheidungen haben und die Lasten fair verteilt werden.
Hintergrund
Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) ist ein interdisziplinäres, transferorientiertes und ortsverteiltes Institut. Es besteht seit 2020 und wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Das FGZ verbindet Grundlagenforschung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt mit anwendungsnaher Forschung zu aktuellen Herausforderungen aus einer Vielfalt an disziplinären Perspektiven. Für seine Arbeit hat das FGZ ein eigenes Forschungsdatenzentrum (FDZ) aufgebaut, das Daten erhebt, dokumentiert und weitergibt.
VERWEISE
- Zweiter FGZ-Zusammenhaltsbericht »Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Einstellungen zum Klimawandel in Deutschland« ...
- vgl.: »Was die Gesellschaft zusammenhält und was öffentlich-rechtliche Medien dazu beitragen« ...
- siehe auch: »Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten globaler Krisen: Neue Ansätze des FGZ« ...
- siehe auch: Erster FGZ-Zusammenhaltsbericht »Soziale Beziehungen und gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland« ...
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