LEO PIAAC 2023: Stagnation bei Schriftsprachkompetenzen

LEO 2018

Neue Zahlen zu geringer Literalität im deutschsprachigen Raum

Die LEO 2018-Studie der Universität Hamburg untersucht die Lese- und Schreibfähigkeiten von Erwachsenen in Deutschland im Alter von 18 bis 64 Jahren und zeigt, dass etwa 12,1 Prozent der Bevölkerung  - rund 6,2 Millionen Menschen -  nur geringe Kompetenzen im Lesen und Schreiben besitzen.

Die Studie beleuchtet, wie diese geringe Literalität die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insbesondere in den Bereichen digitale Medien, Gesundheit, Finanzen und Politik einschränkt. Das Projekt liefert zudem einen Vergleich zu den Ergebnissen der Vorstudie von 2011 und bietet über das anschließende Projekt LEO Transfer den Datensatz für weitere wissenschaftliche Auswertungen an.

LEO PIAAC 2023 – Level One

In der aktualisierten Folgestudie LEO PIAAC 2023 untersucht ein internationales Forscher*innen-Team um Anke Grotlüschen die Befunde für die 2026 endende Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung im deutschsprachigen Raum.

Dabei zeigt sich: Rund 20 Prozent der Erwachsenen im deutschsprachigen Raum besitzen laut LEO PIAAC 2023 nur geringe Schriftsprachkompetenzen. Die Werte stagnieren seit Jahren, trotz Bildungsexpansion und zahlreicher Integrationsmaßnahmen. Besonders auffällig sind die Entwicklungen in Österreich und die wachsende Bedeutung von Zuwanderung für das Phänomen geringe Literalität.

Geringe Literalität bleibt konstant

LEO PIAAC 2023 weist für Deutschland einen Anteil von 20 Prozent gering literalisierten Erwachsenen aus, was knapp 10,6 Millionen Menschen entspricht. In Österreich ist der Anteil von 16 auf 27 Prozent gestiegen, die Schweiz liegt bei 20 Prozent – ähnlich wie Deutschland.

Damit ist die Zunahme in Österreich besonders gravierend. Gegenüber Frankreich und den USA zeigt sich, dass in vielen Ländern der Anteil ebenfalls stark angestiegen ist.

Ursachen und Trends

Studien wie LEO und PIAAC machen deutlich: Geringe Literalität ist eng mit Alter, Zuwanderung und Bildungsstand verbunden. Drei Trends stechen hervor:

  • Der Anteil älterer Menschen mit geringer Schriftsprachkompetenz steigt signifikant an; in Deutschland sind 33 Prozent der gering Literalisierten über 55 Jahre alt.
  • Männer sind inzwischen überdurchschnittlich auf Level One vertreten (54 Prozent).
  • Zuwanderung spielt eine immer größere Rolle: In Deutschland stieg der Anteil Zugewanderter mit geringer Literalität von 28 auf 46 Prozent. In der Schweiz liegt er sogar bei 58 Prozent.

Bildung und berufliche Teilhabe

Obwohl Bildungsexpansion die jüngeren Generationen erreicht, bleibt der Anteil gering Literalisierten mit niedriger Schulbildung hoch. In Deutschland stagniert dieser Wert bei 35 Prozent, während in Österreich ein Rückgang zu beobachten ist.

Zudem haben immer mehr gering Literalisierte formale Bildungsabschlüsse, diese sind aber häufig im Ausland erworben oder durch nachträgliche Bildungswege entstanden.

Beruflich sind geringe Schriftsprachkompetenzen weiterhin ein Hindernis: 18 Prozent der Betroffenen in Deutschland arbeiten in einfachen Tätigkeiten, fast 40 Prozent in Blue-Collar-Jobs. Die Arbeitsmarktbeteiligung stagniert bei etwa 60 Prozent und Weiterbildung bleibt für die Gruppe mit nur 25 Prozent Teilnahmequote eine Seltenheit.

Gesundheit, Vertrauen und politische Teilhabe

Das subjektive Gesundheitsempfinden ist bei gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland deutlich gesunken (nur noch 58 Prozent bewerten ihre Gesundheit als gut). In der Schweiz und Österreich bleiben diese Werte stabil. Gleichzeitig ist das soziale Vertrauen niedriger als bei Menschen mit hoher Literalität.

Auch die politische Selbstwirksamkeit – also das Gefühl, Einfluss auf das politische Geschehen zu haben – liegt bei gering Literalisierten nur bei 17 Prozent, während höher Literalisierte mit 33 Prozent deutlich optimistischer sind.

Forschungsbedarf und Empfehlungen

Das Thema geringe Literalität bleibt in vielen Bereichen untererforscht. Besonders neue Fragen zu Weiterbildungszeiten, mathematischen Grundkompetenzen und zur Rolle von Persönlichkeit und Digitalisierung bei Erwachsenen mit geringen Grundkompetenzen eröffnen neue Forschungsfelder.

Die Studie empfiehlt für die »Dekade der Alphabetisierung und Grundbildung«, breitere, höhere und integrative Ansätze, um mehr Teilhabe zu ermöglichen.


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