Helfen Software-Tools gegen Ablenkung beim digitalen Lernen?

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DIPF 11

Wer digital lernt, ist schnell abgelenkt, denn die verwendeten Geräte bieten viele Möglichkeiten, sich die Zeit anderweitig zu vertreiben.

Inzwischen existiert eine große Anzahl von Software-Anwendungen, die helfen sollen, bei der Sache zu bleiben. Aber wie werden diese Tools zur Selbstkontrolle genutzt und als wie nützlich werden sie empfunden?

Das hat eine neue Studie des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation mit 273 Studierenden untersucht. Ergebnis: Die Tools bieten keine Universallösung. Die Nutzer*innen brauchen individuelle Einstellungen und müssen gut über die Möglichkeiten der Programme informiert sein.

Schaue ich mir weiter das Video-Tutorial an oder doch lieber einen Musik-Clip? Verfolge ich die Online-Vorlesung zu Ende oder spiele ich noch eine Runde mein Lieblingsgame? Wer digital lernt, dürfte solche Versuchungen kennen.

Das bestätigt auch die neue Studie. »Unter den Befragten war niemand, der sich noch nie vom digitalen Lernen abgelenkt hat. Rund 64 Prozent gaben sogar an, dass es ihnen oft oder sehr oft passiert«, erläutert Forscher Daniel Biedermann vom DIPF, Erstautor der frei verfügbaren Fachveröffentlichung zu der Studie.

Tools zur Selbstkontrolle könnten helfen, beim Lernstoff zu bleiben. Sie sind weit verbreitet und inzwischen auf den meisten Geräten vorinstalliert. Sie können zum Beispiel Websites blockieren oder den Nutzer*innen anzeigen, wie viel Zeit sie mit Anwendungen verbracht haben, die nicht dem Lernen dienen.

Doch wie bekannt sind diese Tools und ihre Funktionen, und wie werden sie genutzt? Je nach Feature und Nutzer*innengruppe waren die Ergebnisse unterschiedlich.

Was aber auffiel: 175 Teilnehmende hatten zwar angegeben, dass ihnen digitale Ablenkungen arge Probleme bereiten, dennoch nutzten etwa 49 Prozent davon die Programme zur Selbstkontrolle zum Zeitpunkt der Befragung überhaupt nicht. Rund 7 Prozent dieser 175 Befragten kannten die Tools noch nicht einmal.

Gemischte Ergebnisse fanden sich auch auf die Frage nach der Nützlichkeit der Programme: Von deren Funktionen wurde zwar keine als gar nicht nützlich eingeordnet, als am wenigsten nützlich bewerteten die Befragten aber die reine Visualisierung ihrer Nutzungszeit. Am hilfreichsten empfanden sie die Möglichkeit, ablenkende Website-Features auszuschalten oder zumindest anzupassen.

Daniel Biedermann ergänzt: »Ob Tools als nützlich bewertet werden, hängt auch damit zusammen, wie häufig sich Nutzer*innen ablenken. Personen mit einem gewohnheitsmäßig höheren Ablenkungsverhalten benötigen restriktivere Einschränkungen.«

Hintergründe und Implikationen

Die Studie ergab einige Hinweise, warum die Befragten die Tools noch nicht so häufig verwenden beziehungsweise sie nicht als durchgehend nützlich empfinden. Ein zentraler Aspekt: Plattformen wie YouTube können für Freizeitzwecke, aber auch zum Lernen eingesetzt werden. Ein pauschales Blocken dieser Plattformen wäre insofern nicht zielführend.

Auch bewerteten die Studienteilnehmenden die Handhabung der Programme zur Selbstkontrolle teilweise als zu umständlich – zum Beispiel müssen sie oft gezielt ein- und ausgeschaltet werden. Hinzu kommt, dass die Nutzer*innen nicht immer motiviert sind, die Tools einzusetzen, oder nur in stressigen Prüfungsphasen auf sie zurückgreifen. Hinderliches Verhalten lässt sich so nur schwer grundsätzlich ändern.

Folgerungen

Auf Basis dieser Befunde sind verschiedene Implikationen denkbar. Hilfreich könnte es sein, die Funktionalität der Tools zur Selbstkontrolle zu verbessern, beispielsweise durch eine automatisierte Aktivierung. Auf Plattformen wie YouTube könnte es Sinn machen, Lern- und Freizeitinhalte jeweils zu kennzeichnen, damit die Plattform nicht gänzlich blockiert werden muss.

Verbesserte Informationen und Schulungen zum Gebrauch der Tools scheinen vielversprechend, genauso wie weitere Forschung zu der Frage, wie Personen dazu motiviert werden können, die Tools einzusetzen. Biedermann hält fest: »Insgesamt zeigt sich, dass der Einsatz der Programme individuell auf die einzelnen Nutzer*innen und deren Situation abgestimmt werden sollte. Als erster Schritt wäre es sinnvoll, auf die bereits bestehende große Vielfalt der Angebote und deren Einstellungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen.«

Zur Studie
An der Studie war ein Team aus mehreren Arbeitsbereichen des DIPF beteiligt. Die Forschenden befassen sich unter anderem mit digitaler Bildung und individueller Lernförderung. Für die online durchgeführte Fragebogenstudie nutzte das Untersuchungsteam die Angaben von insgesamt 273 Student*innen – größtenteils aus Deutschland, aber auch aus einigen anderen Ländern. Die Befragten hatten Angaben zu ihrem Ablenkungsverhalten, zu ihrem Medienkonsum und zu der Nützlichkeit der Selbstkontrolltools gemacht. Die Fragebögen beinhalteten quantitative Erhebungsinstrumente wie Einordnungen auf Skalen, aber auch Freitextantworten. Für die statistischen Angaben berechneten die Wissenschaftler*innen Mittelwerte und Korrelationen.

Die Forscher*innen weisen darauf hin, dass die Aussagekraft der Studie eingeschränkt ist. Zum Beispiel sprachen die Teilnehmenden überwiegend Deutsch oder Englisch, wodurch sich kulturell bedingt unterschiedliches Nutzungsverhalten nicht genau untersuchen lässt. Zudem könnten Variablen wie Nützlichkeit in längeren Entwicklungszusammenhängen und in genaueren Abstufungen erhoben werden. Dazu bräuchte es aber weitere, langfristig angelegte Forschung.

Über das DIPF
Das DIPF ist das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation mit Standorten in Frankfurt am Main und in Berlin. Es will dazu beitragen, Herausforderungen in der Bildung und für das Erforschen von Bildung zu bewältigen. Dafür unterstützt das Institut Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen, Wissenschaft, Verwaltung und Politik mit Forschung, digitaler Infrastruktur und Wissenstransfer. Übergreifendes Ziel seiner Aktivitäten ist eine qualitätsvolle, verantwortliche, international anschlussfähige und Gerechtigkeit fördernde Bildung, die zudem bestmöglich erforscht werden kann. http://www.dipf.de

Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Daniel Biedermann, DIPF, +49 (0)69 24708-173, d.biedermann@dipf.de


  VERWEISE  


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