Auch in Österreich: Bildung und soziale Herkunft als Determinanten der Lesekompetenz

Soziale Herkunft prägt Lesekompetenz fast so stark wie eigene Bildung
Der Bildungshintergrund der Eltern beeinflusst die Lesekompetenz von Erwachsenen in Österreich nahezu ebenso stark wie der selbst erworbene Bildungsabschluss. Das zeigt eine Analyse von Statistik Austria, veröffentlicht im aktuellen »PIAAC-Expert*innenbericht« zur Erhebung 2022/23.
Die Ergebnisse machen deutlich: Soziale Herkunft bleibt ein zentraler Faktor für den Kompetenzerwerb im Erwachsenenalter.
Formale Bildung als Schlüsselfaktor
Der im Dezember 2025 erschienene Sammelband unterstreicht die hohe Bedeutung formaler Bildung für grundlegende Kompetenzen. Der eigene Bildungsabschluss hat den größten Einfluss auf die Lesefähigkeit. Unmittelbar dahinter folgt der Bildungsstand der Eltern. Damit bestätigt der Bericht, dass Bildungschancen und Kompetenzniveaus über den Lebensverlauf hinweg stark sozial geprägt sind.
Wachsende Unterschiede im Kompetenzniveau
Vertiefende Analysen aus zwölf Fachbeiträgen zeigen eine zunehmende Ungleichverteilung der Lesekompetenz. Der Einfluss der sozialen Herkunft ist heute stärker ausgeprägt als in früheren PIAAC-Erhebungen. Frühkindliche Bildung, etwa durch den Besuch eines Kindergartens, sowie Bildungsentscheidungen in der Sekundarstufe wirken sich zwar positiv aus, gleichen soziale Unterschiede jedoch nicht vollständig aus.
Besonders deutlich wird diese Entwicklung bei Erwachsenen mit niedrigen Lesekompetenzen. Ihr Anteil ist zwischen den Erhebungszeiträumen 2011/12 und 2022/23 deutlich gestiegen – von 17 auf 29 Prozent. Niedrige Lesefähigkeit betrifft damit längst keine kleine Randgruppe mehr.
Arbeitsplatzqualität und Weiterbildung
Der Bericht beleuchtet zudem den Zusammenhang zwischen Arbeit und Kompetenzentwicklung. Die Qualität des Arbeitsplatzes steht in engem Zusammenhang mit dem Erhalt von Grundkompetenzen. Personen in akademischen Berufen erreichen in Österreich überdurchschnittliche Ergebnisse im OECD-Vergleich. Hilfsarbeitskräfte schneiden hingegen deutlich schlechter ab.
Komplexe Tätigkeiten wirken laut Analyse als Treiber für kontinuierliches Lernen. Gleichzeitig zeigt sich ein Rückgang der Weiterbildungsteilnahme in den vergangenen Jahren. Davon sind insbesondere Erwachsene mit ohnehin geringeren Kompetenzen betroffen. Für sie verfestigen sich strukturelle Barrieren, die gesellschaftliche Teilhabe erschweren.
Bildungspolitische Konsequenzen
Die Befunde verdeutlichen den Handlungsbedarf. Bildungschancen müssen stärker vom Elternhaus entkoppelt werden, um soziale Ungleichheiten nicht weiter zu reproduzieren. Angesichts des wachsenden Anteils von Erwachsenen mit niedriger Lesekompetenz rücken gezielte Leseförderung und tragfähige Angebote der Erwachsenenbildung in den Fokus.
Aus struktureller Perspektive zeigt der Bericht: Sowohl das Bildungssystem als auch die Arbeitswelt entscheiden darüber, ob Grundkompetenzen über die gesamte Erwerbsbiografie hinweg aufgebaut und erhalten werden können.
Weiterführende Hinweise
Den PIAAC-Expert*innenbericht, der am 5. Dezember 2025 im Rahmen einer Forschungskonferenz präsentiert wurde, sowie die beiden Bände des nationalen Ergebnisberichts zur PIAAC-Erhebung 2022/23 finden Sie auf der Website von Statistik Austria.
VERWEISE
- vgl.: »Bildung hat den größten Einfluss auf die Lesekompetenz« ...
- Weiterführende Informationen ...
- vgl.: »PIAAC 2023: Ergebnisse für Deutschland und im internationalen Vergleich« ...
- PIAAC 2023: Zusammenfassung Österreich ...
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