Herausforderungen und Lösungen: Migration & Ausbildung

IAB FORUM

Zusammenfassung eines Beitrags von Bernd Fitzenberger und Yuliya Kosyakova im IAB-Forum

Ungenutzte Potenziale: Migration und Ausbildung

In Deutschland bleiben die Fachkräftepotenziale von Menschen mit Migrationshintergrund deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück. Bildungsungleichheiten zeigen sich bereits früh: Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener eine Kita, sind auf Hauptschulen überrepräsentiert und an Gymnasien unterrepräsentiert.

Die Folgen für berufliche Chancen sind gravierend – bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund liegt der Anteil ohne abgeschlossene Aus- oder Weiterbildung weit über dem Durchschnitt.

Bildungsdivergenz wächst kontinuierlich

Daten aus dem Jahr 2023 verdeutlichen die Kluft: Während 61,5 Prozent der 20- bis 29-Jährigen ohne Migrationshintergrund die Hochschul- oder Fachhochschulreife erreichten, gelang dies in Deutschland geborenen Menschen mit Migrationshintergrund lediglich zu 57 Prozent; bei Zugewanderten war der Anteil mit 36,8 Prozent noch niedriger, wobei 12,3 Prozent keinen Abschluss vorweisen konnten.

Die PISA-Ergebnisse spiegeln die Benachteiligung wider – die Leistungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegen deutlich unter dem Niveau ihrer Alterskohorte ohne Migrationsgeschichte.

Berufsausbildung bleibt häufig unerreicht

Die Diskrepanz setzt sich im Bereich der beruflichen Bildung fort. Zwischen 2015 und 2022 stieg die Zahl der 20- bis 34-Jährigen ohne formalen Ausbildungsabschluss von 1,9 auf 2,86 Millionen – Migration, insbesondere Flucht, beeinflusste diese Entwicklung wesentlich. 2022 hatten 19,1 Prozent der jungen Erwachsenen keinen Abschluss, bei Zugewanderten lag die Quote sogar bei 39,1 Prozent. Nicht formal Qualifizierte sind übermäßig von Arbeitslosigkeit betroffen und gehören meist zu den Langzeitarbeitslosen; auch Einkommensnachteile sind deutlich ausgeprägt.

Struktur und Gründe der Bildungsungleichheit

Die Qualifikationsstruktur zeigt starke Polarisierung: Während der Hochschulabschluss-Anteil bei Zugewanderten überdurchschnittlich hoch ist, bleibt der Anteil beruflicher Abschlüsse deutlich hinter dem Durchschnitt zurück. Sechs zentrale Hemmnisse machen den Zugang zu einer Berufsausbildung schwer:

  • Das duale System ist für Außenstehende komplex und schwer durchschaubar. Eltern mit Migrationshintergrund können ihre Kinder seltener umfassend beraten.
  • Trotz teilweise höherer Bildungsaspirationen wird eine Berufsausbildung im Herkunftskontext oft gering geschätzt und nicht als Karriereweg anerkannt.
  • Geringere soziale Netzwerke und niedrigere sozioökonomische Position schränken Unterstützungsmöglichkeiten ein.
  • Die Berufsausbildung bedeutet eine langfristige Investition – gerade bei unklaren Bleibeperspektiven wählen viele kurzfristig besser bezahlte Helfertätigkeiten.
  • Sprachbarrieren und Herausforderungen mit Ausbildungsinhalten erschweren das Durchlaufen des Systems; Berufsschulen sind nicht durchweg auf die Diversität vorbereitet.
  • Die Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen bleibt problematisch und verhindert den Einstieg ins System.

Lösungsansätze: Potenziale besser ausschöpfen

Um die vorhandenen Fachkräftepotenziale zu aktivieren, sollten gezielt Vorteile der Berufsausbildung kommuniziert und Zugangsbarrieren abgebaut werden. Individuelle Förderangebote und ein stärkeres Bewusstsein für langfristige Perspektiven sind erforderlich, um die Integration in den Arbeitsmarkt dauerhaft zu sichern. 


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