Weiterbildung in Schweizer KMU: Relevanz hoch, Umsetzung bleibt Herausforderung
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Das Paradox der Weiterbildung: Hohe Wertschätzung, geringe Teilnahme
Die Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz misst der Weiterbildung eine zentrale Bedeutung für den Unternehmenserfolg bei. Dies geht aus einer aktuellen SVEB-Studie »Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung« hervor.
Danach sind rund 90 Prozent der KMU mit bis zu 50 Mitarbeitenden überzeugt, dass Weiterbildung entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und die Deckung des betrieblichen Kompetenzbedarfs ist. Diese Einschätzung spiegelt sich auch darin wider, dass Weiterbildung in drei Vierteln der Unternehmen strategisch eingeplant und bei zwei Dritteln fest im Budget verankert ist.
Trotz dieser positiven Grundhaltung nehmen Mitarbeitende in über der Hälfte der KMU nur selten an Weiterbildungen teil. Besonders geringqualifizierte Beschäftigte sind selten vertreten. Die Weiterbildungsaktivität bleibt insgesamt deutlich hinter den Ambitionen zurück, was im europäischen Vergleich als unterdurchschnittlich gilt.
Ursachen für die Diskrepanz: Ressourcen, Angebote und Zielgruppen
Die Gründe für die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit sind vielfältig:
- Fehlende Ressourcen
Ein Drittel der KMU gibt an, dass Zeitmangel und finanzielle Engpässe die Umsetzung von Weiterbildungen erschweren. Gerade in Kleinstbetrieben sind personelle Ausfälle durch Weiterbildung schwer zu kompensieren. - Mangel an passenden Angeboten
Viele Unternehmen finden keine geeigneten Weiterbildungen, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Besonders für kleine Betriebe fehlt es oft an flexiblen, praxisnahen Formaten. - Schwierige Bedarfsprognose
Fast die Hälfte der KMU tut sich schwer, den zukünftigen Kompetenzbedarf ihrer Belegschaft einzuschätzen. Dadurch werden Weiterbildungen häufig erst dann geplant, wenn ein akuter Bedarf besteht, was die strategische Entwicklung hemmt. - Fokus auf Hochqualifizierte
Weiterbildung richtet sich in vielen Betrieben primär an hochqualifizierte Mitarbeitende. Geringqualifizierte werden seltener gefördert, oft weil sie als weniger motiviert wahrgenommen werden oder weil ihre Tätigkeiten als weniger entwicklungsbedürftig gelten.
Branchenspezifische Unterschiede und Bedeutung der Unternehmenskultur
Die Bereitschaft und Umsetzung von Weiterbildung variiert stark nach Branche. Insbesondere im »Gesundheits- und Sozialwesen« ist die Weiterbildungsaktivität hoch, während sie in »Gastronomie und Handel« deutlich niedriger ausfällt. Auch die Qualifikationsstruktur der Belegschaft spielt eine Rolle: Hochqualifiziert geprägte Unternehmen investieren häufiger und systematischer in Weiterbildung als geringqualifizierte Betriebe.
Ein weiterer zentraler Faktor ist die Lernkultur im Unternehmen. Betriebe, die eine offene, lernorientierte Atmosphäre fördern, schaffen es eher, Mitarbeitende für Weiterbildung zu motivieren und Lernprozesse in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Strategische und operative Ansätze für erfolgreiche Weiterbildung
Um Weiterbildung in kleinen Betrieben nachhaltig zu verankern, sind auf zwei Ebenen gezielte Maßnahmen erforderlich:
STRATEGISCHE EBENE
- Verankerung in der Unternehmensstrategie: Weiterbildung muss als fester Bestandteil der Geschäftsstrategie und Personalentwicklung verstanden und regelmäßig evaluiert werden.
- Proaktive Bedarfsanalyse: Die systematische Erfassung des aktuellen und zukünftigen Kompetenzbedarfs ist entscheidend, um passende Weiterbildungsmaßnahmen rechtzeitig zu planen.
- Budgetierung: Eine vorausschauende finanzielle Planung ermöglicht es, auch bei knappen Ressourcen gezielt in Weiterbildung zu investieren.
OPERATIVE EBENE
- Flexible und praxisnahe Formate: Interne Schulungen, informelle Lernformen und »training on the job« sind für KMU besonders attraktiv, da sie kostengünstig, bedarfsorientiert und leicht in den Arbeitsalltag integrierbar sind.
- Motivation und Einbindung aller Mitarbeitenden: Weiterbildung sollte nicht nur den Hochqualifizierten vorbehalten sein. Individuelle Förderung und Anerkennung von Lernleistungen erhöhen die Motivation, auch bei geringqualifizierten Mitarbeitenden.
- Kooperationen und Netzwerke: Die Zusammenarbeit mit Brancheninitiativen, externen Bildungsträgern oder Beratungsangeboten wie »viamia« kann helfen, passende Angebote zu finden und Ressourcen zu bündeln.
- Nutzung von Fördermöglichkeiten: Beitragszahlungen an Weiterbildungsfonds oder branchenspezifische Förderprogramme können finanzielle Hürden abbauen.
Resümee
Die Schweizer KMU erkennen Weiterbildung als Schlüsselfaktor für ihren Unternehmenserfolg. Die Umsetzung bleibt jedoch eine Herausforderung, solange Ressourcen knapp sind, der Fokus zu einseitig auf Hochqualifizierte gelegt wird und flexible Angebote fehlen.
Nachhaltige Lösungen erfordern eine strategische Verankerung, eine lernfördernde Unternehmenskultur und passgenaue, niedrigschwellige Formate. Nur so kann das Potenzial der Weiterbildung auch in kleinen Betrieben voll ausgeschöpft werden.
Hintergrund
Mit der Studie »Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung« liegen erstmals seit 2005 repräsentative empirische Ergebnisse zur Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung in Schweizer Mikro- und Kleinunternehmen vor. Die Studie basiert auf einer quantitativen Befragung von 386 KMU mit 2 bis 50 Mitarbeitenden sowie 10 qualitativen Interviews mit KMU-Verantwortlichen.
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