Behördengänge finden nur selten digital statt

destatis

Nur vier von zehn Bürgern in Deutschland nutzen Angebote der digitalen Verwaltung – deutlich weniger als etwa in Indien  *  Nicht einmal die Hälfte aller Bürger sind mit den Digitalangeboten der Behörden zufrieden *  Weltweite Analyse zeigt Vorbehalte vor allem hinsichtlich künstlicher Intelligenz und Datenschutz 

Egal, ob es darum geht, den Personalausweis abzuholen, einen Wohnortwechsel zu melden, Elterngeld zu beantragen oder die Steuererklärung abzugeben – jeden Tag gibt es zahlreiche Interaktionen zwischen Bürgern und Staat. In Deutschland erfolgen jedoch nur wenige davon digital. Erst vier von zehn Bürgern nutzen hierzulande digitale Dienstleistungen von öffentlichen Einrichtungen – weitaus weniger als in anderen Ländern. Das zeigt die Untersuchung Digital Government Survey, für die die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) weltweit 14.000 Bürger befragt hat. In Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten machen bereits sieben von zehn Bürgern von öffentlichen Onlineservices Gebrauch; in China oder Argentinien sind es immerhin fünf von zehn Bürgern.

»Die geringe Zahl der Nutzer in Deutschland deutet darauf hin, dass die Angebote nicht dem entsprechen, was die Bürger wollen«, sagt Dr. Benjamin Grosch, BCG-Senior Partner und Leiter der Beratung im öffentlichen Sektor von BCG in Deutschland. Die Untersuchung führt BCG alle zwei Jahre durch; im Mittelpunkt steht dabei die Zufriedenheit der Bürger mit digitalen Behördenleistungen.

Weniger als die Hälfte der befragten Deutschen (46 Prozent) sind insgesamt mit den Digitalangeboten der Behörden zufrieden. Die Tendenz ist fallend, denn der Wert liegt 10 Prozentpunkte unter dem vor zwei Jahren. Länder wie Großbritannien (63 Prozent), Estland (62 Prozent), die Niederlande (62 Prozent), Indien (60 Prozent) und Australien (59 Prozent) schneiden bei der Zufriedenheit mit digitalen Behörden­services deutlich positiver ab. Zwar geben acht von zehn Befragten an, dass das Angebot innerhalb der vergangenen zwei Jahre besser geworden sei, aber nur 17 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass es sich dabei um eine deutliche Verbesserung handle. Deutschland liegt damit auf dem viertletzten Platz von 30 untersuchten Ländern.

»Im internationalen Wettbewerb haben Länder einen Vorteil, wenn sie die Digitalisierung in allen Bereichen zügig vorantreiben. Dazu gehört auch jegliche Art von digitalen Behördenservices«, erklärt Benjamin Grosch. Die Befragung zeigt, dass nahezu jeder Deutsche (91 Prozent) täglich das Internet für persönliche Belange nutzt. Jeder Dritte verwendet dafür mehr als sechs verschiedene Geräte. »Die Bürger sind offen für digitale Behördenservices. Es liegt nun an den Behörden, diese Services zur Verfügung zu stellen und sich weiterzuentwickeln. Damit verringert sich auch der Verwaltungsaufwand. Deutschland sollte sich ein Beispiel nehmen an kleineren Ländern wie Dänemark oder Estland. Dort müssen Bürger und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den Behörden nach dem Once-only-Prinzip nur einmal mitteilen«, empfiehlt Grosch.

Allerdings sind beim Ausbau der digitalen Verwaltung sowohl Vorlieben als auch Ängste zu beachten: So wird etwa künstliche Intelligenz (KI) von den Bürgern Deutschlands noch nicht besonders akzeptiert, wenn es um den Einsatz im öffentlichen Sektor geht.

Insbesondere die junge Generation der 18- bis 34-Jährigen ist noch skeptisch – drei Viertel aller Befragten in dieser Altersgruppe in Deutschland lehnen es eher ab, KI für Behördendienste einzusetzen. Über alle Altersgruppen hinweg ist nur etwa ein Drittel der Befragten mit der Nutzung von KI durch staatliche Stellen einverstanden. Als Gründe nennen die Bürger vor allem ungeklärte moralische und ethische Fragen sowie fehlende Transparenz bei der Entscheidungs­findung mit Hilfe von KI. »Im Einsatz von künstlicher Intelligenz liegt großes Potenzial. Das sollte Deutschland ausschöpfen, um nicht hinter Länder wie China und die USA zurückzufallen. Eine umfassende Informationsinitiative über die Möglich­keiten und Anwendungsgebiete von KI ist notwendig«, sagt Grosch. Grundsätzlich offen ist die Mehrheit der Deutschen immerhin für den nicht personenbezogenen Einsatz von KI wie etwa zur Regulierung des Verkehrs­flusses oder zur Vorhersage von Ausfällen bei Maschinen.

Auch das Thema Datenschutz wird von deutschen Nutzern kritisch betrachtet. So sind aktuell nur knapp ein Drittel der Befragten zufrieden mit dem Umgang mit persönlichen Daten. »Datenschutz ist für deutsche Verbraucher ein sensibles Thema. Um die Akzeptanz digitaler Behördenservices zu steigern und die Vorteile deutlicher hervorzuheben, sollten Bürger bei der Entwicklung dieser Angebote stärker einbezogen werden«, rät Grosch.

 

  LINKS  

 

Studie zu ChatGPT: Viele Nutzende finden Fehler
Dank ChatGPT ist Künstliche Intelligenz in aller Munde, doch was denken die Menschen in Deutschland wirklich über den innovativen Chat-Bot? Eins ist klar: Die meisten Nutzerinnen und Nutzer sind mit der Qualität der Ergebnisse zufrieden und...
Deutscher Ethikrat: Künstliche Intelligenz darf menschliche Entfaltung nicht vermindern
Mensch und Maschine - Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz Am 20. März 2023 veröffentlicht der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme »Mensch und Maschine - Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz«, in der er die Auswirkungen...
Gutachten: Ein Verbot von KI-Schreibtools in Hochschulen ergibt keinen Sinn
Ein Rechtsgutachten zeigt Hochschulen die wichtigsten Rahmenbedingungen für den Umgang mit ChatGPT und Co. auf. Eine umfangreiche juristische Bewertung der grundlegenden rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Künstliche-Intelligenz...

.
Wir benutzen Cookies
Der BildungsSpiegel setzt auf seiner Website sog. Cookies ein. Einige von ihnen sind für den reibungslosen Betrieb essentiell, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern. Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Website zur Verfügung stehen.