Deutsche wünschen sich Sicherheitsnetz für Globalisierung und Freihandel

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Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stehen Risiken und negative Folgen der Globalisierung stärker im öffentlichen Fokus. Das Bekenntnis zum Freihandel ist vielerorts einem Reflex der Abschottung gewichen. Verfängt diese neue Rhetorik des Protektionismus auch bei den Bürgern? Eine internationale Umfrage der Bertelsmann Stiftung hat untersucht, was die Menschen über Globalisierung, Handel und Protektionismus denken  

Handel ist gut, Schutz ist besser: Obwohl die Bürger Globalisierung und internationalen Handel grundsätzlich positiv sehen, wünschen sich die Menschen in vielen Industrie- und Schwellenländern – auch in Deutschland – ein besseres Sicherheitsnetz, das negative Folgeerscheinungen abfedert. 70 Prozent der Deutschen bewerten den wachsenden Welthandel grundsätzlich positiv. Jedoch fühlt sich eine knappe Mehrheit (52 Prozent) nicht ausreichend gegen negative Effekte der Globalisierung geschützt. 57 Prozent der Deutschen fordern sogar mehr Schutz gegenüber ausländischen Wettbewerbern.

Das zeigt eine internationale Umfrage der Bertelsmann Stiftung, für die das Umfrageinstitut YouGov repräsentativ in zwölf Industrie- und Schwellenländer mehr als 14.000 Menschen befragt hat. In Deutschland haben über 2.000 Personen an der Umfrage teilgenommen.

Insgesamt sehen die Menschen in der weltweiten Vernetzung Vorteile für Wirtschaftswachstum und Lebensstandards. Gleichzeitig sind sie besorgt, dass Gehälter und sozialer Zusammenhalt unter Druck geraten könnten. "Die Menschen wünschen sich eine Globalisierung mit Sicherheitsgurt. Auf das Schutzbedürfnis der Bürger sollten Politik und Wirtschaft aber nicht mit protektionistischen Irrwegen reagieren. Globalisierung ist kein Schicksal, sondern ein Prozess, den wir gestalten können und müssen", kommentiert Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse der Umfrage.
Deutsche fordern mehr Absicherung von ihrer Regierung

Der Wunsch nach mehr Absicherung ist in allen untersuchten Industrie- und Schwellenländern zu beobachten – auch in Deutschland: Eine knappe Mehrheit (52 Prozent) ist besorgt, dass die Bundesregierung ihre Bürger nicht genug vor den negativen Folgen der Globalisierung schützt. Lediglich ein Viertel fühlt sich hingegen ausreichend abgesichert. Besonders ausgeprägt ist das Schutzbedürfnis beim Exportweltmeister Deutschland, wenn es um internationale Konkurrenz geht: 57 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Schutz für ihre Wirtschaft vor ausländischen Wettbewerbern. In anderen Industriestaaten ist dieses Bedürfnis sogar noch stärker ausgeprägt (Frankreich: 75 Prozent; USA: 61 Prozent; Großbritannien: 59 Prozent). Auffallend ist: Die Bundesbürger begrüßen einerseits ausländische Investitionen in ihrem Land (53 Prozent), sehen Firmenübernahmen durch fremde Unternehmen aber sehr kritisch (63 Prozent).

Dieses Schutzbedürfnis der Deutschen spiegelt ihre Ängste vor den Nebenwirkungen der internationalen Verflechtung wider. An erster Stelle steht hierzulande die Sorge um Gehälter: 57 Prozent glauben nicht, dass die Globalisierung die Einkommen steigen lässt. Dafür fürchten 55 Prozent eine steigende soziale Ungleichheit aufgrund der Globalisierung. Fast ausgewogen ist hingegen die Bewertung des internationalen Handels im Zusammenhang mit der Arbeitsplatzsicherheit: 42 Prozent der Deutschen fürchten, dass der internationale Handel negative Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsicherheit hat. 37 Prozent dagegen sehen einen positiven Einfluss des globalen Warenverkehrs darauf. »Weltweit profitiert kaum ein Land so stark von Freihandel und Globalisierung wie Deutschland. Dennoch sehen viele Bürger Herausforderungen wegen des durch Globalisierung verursachten Strukturwandels«, so Christian Bluth, Wirtschaftsexperte und Leiter der Umfrage bei der Bertelsmann Stiftung. Laut Bluth sei es wichtig, internationale Offenheit durch einen effizienten und modernen Sozialstaat zu begleiten. Nur so könnte der gesellschaftliche Konsens für Handelsoffenheit gestärkt und eine protektionistische Handelspolitik vermieden werden.

Trotz Ängsten: Grundsätzlich positive Bewertung von Freihandel und Globalisierung

Trotz Ängsten und Sorgen stehen die Deutschen dem internationalen Handel und der Globalisierung grundsätzlich wohlwollend gegenüber. Gerade in den Bereichen Konsum und Wirtschaftswachstum sehen sie mehr Chancen als Risiken durch eine zusammenwachsende Weltwirtschaft. 70 Prozent der Bundesbürger, und damit deutlich mehr als vor zwei Jahren, sehen den wachsenden internationalen Handel positiv (2014: 88 Prozent, 2016: 56 Prozent). Auch geben mehr als zwei Drittel der Deutschen an, dass Freihandel sowohl für ihr Land (71 Prozent) als auch für die deutschen Unternehmen (70 Prozent) gut oder sehr gut ist. Eine Mehrheit sieht auch positive Auswirkungen auf den Lebensstandard hierzulande (58 Prozent). Gleichzeitig sehen die Bundesbürger die Globalisierung als Ursache von Wachstumschancen für ihr Land (61 Prozent) und ordnen sie grundsätzlich positiv für Konsumenten (59 Prozent) ein, weil sie unter anderem preiswertere Produkte ermögliche (52 Prozent). Immerhin 46 Prozent geben sogar an, die Globalisierung sei ein Garant für mehr Arbeitsplätze. Eher negative Auswirkungen sehen die Deutschen hingegen für die Qualitätsstandards: 49 Prozent fürchten, die Globalisierung verschlechtere die Produktqualität.

International sind die Deutschen, trotz teilweise anderslautender politischer Aussagen, ein beliebter Handelspartner. Nach Japan (74 Prozent Zustimmung) ist Deutschland laut Umfrage der zweitbeliebteste Handelspartner (72 Prozent). An letzter Stelle rangiert laut Umfrage die Türkei.
Zusatzinformationen

Hintergrund
Die Umfrage wurde im Februar 2018 von YouGov im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in China, Deutschland, Frankreich, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Mexiko, der Türkei, Russland, den USA und Großbritannien durchgeführt. Hierzu wurden insgesamt 14.381 Menschen online befragt. In Deutschland wurden 2.037 Personen befragt. Die Umfrageergebnisse sind repräsentativ für die einzelnen Länder. Die geschlossenen Fragen waren in allen Ländern identisch. Hinzu kamen teilweise länderspezifische Fragen. Die Befragung wurde in der jeweiligen Landessprache durchgeführt.

  

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