CHE: »Zahl der Studienberechtigten deutlich höher als die offizielle Statistik«

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Das Studium an einer deutschen Hochschule steht deutlich mehr Menschen offen als die offiziellen Statistiken bisher nahelegen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Publikation des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Seit über einem Jahrzehnt sind in Deutschland nicht nur Personen mit schulischer Hochschul- und Fachhochschulreife studienberechtigt, auch Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung plus Berufserfahrung steht dieser Weg unter bestimmten Bedingungen offen. Deshalb müsste die offizielle Quote der Studienberechtigten deutlich nach oben korrigiert werden.

Der Anteil der Studienberechtigten in Deutschland lag nach amtlichen Angaben im Jahr 2020 bei rund 47 Prozent. Das bedeutet, etwa jede zweite Person zwischen 18 und 21 Jahren hat durch ihren Abschluss an einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule die Berechtigung erworben, sich an einer Hochschule einzuschreiben. Dagegen verdeutlicht ein neuer CHECK des CHE, dass die bisherige Art der Berechnung die Situation nicht mehr ausreichend abbildet: Eine realistische Quote der Studienberechtigten in Deutschland müsste deutlich höher liegen. Schätzungen der CHE Expertinnen Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele gehen davon aus, dass in Deutschland aktuell bis zu 80 Prozent der Bevölkerung studienberechtigt sein könnten.

Dies liegt am sogenannten »dritten Bildungsweg«, der jedoch in der offiziellen Quote der Studienberechtigten nicht berücksichtigt wird. Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz im Jahr 2009 ist es überall in Deutschland möglich, auch über den beruflichen Weg an die Hochschule zu gelangen. So können Inhaber*innen von beruflichen Fortbildungsabschlüssen wie beispielsweise Meister*in oder Fachwirt*in unter bestimmten Voraussetzungen direkt in ein Studium einsteigen. Auch Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung können nach einem erfolgreichen Aufnahmeverfahren ein Studium aufnehmen. Betrachtet man eine Altersspanne zwischen 18 und 55 Jahren trifft Letzteres auf 41 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zu. Da sich etwa in der Gruppe der Auszubildenden aber auch beispielsweise jeweils ein Anteil von Abiturient*innen befindet, gibt es eine Schnittmenge der Bildungswege. Deshalb kann der Wert nicht einfach zu den offiziellen Studienberechtigten addiert werden.

 

Offizielle Studienberechtigtenquote

 

 

»Durch die Nicht-Berücksichtigung des dritten Bildungsweges gibt es einen blinden Fleck in der offiziellen Statistik. Die Zahl der Studienberechtigten in Deutschland wird systematisch unterschätzt. Theoretisch haben deutlich breitere Teile der Bevölkerung das Potenzial und die Möglichkeit sich akademisch weiterzubilden«, konstatiert Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

Beim Begriff der »Studienberechtigung« sieht Nickel vor diesem Hintergrund Reformbedarf. Die Berechnung der offiziellen Studienberechtigtenquoten, welche nur Personen mit schulischer Hochschul- und Fachhochschulreife berücksichtige, sei nicht mehr zeitgemäß. Der erhöhten Durchlässigkeit der Bildungswege sollte durch eine Einbeziehung von beruflich Qualifizierten Rechnung getragen werden. Hierzu werden geeignete Berechnungsverfahren benötigt, die noch entwickelt werden müssten. Bislang können hier nur Schätzungen vorgenommen werden.

Weitere Daten des CHECKs zeigen, wie eng verknüpft die Hochschulwelt mit der Berufswelt bereits ist. So hat etwa mehr als ein Fünftel der Studierenden bereits eine Berufsausbildung vor dem Studium abgeschlossen. Mehr als zwei Drittel der Studierenden sind neben dem Studium erwerbstätig, zwei Prozent studieren berufsbegleitend.

Das CHE plädiert deshalb für ein gemeinsames System nachschulischer Bildung. »Eine ehrliche Studienberechtigtenquote, welche die Zugangswege über den Beruf nicht ausklammert, wäre ein erster Schritt, das Lagerdenken zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu überwinden. Die Realität der nachschulischen Bildung, bei der Bildungsinteressierte allen Alters bereits das Beste aus beiden Welten mitnehmen, ist da deutlich weiter, als es die Strukturen und Diskussionen vermuten lassen«, so CHE Geschäftsführer Frank Ziegele. Die realistische Erfassung der Studienberechtigten würde eine gute Informationsgrundlage zur Gestaltung eines flexiblen, verzahnten Angebots aus beruflicher und akademischer Bildung durch Bildungsträger und Politik bieten.

 

 

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