Bildungstrichter: Die Aufnahme eines Hochschulstudiums hängt stark von der Bildung der Eltern ab

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Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien beginnen statistisch gesehen 79 ein Hochschulstudium. Bei Nicht-Akademiker Familien schaffen gerade einmal 27 von 100 Kindern den Sprung an eine Hochschule. Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zur Hochschulbeteiligung in Deutschland.

Die Bildungschancen sind in Deutschland nach wie vor sehr ungleich verteilt und hängen immer noch stark vom Bildungshintergrund des jeweiligen Elternhauses ab. Nur 12 Prozent der Kinder, deren Eltern über keinen beruflichen Abschluss verfügen, gehen nach dem Schulabschluss an eine Hochschule. Sobald allerdings mindestens ein Elternteil über einen Berufsabschluss verfügt, steigt der Anteil der Kinder, die studieren gehen, bereits auf 24 Prozent. Hat mindestens ein Elternteil zusätzlich das Abitur als höchsten Schulabschluss erworben, beträgt die Hochschulbeteiligung schon 48 Prozent eines Jahrgangs.

Die Ursachen für diese Chancenungleichheit sind vielfältig. Beim Durchlaufen des deutschen Bildungssystems müssen an mehreren Stellen Entscheidungen zum weiteren Bildungsverlauf eines Kindes getroffen werden, so zum Beispiel beim Übergang von der Grundschule zur Realschule oder dem Gymnasium. »Familien mit geringerem Bildungshintergrund tendieren häufig dazu, die Kosten für höhere Bildung zu überschätzen und Bildungserträge zu unterschätzen, ungeachtet des vielleicht hohen Bildungspotentials ihres Kindes«, erläutert Nancy Kracke, eine Autorin der Untersuchung, eine Ursache für die Chancenungleichheit. Anders verhält es sich bei bildungsnäheren Elternhäusern, die mehr Ressourcen zur gezielten Förderung ihrer Kinder einsetzen können und bei denen ein höherer Bildungsabschluss als Teil der Sicherung des eigenen sozialen Status der Familie angesehen wird. So findet beim Durchlaufen des Bildungssystems bei jeder Entscheidung eine erneute Selektion statt, die von der Bildungsnähe des Elternhauses beeinflusst wird.

Diese Chancenungleichheit führt dazu, dass Kinder aus Akademikerhaushalten im Vergleich zu ihrem Anteil an der altersgleichen Gesamtbevölkerung an den Hochschulen überrepräsentiert sind. Gemessen wird diese Relation im sogenannten Bildungsbeteiligungsindex. Unter den Studienanfängerinnen und -anfängern sind sie mehr als doppelt so häufig vertreten, wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen aus Elternhäusern ohne Hochschulausbildung. Ein Blick auf den Index der Bildungsbeteiligung aus dem Jahr 2005 zeigt, dass sich daran in den letzten elf Jahren kaum etwas verändert hat.

Betrachtet wurden außerdem die Chancen für den Hochschulzugang von Studienberechtigten mit Migrationshintergrund. Personen mit Migrationshintergrund, die außerdem aus einem nicht-akademisch geprägten Elternhaus stammen, sind an deutschen Hochschulen genauso unterrepräsentiert, wie Personen ohne Migrationshintergrund, die aus einem ebenfalls nicht-akademischen Elternhaus stammen. Besonders auffällig ist allerdings, dass Personen mit Migrationshintergrund aus einer Akademikerfamilie an den Hochschulen noch viel stärker überrepräsentiert sind, als ihre Mitstudierenden ohne Migrationshintergrund. Dies zeigt, welch hohe Bedeutung die Aufnahme eines Studiums für diesen Bevölkerungskreis hat.

Hintergrund
Das DZHW, bzw. seine Vorgängerorganisation HIS, berechnet seit 1985 in regelmäßigen Abständen die sogenannten Bildungsbeteiligungsquoten (BBQ) auch »Bildungstrichter« genannt, welcher Rückschlüsse auf die Entwicklung der Chancengleichheit beim Hochschulzugang in Deutschland ermöglicht. Außerdem werden die Quoten um den Bildungsbeteiligungsindex (BBI) ergänzt. Dieser gibt Aufschluss darüber, welche Bevölkerungsgruppen im Verhältnis zu ihrem Anteil an der altersgleichen Gesamtbevölkerung beim Hochschulzugang über- bzw. unterrepräsentiert sind. Die Daten für die BBQ und den BBI stammen aus der Bevölkerungs- und Hochschulstatistik sowie dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Außerdem sind Daten der 21. Sozialerhebung aus dem Jahr 2016 verwendet worden, die das DZHW gemeinsam mit dem Deutschen Studentenwerk erstellt hat.

   

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