Stark führen - Eine Rezension

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)

Dr. Gerhard Breitkreuz 2 Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Dr. Gerhard Breitkreuz, Kiel.

Zuerst ein Blick auf ein aktuelles Buch der interpersonalen Führung: »Stark führen« - der Titel ist Programm! Bianca Fuhrmann legt ein weiteres Werk für Praktiker vor. Nein, eigentlich mehr. Es hat einen umfassenden Anspruch. Alte und neue Aspekte der Sozialpsychologie, der Kognitionspsychologie, der guten Führung und der Projektorganisation verbergen sich hinter den 15 Großkapiteln.

Aber keine Angst! Es hat eine gute innere Didaktik. Man muss nicht alles lesen, man kann sich auch punktuell inspirieren lassen. Man kann sich auch den Motivations-Karotten oder oder dem Fels-in-der-Brandung-Effekt schmunzelnd annähern und sich selbst (mit all seinen Schwächen und Stärken als Führungskraft) entdecken. Ja, ich kann auch mit Stichworten im Glossar nach den mich bewegenden Problempunkten suchen. Sicher, man kann »Stark führen« auch als Komplement, sogar ein wenig als Kontrast, zum Voodoo – Projekt ansehen. Stark führen hat einen systematischen Anspruch und ist gut strukturiert, weniger reißerisch und eruptiv wie das Projektbuch. Es ist für Praktiker konzipiert, aber nicht unwissenschaftlich. Am Ende der Unterkapitel findet man weiterführende Literaturangaben. Wer mag und darf vertiefen.

Für wen ist das Buch geeignet? Ich denke als erstes als langjähriger Vorsitzender eines Prüfungsausschusses an meine Personalfachkaufleute. Oh ja, man findet z.B. Motivationstheorien von Maslow, Herzberg, McClelland oder von Scholl in dem Werk erklärt. Auch Berufspädagogen und Bachelor der Betriebswirtschaft werden fündig: Was heißt Motivation, was sind Führungsängste und was bedeutet Effizienz in der Führung?

Der Kreis der Leser könnte groß sein – vom Studenten bis zum erfahrenen Praktiker, der sich etwas Muße nimmt, sein Führungsverhalten zu reflektieren.

Ich wünsche dem Führungsbuch Erfolg! Aber man kann sicher auch mit Bianca Fuhrmann über begleitende Seminare und Coaching den ein oder anderen Aspekt persönlich näher vertiefen.


Standpunkt: Neigt sich die Ära der interpersonalen Führung dem Ende zu?

Was darf man noch von einem Rezensenten erwarten? Sicher einen ungewöhnlichen Blick über den Tellerrand der Führung in die Zukunft.

Interpersonale Führung war das Thema des letzten Jahrhunderts. Auch wenn sich die Konzepte und Menschenbilder unterschieden, der zentrale Punkt war es, Strategien für die Führung von Menschen durch Menschen zu finden. Ob Führung als »Führung durch Wachsenlassen« (Theodor Litt) oder ob ausgefeilte Modelle von »Management by« - der Mensch stand im Mittelpunkt. Hierarchien, systemisch-strukturelle Konflikte, Organisationsstrukturen und Produktionsprozesse bildeten den peripheren Rahmen.

Aber werden die Leitmodelle in fünf oder zehn Jahren einen anderen Fokus haben? Ich denke: ja. Das liegt im Wesentlichen daran, dass durch die Industrie 4.0 andere Formen der Kollaboration und Zusammenarbeit in den Vordergrund rücken werden. Robotik und artifizielle Intelligenz werden den Blick auf Führung verändern. Sicher, gute Führung zwischen Menschen wird auch 2030 einen universellen Platz in den Managementkonzepten behalten, aber ich vermute, dass in der vierten Auflage des Werkes von Bianca Fuhrmann die Kapitel »Führung zwischen Mensch und Roboter« einen erheblichen Stellenwert einnehmen wird.

Dabei ist ist es bei den lernenden Systemen der künstlichen Intelligenz auch nicht sicher, wer führt und wer geführt wird. Man darf nicht von menschlicher Dominanz und Kausalität per se in den Entscheidungsebenen ausgehen. Luhmann trennte noch technische (allopoetische) Systeme von sozialen Interaktions- Organisations- und Gesellschaftssystemen. Aber schon heute verleiten Wissensdatenbanken zu einer unmerklichen (Ver)führung des Menschen im Denken und Handeln. Nicht nur diagnostische, auch therapeutische Entscheidungen werden immer mehr von lernenden Systemen beeinflusst. Schon jetzt kann der Großrechner Watson bessere und ziemlich optimale Entscheidungen anbieten als der Mensch.

Die Mensch-Maschine-Schnittstelle der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird durch Teamwork von Maschinen und Menschen neu akzentuiert. Dabei wird es nicht nur um den Einsatz der Roboter in der Industrie, sondern auch um deren Formen der Kollaboration im Dienstleistungssektor oder in der Pflege gehen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Luhmannsche Systemtheorie, wenn die technischen Systeme näher an die sozialen heranrücken. Es werden transdisziplinäre Aufgabenstellungen in der Führung entstehen. Forschungen zur Motivation werden sich mit der Frage beschäftigen, wie dauerhaft und abwechslungsreich sich die Verhältnisse zwischen Maschinen und Menschen gestalten lassen. Es werden neue Tätigkeitsfelder und Berufsbilder entstehen, die sich mit Führung und Management beschäftigen.

Das ist beileibe keine Utopie von morgen. Schon heute sind Roboter-Manager unterwegs, die den Schnittstelleneinsatz koordinieren und latente und reale Ängste bei den Mitarbeitern im Zusammenspiel nehmen sollen. Darüber wird sicherlich in der Führungs- und Managementliteratur der nächsten Jahre berichtet werden. In vielerlei Hinsicht stehen wir also auch in den Führungstheorien und in der Führungspraxis vor einem paradigmatischen Wandel – auch wenn man mit dem Wort Paradigmenwechsel immer etwas vorsichtiger sein sollte.

Bibliographie
Fuhrmann, Bianca: Stark führen. 1. Auflage 2018
ISBN: 3658166053

        


Dr. Gerhard Breitkreuz 2

 
Dr. Gerhard Breitkreuz  ist Diplom-Betriebswirt, Diplom-Pädagoge und promovierter Soziologe.

Er arbeitet in der Projektbegleitung und ist Lehrbeauftragter an der FernUniversität in Hagen sowie Gutachter an der Nordakademie von studentischen Transferleistungen.

 
 
 
 
 
In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

 

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