Trotz Bevölkerungszuwachs: Fachkräfteengpässe bleiben bestehen
Neue Ergebnisse der BIBB/IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen: Die Bevölkerung wächst – Engpässe bei fachlichen Tätigkeiten bleiben aber dennoch bestehen
Dies ist ein Ergebnis der inzwischen vierten Erhebung der Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Bedingt durch innereuropäische Arbeitsmarktmigration sowie den Zuzug Geflüchteter wird die Bevölkerungszahl in Deutschland von rund 81,2 Millionen Einwohnern im Jahr 2014 auf etwa 83,4 Millionen bis zum Jahr 2023 ansteigen. Danach wird sie bis 2035 wieder auf etwa 82 Millionen sinken. Der Bevölkerungszuwachs wird vor allem kurz- beziehungsweise mittelfristig zu beschäftigungspolitischen Effekten führen, zum Beispiel durch eine verstärkte Nachfrage nach Wohnungen oder Erziehungsleistungen.
Das Arbeitsangebot wird sich durch den Zuzug Geflüchteter jedoch erst nach und nach erhöhen, zum einen, weil fast ein Drittel der Geflüchteten derzeit noch unter 20 Jahren ist, und zum anderen, weil die Integration am Arbeitsmarkt Zeit benötigt. Der mittelfristige Bevölkerungszuwachs wird daher auch langfristig nicht die Engpässe bei fachlich ausgerichteten Tätigkeiten beheben können. Denn nach Auswertung der neuesten Daten scheiden im Zeitraum von 2014 bis 2035 rund 12,1 Millionen Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung aus dem Erwerbsleben aus, denen aber im selben Zeitraum lediglich 9,2 Millionen Neueintritte gegenüberstehen. Bei Personen mit einem akademischen Abschluss verhält es sich umgekehrt. Hier scheiden 3,9 Millionen Personen aus dem Erwerbsleben aus, rund 6,5 Millionen werden dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung stehen.
Erstmals weisen die gemeinsamen BIBB/IAB-Projektionen aus, für welchen Komplexitätsgrad Erwerbstätige benötigt werden. Unterschieden wurde dabei nach Helfertätigkeiten, fachlichen Tätigkeiten, komplexen Spezialistentätigkeiten oder hochkomplexen Tätigkeiten. Demnach werden fachliche Tätigkeiten zu etwa 67 Prozent von Personen mit Berufsabschluss und hochkomplexe Tätigkeiten zu einem gleich hohen Anteil von Akademikerinnen und Akademikern ausgeübt. In komplexen Spezialistentätigkeiten sind Personen mit Berufsabschluss zu rund 41 Prozent und Personen mit akademischem Abschluss zu rund 25 Prozent beschäftigt. Weitere knapp 25 Prozent in diesem Anforderungsniveau verfügen über einen Fortbildungsabschluss. Das stark steigende Angebot an Personen mit akademischem Abschluss lässt laut Studie erwarten, dass diese Personen künftig noch stärker als bisher in komplexen Spezialisten- und hochkomplexen Tätigkeiten erwerbstätig sein werden und dass dies zu Lasten der Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Fortbildungsabschluss gehen könnte.
Da Projektionen auf Basis konkreter Einzelberufe für einen so langen Zeitraum nicht aussagefähig sind, wurden diese in »Berufsfeldern« zusammengefasst. Die Auswertung der aktuellen Daten zeigt, dass trotz des Zuzugs Geflüchteter wie bei den ersten drei Erhebungswellen in den »Gesundheitsberufen« und den »Technischen Berufen« weiterhin mit Engpässen zu rechnen sein wird. Neu ist, dass sich dies nun auch für die »Bauberufe« und »Berufe in der Holz-, Kunststoffbe- und -verarbeitung« abzeichnet. In den »Büro- und kaufmännischen Dienstleistungsberufen« sowie den vorwiegend akademisch geprägten Berufsfeldern, wie zum Beispiel den »IT- und naturwissenschaftlichen Berufen« oder den »lehrenden Berufen«, wird das Arbeitsangebot dagegen stärker anwachsen als der Bedarf. Durch die noch nicht absehbaren Folgen der Digitalisierung ist es möglich, dass die Nachfrage nach diesen wissensintensiven Berufen noch stärker zunimmt als es aus den derzeitigen Entwicklungen absehbar ist.
Die BIBB/IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen (QuBe-Projekt), die in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) sowie dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) entstanden sind, zeigen anhand von Modellrechnungen auf, wie sich das Angebot und die Nachfrage nach Qualifikationen und Berufen langfristig entwickeln können.
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