Niedriglohnsektor 2018: Nicht alle profitieren

Artikel-Bild

Erstmals Rückgang, aber nicht für gering Qualifizierte und Minijobber*innen 

Die Niedriglohnbeschäftigung nimmt ab, aber die Stundenlöhne von gering Qualifizierten und Minijobber*innen liegen weiter meist deutlich unterhalb der Niedriglohnschwelle – das ist das Fazit des neuesten Reports des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Die Schwelle hat sich von 10,22 Euro im Jahr 2015 auf 11,21 Euro brutto pro Stunde im Jahr 2018 um fast 1 Euro deutlich erhöht.

Die Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland ist im Jahr 2018 erstmals seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns leicht auf 21,8 Prozent zurückgegangen. Nach Berechnungen des IAQ hat sich der Anteil der Betroffenen in Ostdeutschland seit 2015 um mehr als vier Prozentpunkte reduziert, in Westdeutschland gab es kaum spürbare Veränderungen.

Wie Dr. Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf feststellen, haben vom gesetzlichen Mindestlohn besonders Gruppen mit einem überdurchschnittlich hohen Risiko (Frauen, Jüngere und Ältere, Ausländer*innen und befristet Beschäftigte) profitiert. Eine Besonderheit der Niedriglohnbeschäftigung hierzulande, die im Vergleich der EU-Länder ohnehin auf besonders hohem Niveau verharrt, sieht Dr. Weinkopf darin, »dass von Niedriglöhnen weiter in hohem Maße auch Kerngruppen der Beschäftigten betroffen sind«. Dr. Kalina ergänzt: »Fast drei Viertel der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar einen akademischen Abschluss und gut 40 Prozent sind in Vollzeit beschäftigt«.

Mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Januar 2015 sind die unteren Stundenlöhne 2018 teils deutlich gestiegen. Ob und wie sich das über sogenannte »Ripple-Effekte« auch auf Erhöhungen der Stundenlöhne oberhalb des Mindestlohns auswirkt, hängt vor allem damit zusammen, wie viele Beschäftigte gewerkschaftlich organisiert sind, vermuten die Forschenden: »Je höher die Tarifbindung, desto geringer das Niedriglohnrisiko.«

In den letzten Jahren ist es in Deutschland jedoch – anders als mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz von 2015 beabsichtigt – nicht gelungen, den Rückgang der Tarifbindung zu stoppen oder diese gar wieder zu erhöhen. Nach Einschätzung des IAQ führt daher weiterhin kein Weg daran vorbei, Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen wieder häufiger zu nutzen, von denen nicht nur gering Verdienende, sondern auch die mittleren Einkommensgruppen profitieren würden.

Bibliographie
Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf: Niedriglohnbeschäftigung 2018 – Erstmals Rückgang, aber nicht für gering Qualifizierte und Minijobber*innen. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation, IAQ-Report 2020-05

 

  LINKS  

 

Jobwechsel als Karriereschlüssel: Berufsverwandte Wechsel steigern Gehalt und Produktivität
Ein Jobwechsel kann insbesondere vorteilhaft sein, wenn Mitarbeiter*innen in ähnliche Arbeitsbereiche umsteigen. Bei solchen Wechseln kann der Jahresbruttoverdienst um bis zu 3.500 Euro steigen, verglichen mit einem Wechsel in unverwandte...
Mindestlohn-Erhöhung Oktober 2022: Fast 6 Millionen Jobs profitierten davon
Durch Mindestlohnerhöhung 1,5 Millionen Jobs weniger im Niedriglohnsektor Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren rund 5,8 Millionen Jobs von der Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 betroffen. Somit lagen 14,8 % aller...
Niedriglohnbeschäftigung 2020: Rückgang des Anteils von Niedriglöhnen in den letzten Jahren
Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ist in Deutschland in den letzten Jahren zwar zurückgegangen, lag 2020 mit rund 20 Prozent für Deutschland insgesamt aber immer noch deutlich über dem EU-Durchschnitt von 15 Prozent. In regelmäßigen...

.
Wir benutzen Cookies
Der BildungsSpiegel setzt auf seiner Website sog. Cookies ein. Einige von ihnen sind für den reibungslosen Betrieb essentiell, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern. Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Website zur Verfügung stehen.