Immer mehr Menschen arbeiten im Ruhestand

Älterer Mitarbeiter im Büro (Symbolbild)

Arbeiten nach dem Renteneintritt ist längst kein Randphänomen mehr

Laut einer aktuellen Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung sind es inzwischen 14 Prozent aller Beschäftigten in mitbestimmten Betrieben, die jenseits der Regelaltersgrenze weiterarbeiten. In Unternehmen ohne Mitbestimmung liegt der Anteil deutlich niedriger.
 
Die Studie zeigt: Erwerbstätigkeit im Alter ist kein Ausnahmefall, sondern Teil eines strukturellen Wandels.

Zwischen Bedürfnis und Notwendigkeit

Die Forscherinnen und Forscher der Böckler-Stiftung betonen, dass sich hinter dem Trend verschiedene Motive verbergen. Viele Ältere wollten beruflich aktiv bleiben, um soziale Kontakte, Sinn oder Routine zu behalten.

Gleichzeitig spiele finanzielle Not eine nicht zu unterschätzende Rolle: Rund die Hälfte der Weiterarbeitenden gebe an, auf die Einkünfte angewiesen zu sein. Niedrige Renten, steigende Lebenshaltungskosten und unterbrochene Erwerbsbiografien verstärkten diesen Druck.

Unterschiedliche Bedingungen in den Betrieben

Die Untersuchung verdeutlicht auch, dass betriebliche Strukturen Einfluss auf die Entscheidung zum Weiterarbeiten haben. In Betrieben mit Mitbestimmung seien Übergänge in den Ruhestand häufiger planvoll gestaltet, mit flexiblen Arbeitszeitmodellen oder angepassten Aufgaben.

Wo Mitbestimmung fehle, seien solche Regelungen seltener. Das zeige, wie sehr institutionelle Beteiligung soziale Sicherheit und individuelle Wahlfreiheit stützen könne.

Bildung, Erfahrung und Wertschätzung

Ein weiterer Befund: Wer über höhere Qualifikationen verfügt, arbeite häufiger freiwillig weiter. Geringqualifizierte Beschäftigte dagegen seien öfter gezwungen, über das Rentenalter hinaus tätig zu bleiben. Damit verlagert sich auch ein soziales Ungleichgewicht in die nachberufliche Phase.

Der Umgang mit Weiterbildung, Anerkennung und Arbeitsbedingungen im Alter wird so zu einer Frage sozialer Gerechtigkeit.

Gesellschaftliche Folgen

Die Forscherinnen und Forscher ordnen die Ergebnisse als Signal für eine tiefgreifende Verschiebung der Erwerbskultur ein. Arbeit im Ruhestand sei Ausdruck einer Gesellschaft, die älter wird, aber wirtschaftlich aktiv bleiben soll.

Diese Entwicklung könne Chancen bieten – etwa durch Wissenstransfer und flexible Übergänge. Sie trage jedoch auch das Risiko, Altersarmut zu normalisieren. Gefragt seien daher politische und betriebliche Strategien, die Selbstbestimmung stärken, ohne ökonomischen Zwang zu verstetigen.


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