Gleichstellung für gemeinnützige Forschungsinstitute

Deutscher Bundestag 4

Vertreter gemeinnütziger Forschungseinrichtungen verlangen mehr Freiheit bei der Anwerbung von Spitzenkräften und qualifiziertem Verwaltungspersonal.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung am Mittwoch kritisierten sie Nachteile gegenüber von Bund und Ländern geförderten außeruniversitären Forschungsinstituten. Sie setzten sich für mehr Freiheit und Flexibilität ihrer Einrichtungen ein, damit sie den Wettbewerb um die »klügsten Köpfe« nicht verlieren.

Bisher sind Einrichtungen, die sich überwiegend durch Zuwendungen der öffentlichen Hand finanzieren, an das sogenannte Besserstellungsverbot gebunden. Es besagt, dass ihre Angestellten nicht mehr verdienen dürfen als vergleichbare Bundesbedienstete, in der Regel eine Bezahlung nach Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD). Das Besserstellungsverbot gilt für Empfänger institutioneller Förderung grundsätzlich, bei Projektförderungen nur, wenn sich die Gesamtausgaben überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzieren.

Auch die CDU/CSU fordert in einem Antrag, die nicht vom Bund geförderten gemeinnützigen Einrichtungen vom Besserstellungsverbot auszunehmen. Ihnen soll es grundsätzlich freigestellt werden, »finanzielle Mehrbedarfe bei Personalkosten selbst zu tragen«. Dafür müsse die Bundesregierung allerdings das Wissenschaftsfreiheitsgesetz (WissFrG) erweitern.

Der Vorstandsvorsitzende der nordrhein-westfälischen Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF), Dieter Bathen, machte deutlich, dass es nicht »um mehr Geld vom Bund geht«, sondern um die Möglichkeit, Leitungspersonal genauso vergüten zu können, wie andere Wissenschaftsorganisationen auch. »Warum«, fragt Bathen, »soll unser Spitzenpersonal schlechter bezahlt werden?«

Dem Argument, dass ohne das Besserstellungsverbot Bund und Länder an Kontrolle verlören, hielt der Wissenschaftler entgegen, dass in den Aufsichtsratsgremien doch Vertreter von Bund und Ländern säßen. Eindringlich plädierte Bathen dafür, dass die betroffenen Institute rasch eine »bürokratiearme Lösung« benötigten, um größeren finanziellen Gestaltungsspielraum zu gewinnen. »Fairness und Gleichbehandlung«, unterstrich er, sollten »oberstes Gebot« sein. Als Lösung schlug er die Eingliederung in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz oder in eine Anpassung des Bundeshaushaltsgesetzes vor.

»So wie es ist, kann es nicht bleiben«, stellte auch Anke Fellmann, Geschäftsführerin der Innovationsallianz Baden-Württemberg fest. »Was fehlt, um den gordischen Knoten zu lösen?«, fragte sie. Es bedürfe dringend einer verlässlichen Lösung für das Vergütungsproblem. Dazu gehöre auch mehr Rechtssicherheit sowie eine Gleichstellung mit den von Bund und Ländern finanzierten Instituten. Fellmann begrüßte die Bundesratsinitiative Baden-Württembergs, gemeinnützige Institute in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz aufzunehmen.

Alternativ forderte sie zumindest eine Veränderung der Verwaltungsvorschriften oder, wie schon Bathen, eine Anpassung des Haushaltsgesetzes. Wichtig sei besonders, dass es um gleiche Voraussetzungen mit den Wettbewerbern bei der Akquise des Spitzenpersonals gehe.

Jens Katzek vom Automotiven Cluster Ostdeutschland wies darauf hin, dass die aktuelle Handhabung des Besserstellungsverbotes dem Steuerzahler keinen Euro spare. Was die Lage so bitter mache, sei, dass der Bund damit aber wissenschaftliche Innovationen verzögere, die ihm selbst so wichtig seien - etwa bei der Förderung einer nachhaltigen Automobilindustrie.

Ausnahmegenehmigungen gälten jeweils nur für ein beantragtes Projekt. Wenn dieses ausgelaufen sei, »sei eine Weiterbeschäftigung des Fachpersonals nicht erlaubt«. Es bedürfe dafür eines neuen Ausnahmeantrages. Eine mögliche Lösung wäre Abänderung im Haushaltsgesetz durch folgende Formulierung, »Über den TVÖD hinausgehende Zahlungen müssen aus Eigenmittel gedeckt werden«, wie Katzek ausführte. »Wir alle wissen,, wie unverzichtbar anwendungsbezogene Forschung ist«, deshalb benötigten gemeinnützige Institute langfristige Rechtssicherheit.

»Wir sind nicht nur Transferinstitutionen für Forschungsergebnisse in Politik, Wirtschaft und Industrie. Wir konkurrieren auch mit dem Mittelstand um gute Fachkräfte«, sagte Mirjam Schwan vom Institut für Technologietransfer, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes gGmbH. Dabei gehe es nicht nur um das Spitzenpersonal, sondern auch um qualifizierte Verwaltungskräfte, »die wir wegen des Besserstellungsverbotes nicht beschäftigen können«. Die Anbindung an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes behindere deren Anstellung. Daher brauche gemeinnützige Forschung mehr finanziellen Spielraum.

Steffen Tobisch von der Zuse-Gemeinschaft (Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse) klagte darüber, dass seit 18 Monaten mehr als 80 Ausnahmeanträge beim Bundesministerium für Bildung und Forschung vorlägen. Es gebe bisher keine Befassung, und kein Antrag sei abschließend beschieden worden. Dies führe bereits zur Abwanderung hochqualifizierter Beschäftigter. Es habe noch nicht einmal einen Inflationsausgleich gegeben.

Tobisch unterstrich ebenfalls, dass eine Gleichstellung gemeinnütziger Forschungseinrichtungen dem Bund keine zusätzlichen Kosten verursache. Auch er schlug vor, entweder das Haushaltsgesetz zu novellieren oder aber die Institute in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz aufzunehmen. Das Besserstellungsverbot sei mit Blick auf den Bürokratieaufwand »unerträglich«.


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