Familie geht vor – Karriere und Geld werden für Studenten immer unwichtiger

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EY3

Beruflicher Aufstieg nur noch für 41 Prozent der Studenten wichtig – Familie hat mit 70 Prozent weit höhere Bedeutung * Neun von zehn Studenten gehen davon aus, nach ihrem Studium zügig einen Job zu finden * Studienfachwahl eher nach persönlichem Interesse als nach Berufsaussichten * Unterschiede zwischen den Geschlechtern schrumpfen: Männern und Frauen ist Privates wichtiger als Karriere 

Studierende in Deutschland fühlen sich immer sicherer und besinnen sich auf Familie, Freunde und Freizeit. Beruflicher Erfolg oder ein hohes Gehalt verlieren dagegen an Reiz. So hat nur noch für 41 Prozent der Studenten der berufliche Aufstieg eine sehr hohe Bedeutung. Bei der Befragung vor zwei Jahren war die Karriere noch 57 Prozent wichtig.

Statt auf die Karriere bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber konzentrieren sich die Studenten dagegen lieber auf ihr privates Umfeld: Für 70 Prozent hat die Familie eine sehr hohe Bedeutung, für 66 Prozent die Freunde und für 50 Prozent die Freizeit.

Der entspannte Blick auf die eigene Karriere hängt vor allem mit der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zusammen. So sagen insgesamt 41 Prozent der Studenten, dass sich ihre Ausschichten, schnell einen Job zu finden, angesichts der wirtschaftlichen Lage in den letzten Monaten, verbessert haben. Nach Einschätzung jedes Neunten haben sich die Aussichten sogar deutlich verbessert. Insgesamt 92 Prozent der Studenten gehen davon aus, im Anschluss an ihr Studium schnell einen Job zu finden.

Dementsprechend ist die Zufriedenheit der Studenten immer weiter gestiegen: 88 Prozent sind mit ihrer aktuellen persönlichen Situation zufrieden – jeder Dritte sogar sehr. Vor zwei Jahren waren 86 Prozent zufrieden, vor vier Jahren 80 Prozent.

Das sind Ergebnisse einer Ernst & Young-Studie, für die in deutschen Universitätsstädten rund 2.000 Studenten befragt wurden.

»Bei deutschen Studenten zeichnet sich immer deutlicher ein grundlegender Wertewandel ab«, kommentiert Oliver Simon, Leiter der Personalabteilung von EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Zahlen. »Familie, Freunde oder Freizeit gewinnen bei ihnen einen immer höheren Stellenwert. Dabei rechnen sie durchaus mit einem sicheren Job und einem auskömmlichen Gehalt; eine steile Karriere mit außergewöhnlichen Verdienstmöglichkeiten verliert jedoch immer weiter an Attraktivität«. Einen Grund für diese Entwicklung sieht Simon in dem jahrelangen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland: »Die gegenwärtige Studentengeneration findet hervorragende Ausgangsbedingungen vor. Das hat ihr ein Gefühl der weitgehenden Sicherheit gegeben, so dass sie sich mehr auf ihre persönlichen Interessen und Ziele konzentrieren kann«.

Persönliches Interesse wichtigstes Motiv bei Studienfachwahl

Entsprechend haben viele ihr Studienfach eher nach persönlichen Interessen als nach guten Jobchancen ausgewählt: Für 63 Prozent war ihr persönliches Interesse ein sehr wichtiges Motiv bei der Studienplatzwahl (2016: 61 Prozent), gute Berufsaussichten nur noch für 49 Prozent (59 Prozent) der Befragten.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in dieser Frage schrumpfen zusammen, unter anderem auch, weil Männern beruflicher Erfolg offenbar nicht mehr so wichtig ist wie früher. So überwiegt bei 63 Prozent der Männer inzwischen das persönliche Interesse bei der Studienfachwahl. Damit ist der Anteil genauso hoch wie bei Frauen und wichtiger als gute Berufschancen, die vor zwei Jahren noch das wichtigste Motiv waren und heute von 51 Prozent der Männer genannt werden. Bei Frauen ging der Anteil von 55 auf 47 Prozent zurück.

Privates bei Männern und Frauen an erster Stelle – Männer erwarten höheres Einstiegsgehalt

Privates steht inzwischen bei den Männern deutlich an erster Stelle. Für jeweils 62 Prozent haben Familie und Freunde eine hohe Bedeutung, für 50 Prozent die Freizeit. Nur noch für 45 Prozent ist beruflicher Aufstieg wichtig, der vor zwei Jahren noch von 62 Prozent der Männer gleichauf mit der Familie genannt wurde. Damit nähern sie sich den Studentinnen an, denen – wie auch in der vorhergehenden Befragung – Familie (77 Prozent), Freunde (70 Prozent) und die Freizeit (50 Prozent) am wichtigsten sind. Beruflicher Aufstieg hat dagegen nur für 38 Prozent der Studentinnen eine hohe Bedeutung.

»Vor zwei Jahren konnten wir noch eine eher klassische Rollenverteilung zwischen Studentinnen und Studenten beobachten, bei der die Männer eher auf Karriere setzten und die Frauen sich auf die Familie konzentrierten«, so Simon. »Inzwischen ist auch den Männern die Familie deutlich wichtiger als die Karriere. Eine Erklärung dafür ist, dass heutzutage immer weniger Firmen sie vor die Entscheidung stellen: Karriere oder Familie. Stattdessen bieten sie über Teilzeitmodelle, Homeoffice, Kinderbetreuung und andere Maßnahmen die Möglichkeit, Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren«.

Nur beim Geld geben sich Männer nach wie vor selbstbewusster: Während sie zum Einstieg ein Jahresgehalt von durchschnittlich 39.300 Euro erwarten, rechnen Frauen durchschnittlich nur mit 36.500 Euro. Insgesamt beträgt das durchschnittlich erwartete Einstiegsgehalt 37.900 Euro.

Geisteswissenschaftler studieren am ehesten aus Interesse

Deutliche Unterschiede bei der Studienfachwahl und den Jobaussichten gibt es allerdings weiterhin zwischen den verschiedenen Fachrichtungen: Insbesondere Geisteswissenschaftler wählen mit einem Anteil von 84 Prozent ihr Fach vor allem nach persönlichem Interesse aus. Ähnlich hoch ist das persönliche Interesse bei Sprach-, Sozial- und Kulturwissenschaftlern mit 76 Prozent, 72 Prozent beziehungsweise 71 Prozent.

Gute Verdienstmöglichkeiten sind in erster Linie den Medizinern mit einem Anteil von 58 Prozent wichtig, gefolgt von Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaftlern (49 bzw. 47 Prozent). Diese Studienrichtungen sind es auch – zusammen mit den Juristen – , die am ehesten davon ausgehen, nach ihrem Studium zügig einen Job zu finden.

Jobsicherheit ist wichtigstes Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers

Obwohl die Jobaussichten aus Sicht der Studenten kaum besser sein könnten, ist für über die Hälfte (57 Prozent) immer noch die Jobsicherheit wichtigstes Kriterium bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers. Gehalt (44 Prozent) und flache Hierarchien im Betrieb (41 Prozent) folgen auf den Plätzen. Aufstiegschancen beziehungsweise Karrieremöglichkeiten waren vor zwei Jahren noch zweitwichtigstes Kritierium, sind derzeit allerdings nur 39 Prozent bei der Wahl ihres Arbeitgebers wichtig. Weiter an Bedeutung gewonnen hat dagegen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die für 40 Prozent ein wichtiges Kriterium ist.

»Die Studenten, die derzeit auf den Arbeitsmarkt gelangen, treffen denkbar beste Bedingungen vor: Die Wirtschaft brummt, die Betriebe suchen händeringend nach Fachkräften und die gesellschaftlichen Bemühungen um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigen Erfolge. Allerdings sollten wir uns alle bewusst sein, dass der globale Wettbewerb nicht schläft. Gerade in den Schwellenländern wächst eine erfolgshungrige Generation heran, die das Level erreichen will, auf dem Deutschland heute steht. Wir als Gesellschaft müssen deswegen auch dafür sorgen, dass wir uns nicht ausruhen, sondern ebenso weiter nach Erfolgen streben. Nur dann können junge Hochschulabgänger auch weiter relativ sorglos ins Berufsleben starten«, sagt Simon abschließend.

 

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