Recruitainment: Mit spielerischen Elementen die richtigen Talente gewinnen

Markus BockhorniEin Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Markus Bockhorni, Hallbergmoos.

Die Zeiten, in denen Bewerbungsprozesse ausschließlich aus Lebenslauf, Zeugnissen und einem klassischen Vorstellungsgespräch bestanden, sind vorbei. 

Spielerische Methoden wie das Recruitainment – eine Mischung aus Recruiting und Entertainment – haben das Potenzial, qualifizierte Kandidaten effektiver zu erreichen.

Dieser Gastbeitrag beleuchtet, wie es durch spielerische Elemente im Bewerbungsprozess gelingt, sich als Arbeitgeber durch innovative Formate vom Wettbewerb abzuheben. Und wie die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Bewerbenden gezielt zu testen, dabei hilft, passende Talente frühzeitig zu erkennen und für das eigene Unternehmen zu gewinnen.

Was ist Recruitainment?

Der Begriff Recruitainment existiert bereits seit den frühen 2000er-Jahren, gewinnt jedoch erst durch die zunehmende Digitalisierung und die Erwartungen jüngerer Generationen an Relevanz. Im Kern geht es darum, Recruiting-Prozesse mit unterhaltsamen und interaktiven Elementen zu verbinden. Ziel ist es, Bewerber nicht nur anzusprechen, sondern sie durch spielerische Elemente gezielt in den Auswahlprozess einzubinden und so die Passung zwischen Unternehmen und Kandidaten besser zu ermitteln.

Ein einfaches Beispiel: In einem Online-Spiel schlüpfen Bewerber*innen in die Rolle eines Projektleiters und lösen typische Aufgaben aus dem Unternehmensalltag. Dabei zeigt sich, wie sie mit Herausforderungen umgehen – etwa mit knappen Budgets oder im Team. So gewinnen beide Seiten frühzeitig ein realistisches Bild voneinander.

Recruitainment wird vor allem in drei Bereichen eingesetzt:

1. Employer Branding – Ein attraktives Arbeitgeberimage wird durch interaktive Formate gestärkt.

2. Bewerberansprache – Unternehmen gewinnen gezielt Talente, indem sie personalisierte und innovative Erlebnisse bieten.

3. Auswahlprozess – Interaktive Tests und Simulationen helfen dabei, die besten Talente zu identifizieren.

Wie Recruitainment vom ersten Interesse bis zur Bewerbung wirkt

Recruitainment kann an verschiedenen Stationen des Bewerbungsprozesses eingesetzt werden – von der ersten Kontaktaufnahme bis zur finalen Auswahlentscheidung. Um diesen Weg gezielt zu gestalten, orientieren sich viele Unternehmen an einem einfachen Prinzip aus der Kommunikationslehre: dem sogenannten AIDA-Modell. Es beschreibt vier Phasen, die Menschen durchlaufen, bevor sie sich für ein Angebot entscheiden – in diesem Fall für eine Bewerbung.

  • A wie Attention (Aufmerksamkeit erzeugen): Zu Beginn geht es darum, potenzielle Bewerbende auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Interaktive Formate wie Social-Media-Challenges, virtuelle Unternehmensrundgänge oder spielerische Elemente auf der Karriereseite schaffen einen ersten Zugang.
  • I wie Interest (Interesse wecken): Im nächsten Schritt soll das Interesse für die Tätigkeit und das Unternehmen vertieft werden – etwa durch Online-Quizze, kurze Persönlichkeitstests oder Matching-Tools, die aufzeigen, wie gut Bewerbende zur Organisation passen.
  • D wie Desire (Wunsch nach Zugehörigkeit entwickeln): Komplexere Aufgaben oder Fallstudien, bei denen reale Herausforderungen simuliert werden, geben Bewerbenden einen tieferen Einblick in die Tätigkeit. Gleichzeitig entsteht das Gefühl: „Hier passe ich hin.“
  • A wie Action (Handlungsimpuls auslösen): Am Ende steht der Impuls zur Bewerbung. Gamifizierte Bewerbungsformulare oder kreative Bewerbungsgespräche sorgen dafür, dass der Schritt zur tatsächlichen Bewerbung leichter fällt – und als positive Erfahrung wahrgenommen wird.

So wird aus einem oft als formell empfundenen Auswahlprozess ein dialogorientiertes Erlebnis, das beide Seiten dabei unterstützt, eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Beispiel: Vor einigen Jahren hat Ikea einen Selbsttest angeboten, mit dem Bewerbende überprüfen konnten, ob sie zu IKEA passen. Die Frage lautete „Wie IKEA bist du?“ – Zeig doch mal in einem kurzen Clip, ob du das IKEA-Gen in dir trägst …“

  • Attention (Aufmerksamkeit): Durch einen ungewöhnlichen Einstieg („Wie IKEA bist du?“) und eine klar definierte Aktion wird die Aufmerksamkeit potenzieller Bewerbender geweckt – etwa über Social Media.
  • Interest (Interesse): Die Aufforderung zur Selbstinszenierung („Zeig dich in einem kurzen Clip“) spricht das kreative Potenzial an und lädt zur Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur ein.
  • Desire (Wunsch): Der spielerische Charakter erzeugt Nähe zur Marke. Wer Spaß an der Challenge hat, entwickelt möglicherweise ein Gefühl von Zugehörigkeit oder Verbundenheit mit dem Unternehmen.
  • Action (Handlung): Die Teilnehmenden erstellen und posten ihren Clip – oder bewerben sich anschließend direkt auf einer gamifizierten Karriereseite.

Welche Zielgruppen profitieren von Recruitainment?

Digital affine Generationen wie Millennials und die Generation Z sind besonders empfänglich für spielerische Recruiting-Ansätze. Aber auch Zielgruppen wie IT-Fachkräfte, Ingenieure oder kreative Berufe schätzen interaktive Auswahlmethoden, die ihre Fähigkeiten praxisnah testen. Für Quereinsteiger kann Recruitainment eine Chance sein, sich unkonventionell für neue Berufsfelder zu qualifizieren.

Vorteile für Unternehmen

In Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes und des Fachkräftemangels müssen Unternehmen kreativer und attraktiver als ihre Mitbewerber sein. Ein modernes, interaktives Recruiting-Erlebnis kann entscheidend dazu beitragen, qualifizierte Fachkräfte nicht nur zu erreichen, sondern langfristig an das Unternehmen zu binden. Deshalb ist es für jedes Unternehmen und jeden HR-Verantwortlichen wichtig, im Bereich Employer Branding und E-Recruiting auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich entsprechend weiterzubilden. Wer auf veraltete Bewerbungsprozesse setzt, riskiert, dass Talente sich für agilere und innovativere Unternehmen entscheiden.

Der Einsatz von spielerischen Elementen im Recruiting bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile: Erstens stärkt es das Employer Branding, weil Unternehmen sich innovativ und modern präsentieren. Zweitens sorgt es für eine höhere Bewerberqualität, da spielerische Tests und Challenges frühzeitig zeigen, ob jemand ins Unternehmen passt – fachlich und kulturell. Drittens steigert es die Effizienz des Auswahlprozesses, weil sich Kandidaten oft selbst selektieren. Wer im Gamification-Test merkt, dass er mit den Aufgaben nicht zurechtkommt, wird sich möglicherweise gar nicht erst bewerben.

Die Vorteile im Überblick:

Effizienzsteigerung: Interaktive Formate ermöglichen eine frühzeitige Vorauswahl geeigneter Kandidatinnen. Gleichzeitig fördert der spielerische Zugang die sogenannte Selbstselektion: Bewerbende, die nicht zum Unternehmen passen, erkennen dies oft bereits im Verlauf des Prozesses und bewerben sich gar nicht erst weiter. Das spart auf beiden Seiten Zeit, reduziert administrativen Aufwand und verkürzt die Time-to-Hire.

Positives Erlebnis: Auch wenn am Ende keine Einstellung erfolgt, nehmen viele Talente die Bewerbung als wertschätzend und interessant wahr. Der Prozess selbst wird als Erfahrung verstanden – und trägt so zur Stärkung des Arbeitgeberimages bei.

Differenzierung vom Wettbewerb: In einem Arbeitsmarkt, der stark von Konkurrenz um Talente geprägt ist, hilft ein innovativer Recruiting-Ansatz dabei, sich sichtbar von anderen Arbeitgebern abzuheben. Besonders jüngere Zielgruppen bewerten die Qualität eines Bewerbungsprozesses zunehmend als Spiegel der Unternehmenskultur.

Erhöhte Passgenauigkeit: Durch gezielte Tests, realitätsnahe Aufgaben oder digitale Assessments erhalten Unternehmen ein differenziertes Bild der Bewerbenden – nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf Werte, Arbeitsweise und Teamfähigkeit. So steigt die Wahrscheinlichkeit, Mitarbeitende zu gewinnen, die langfristig gut zur Organisation passen.

Mit Recruitainment die besten Talente GEWINNEN und die Zukunft sichern

Nicht jedes Unternehmen muss sofort den gesamten Bewerbungsprozess gamifizieren. Doch die Integration einzelner interaktiver Elemente kann entscheidend sein, um sich im „War for Talents“ zu behaupten. Während große Unternehmen bereits umfangreiche Recruitainment-Programme nutzen, bietet sich für kleine und mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, gezielt in bestimmten Bereichen anzusetzen – beispielsweise durch interaktive Bewerbungstools oder spielerische Challenges in der Vorauswahl. Der Trend ist eindeutig: Recruitainment ist kein kurzfristiger Hype, sondern eine strategische Notwendigkeit, um Talente nachhaltig zu begeistern und langfristig an das Unternehmen zu binden. Und schließlich heißt es ja auch: Die besten Talente gewinnen! Warum nicht ganz spielerisch und mit Begeisterung vom ersten Kontakt an. 


Quelle: Autor

Markus Bockhorni ist Gründer und Inhaber der eMBIS-Akademie für Onlinemarketing.

In seinem Fachbuch »Erfolgreich als Online-Marketing-Manager. Auf diese Soft Skills kommt es an – heute und in Zukunft« (Springer Gabler, 2019) widmet er sich dem Thema Lebenslanges Lernen. Als Gastautor ausgewählter Fachportale veröffentlicht er regelmäßig Artikel zu den Themen Onlinemarketing, Weiterbildung und Lebenslanges Lernen.

In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

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