Pandemie verändert Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Beziehung nachhaltig

Deloitte

Strategische Planung der Zukunft der Arbeit wird dringendste Managementaufgabe

Die Pandemie hat zu grundlegenden Veränderungen in der Arbeitswelt geführt - mit nachhaltigen Auswirkungen auf die Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Beziehung. Langfristige Entwicklungen, die ohne Covid-19 mehrere Jahre gedauert hätten, traten nun komprimiert in nur wenigen Monaten ein. Dabei haben Führungskräfte erkannt, dass sie neue Wege finden müssen, wie sie neue Mitarbeitende an Bord holen, sie im Arbeitsalltag unterstützen, und grundsätzlich miteinander umgehen. Zwar verfahren die meisten Unternehmen bei ihrer Planung weiterhin nach dem Prinzip »beobachten und reagieren«. Doch wird ihr Erfolg künftig stark davon abhängen, ob sie eine klare und nachhaltige Personalstrategie verfolgen. Zu diesem Ergebnis kommt Deloitte in seinem aktuellen Sonderbericht der Human Capital Trends 2021, der vier Szenarien der künftigen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung skizziert.

Diese vier Szenarien sind maßgeblich abhängig von zwei Faktoren, die den größten Einfluss auf die Entwicklung der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung haben werden: dem Angebot an qualifizierten Arbeitskräften und dem Umfang staatlicher Unterstützung für Arbeitnehmer. Zudem untersucht der Sonderbericht, wie Führungskräfte Herausforderungen in dieser Beziehung angehen, während sie mit einer globalen Gesundheitskrise, wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialen Veränderungen konfrontiert sind. Für Joe Ucuzoglu, CEO von Deloitte USA, gibt es in dem Kontext einen klaren Trend: eine noch stärkere Ausrichtung auf Talente und auf deren Bedürfnisse. »Führungskräfte passen ihre Strategien für ihr Arbeitsumfeld und ihr Personal an, um die Rahmenbedingungen für Talente in jeder Hinsicht zu optimieren,« so Ucuzoglu. »Das hybride Arbeiten, zum Beispiel, ermöglicht Unternehmen, Mitarbeitenden einerseits die örtliche Flexibilität zu geben, die sie sich wünschen, und sie andererseits in entscheidenden Momenten zusammenzubringen. So können Unternehmen ihrer Belegschaft das jeweils Beste aus virtueller und persönlicher Arbeitsumgebung bieten.«

Bei der Entwicklung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung erwarten zwar sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende einen Wandel. Doch sind sie jeweils anderer Ansicht darüber, wie dieser Wandel aussehen wird: Unter den für den Report befragten Führungskräften geht die große Mehrheit (86%) davon aus, dass Mitarbeitende künftig mehr Unabhängigkeit und Einfluss gegenüber ihrem Arbeitgeber gewinnen werden. Hingegen erwarten 63 Prozent der Mitarbeitenden, dass ihre Beziehung zu ihrem Arbeitgeber gleichbleibt oder gar enger wird. Aktuell überdenken viele Mitarbeitende verschiedene Aspekte ihrer Arbeit: von der Frage, für wen sie tätig sein wollen, bis hin zu ihrer Erwartung an Arbeitgeber bei der Bewältigung gesellschaftlicher Probleme. Zugleich erörtern Führungskräfte, wie sich derartige Überlegungen der Mitarbeitenden mit dem Zweck ihres Unternehmens decken. Zudem prüfen sie, wie sie die Bedürfnisse von Aktionären und anderen Stakeholdern wie etwa Mitarbeitenden in Einklang bringen können. Dabei zeichnen sich vier mögliche Szenarien ab.


Arbeit nach kurzlebigen Trends

In diesem ersten Szenario ist die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern reaktiv. Dabei reagieren Unternehmen möglichst schnell auf Einflüsse wie Forderungen ihrer Mitarbeitenden, das Vorgehen von Wettbewerbern oder allgemeine Trends. Diese Einflüsse erfassen sie durch immer stärker verbreitete Umfragen und andere Maßnahmen zur Beobachtung ihrer Mitarbeitenden und des Markts. Zwei Faktoren, die diese Entwicklung begünstigen, sind zum einen der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der Unternehmen dazu zwingt, auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Zudem führen geringe staatliche Maßnahmen zu Aspekten wie sozialer Absicherung und Weiterbildung, dazu, dass Mitarbeitende umfassendere Unterstützung ihres Arbeitgebers erwarten.

Der Sonderbericht geht davon aus, dass dieses Szenario der am weitesten verbreitete Ansatz unter Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 ist und sein wird. Denn in vielen Ländern herrscht im aktuellen wirtschaftlichen Aufschwung Fachkräftemangel. Zudem haben richtungsweisende Unternehmen beschlossen, von der geplanten obligatorischen Rückkehr an den Arbeitsplatz nach dem Abebben der Covid-19-Pandemie abzurücken und stattdessen den meisten Büromitarbeitenden das Anrecht auf beispielsweise zwei Wochentage im Home-Office einzuräumen.

Für Unternehmen birgt ein direktes Folgen auf solch kurzfristige Trends mehrere Gefahren: Eine oberflächliche Bindung zu ihren Mitarbeitenden, eine Vernachlässigung von weniger sichtbaren Minderheiten oder solchen die ihre Forderungen nicht aktiv äußern, eine mangelnde Abgrenzung zu Wettbewerbern sowie eine exzessive Befragung von Mitarbeitenden mit ständigen Umfragen, die mitunter zu einer Art Überwachung inklusive Risiken für den Datenschutz führen können. Stattdessen sollten sich Arbeitgeber bei ihrer Ausrichtung auf Wünsche ihrer Mitarbeitenden auf zentrale Werte konzentrieren. Auf diesen Werten sollte eine nachhaltige Personalstrategie aufbauen, von der langfristig alle profitieren.


Wettbewerb der Talente

Im zweiten Szenario herrscht eine unpersönliche Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Aufgrund eines Überangebots an qualifizierten Arbeitssuchenden betrachten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden als leicht ersetzbar. Diese Machtposition nutzen sie aus, um die betriebswirtschaftliche Effizienz zu optimieren, anstatt in die Fortbildung der Belegschaft zu investieren. Verstärkt wird diese Dynamik durch staatliche Zurückhaltung bei Aspekten wie Kündigungsschutz oder Mindestlohn. Solch ein Umfeld fördert Trends wie die Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland, Automatisierung von Arbeit und den Einsatz sogenannter alternativer Arbeitskräfte wie Freiberufler, Selbständige, Gig-Arbeiter und Crowdworker.

Zwar sparen Unternehmen mit derartigem Vorgehen kurzfristig Personalkosten. Doch ist es möglicherweise der gefährlichste Ansatz, der mehrere Risiken birgt: Geringe Loyalität der Mitarbeitenden kann zu schneller Abwanderung führen, Eigeninitiative und Innovationen werden gebremst und der Ruf des Unternehmens kann leiden. Daher sollten Unternehmen in solch einem Umfeld auf einige Dinge achten: Bei hoher Fluktuation des Personals wird ein effizientes Onboarding umso wichtiger. Spezielle Bereiche des Arbeitsmarkts mit einem Mangel an Fachkräften sollten sie frühzeitig erkennen, um gezielt Personal anzustellen und weiterzubilden. Zudem werden auch Mitarbeitende, die leicht ersetzbar erscheinen, einen größeren Mehrwert schaffen, wenn sie motiviert, gut weitergebildet und flexibel einsetzbar sind.


Arbeit ist nicht alles

In diesem Szenario gibt es eine klare Grenze zwischen beruflichen Pflichten und persönlicher Erfüllung im Privatleben, so dass die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung professionell ist. Arbeitnehmer sind zwar bemüht, beruflich gute Leistung zu bringen. Jedoch ist das Ziel dieser Bemühungen, den Lebensunterhalt zu finanzieren und Hobbies jenseits der Arbeit ausleben zu können. Das gilt vor allem für eine Welt, in der es einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und umfangreiche staatliche Maßnahmen zu sozialer Absicherung gibt, die jeweils die Unabhängigkeit der Mitarbeitenden von ihren Arbeitgebern erhöhen.

Unternehmen, die sich in solch einem Umfeld darauf verlassen, dass ihre Mitarbeitenden einfach die nüchterne, professionelle Beziehung fortsetzen, gehen mehrere Risiken ein: Gesellschaftspolitische Zurückhaltung kann dem Ruf eines Unternehmens schaden und zu einer Entfremdung der Mitarbeitenden führen. Der Sonderbericht von Deloitte zeigt, dass es sich 61 Prozent der Führungskräfte zur Aufgabe gemacht haben, Arbeit neu zu gestalten - das sind mehr als doppelt so viele wie vor der Pandemie (29%). Eine derartige Neuausrichtung der Arbeit mit einem Fokus auf menschliche Fähigkeiten und den tieferen Sinn der Arbeit kann dazu beitragen, dass Mitarbeitende ein Zugehörigkeitsgefühl und zusätzliche Motivation entwickeln.


Purpose überall

Wenn Purpose, also der höhere Unternehmenszweck, die treibende Kraft im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist, dann ist deren Beziehung gemeinschaftlich. Das heißt, der gemeinsame Antrieb, dem erklärten Purpose nachzugehen, ist entscheidend für die Fähigkeit des Unternehmens, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und sie zu hoher Leistungsbereitschaft zu motivieren. Ein hohes Angebot an qualifizierten Arbeitskräften erleichtert es Unternehmen, Mitarbeitende zu finden, die an den Unternehmenszweck glauben. Zusätzlich ermöglicht weitreichende staatliche Unterstützung von Arbeitnehmern es Unternehmen, sich auf einen bestimmten Purpose zu konzentrieren.

Vieles spricht für eine wachsende Bedeutung von Purpose. So sagen 44 Prozent der Millennials und 49 Prozent der Vertreter der Gen Z, die heute also jünger als 26 Jahre sind, dass Entscheidungen zur Wahl ihres Arbeitgebers und ihres Jobs in den vergangenen zwei Jahren auf ethischen Überlegungen beruhten. Zudem erwartet eine Mehrheit der befragten Führungskräfte (86%), dass Mitarbeitende in den nächsten fünf Jahren zunehmend Wert darauf legen werden, dass ihr Arbeitgeber eine sinnvolle Aufgabe verfolgt, und sie die Möglichkeit haben, an der Erfüllung dieser Aufgabe mitzuwirken.

Doch ist auch dieser Ansatz nicht frei von Risiken. Starke Aussagen zum Unternehmenszweck können als reine PR-Maßnahmen interpretiert werden oder zu hohe Erwartungen bei Mitarbeitenden und Kunden wecken. Zudem können politische Stellungnahmen andersdenkende Mitarbeiter entfremden. Daher sollten Unternehmen darauf achten, dass sie Ankündigungen zu ihrem Purpose langfristig im Blick behalten, mit klaren Aktionen unterfüttern und diese deutlich kommunizieren. Bei all dem sollten Mitarbeitende weitreichende Mitspracherechte erhalten.

»Die Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verändert sich ständig und steht aktuell an einem Wendepunkt«, sagte Maren Hauptmann, Partnerin und Human Capital Leader im Consulting bei Deloitte Deutschland, anlässlich der Veröffentlichung des Sonderberichts. »In den letzten Monaten haben weite Teile der Workforce mehr Freiheitsgerade und mehr Macht dazugewonnen. Führungskräfte müssen jetzt über intuitive Antworten hinausdenken und überzeugende, differenzierte Strategien entwickeln. Ganz besonders im Fokus steht dabei die Schaffung teambasierter, hybrider Arbeitsmodelle.«

 


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