
Zeitrechte im Betrieb: Zwischen Entlastung und neuen Herausforderungen
In deutschen Unternehmen nehmen Beschäftigte zunehmend Auszeiten – etwa für die Kinderbetreuung oder zur Reduzierung der Arbeitszeit. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.
Im Rahmen des Projekts »ZOBAO« (»Mehr Rechte für die einen, mehr Druck für die anderen? Lebensphasenbezogene Zeitoptionen und ihre Auswirkungen auf die betriebsinterne Arbeitsorganisation«) befragten Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Angelika Kümmerling und Timothy Rinke zwischen September 2023 und Februar 2024 über 1.000 Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten.
Elternzeit am häufigsten genutzt
Die Ergebnisse verdeutlichen: Am häufigsten greifen Beschäftigte zur Elternzeit – 36 Prozent der Betriebe berichten von entsprechenden Anträgen.
Tarifliche Wahloptionen wie die Umwandlung von Gehalt in mehr Urlaub oder eine Arbeitszeitverkürzung werden in 20 Prozent der Betriebe genutzt. Pflegezeiten und das Pflegeunterstützungsgeld spielen dagegen mit 1,7 beziehungsweise 0,8 Prozent kaum eine Rolle.
Bemerkenswert ist zudem, dass über 40 Prozent der Unternehmen Anfragen nach temporärer Arbeitszeitreduzierung auch informell regeln.
Betriebe stehen vor organisatorischen Herausforderungen
Die Vielzahl an Zeitrechten mit unterschiedlichen Ankündigungsfristen und Regelungen stellt die Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen.
Besonders gefragt sind interne Vertretungen (57 Prozent), Mehrarbeit (50 Prozent) und flexible Arbeitszeitmodelle (38 Prozent), um Arbeitsausfälle zu kompensieren. Diese Maßnahmen gelten laut den Befragten als besonders effektiv.
Betriebsgröße und Tarifbindung beeinflussen Kompensationsstrategien
Die Wahl der Kompensationsmaßnahmen hängt stark von Faktoren wie Betriebsgröße, Branche, Tarifbindung, Mitbestimmung, Altersstruktur und Frauenanteil ab.
Laut den Studienautor*innen wird in tarifgebundenen Betrieben der Arbeitszeitausfall seltener durch eine höhere Arbeitsintensität der übrigen Beschäftigten ausgeglichen. Entscheidend sei zudem, wie viele Personalressourcen im betroffenen Bereich zur Verfügung stehen. Nur mit ausreichend Personal könnten interne Vertretungen organisiert werden, ohne dass die Belastung für die Belegschaft insgesamt steige.
Zeitrechte allein reichen nicht aus
Nach Einschätzung der Wissenschaftler*innen können Zeitrechte zwar Zeitkonflikte für Beschäftigte mit Sorgeaufgaben abmildern. Um jedoch den steigenden Zeitanforderungen durch den demografischen Wandel langfristig zu begegnen, brauche es weitergehende, innovative Konzepte.
Gefordert seien flexible Arbeitszeitmodelle, die sich dynamisch an Lebensphasen und individuelle Situationen anpassen und für alle Geschlechter offenstehen.
Bibliographie
Kümmerling, Angelika / Rinke, Timothy, 2025: Zeitrechte von Beschäftigten und ihre betriebliche Umsetzung. Ergebnisse einer quantitativen Betriebsbefragung. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-05
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