Mobbing und körperliche Gewalt: Schulen kämpfen mit wachsender Aggression
Gliederung
DGUV fordert Maßnahmen gegen wachsende Gewalt in Deutschlands Schulen
Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zeigt, dass viele Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen von einer verstärkten Wahrnehmung von Mobbing und Gewalt unter Schülerinnen und Schülern berichten.
Rund 56 Prozent der befragten Lehrkräfte gaben an, eine Zunahme psychischer Gewalt beobachtet zu haben. Diese äußert sich in Form von Beleidigungen, Ausgrenzung und Mobbing. Weitere 44% der Lehrkräfte berichten von einer Zunahme körperlicher Gewalt an ihren Schulen.
Diese Beobachtungen korrelieren mit einem Anstieg der gewaltbedingten Schülerunfälle, die laut Schülerunfallstatistik der DGUV im Jahr 2023 mit 64.897 Fällen im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen haben. Die Zunahme von Gewalt und Mobbing wird von vielen Lehrkräften mit den Nachwirkungen der Pandemie in Verbindung gebracht, da Schülerinnen und Schüler vermehrt Verhaltensauffälligkeiten zeigen.
Ursachen und Folgen
Die Ursachen für die Zunahme von Mobbing und Gewalt an Schulen sind nach Ansicht der Lehrkräfte vielfältig. Die langen Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie haben zu einem Verlust an sozialem Lernen geführt.
Schülerinnen und Schüler haben nach der Pandemie Schwierigkeiten, sich in Gruppen zu integrieren und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Psychische Probleme, die durch die Isolation entstanden sind, äußern sich häufig in aggressivem Verhalten.
Die Folgen sind gravierend: Neben steigenden Unfallzahlen wirkt sich die Gewalt negativ auf das Schulklima und die Lernbedingungen aus. Die DGUV betont, dass Schulen als soziale Lernorte nicht nur Orte der Wissensvermittlung, sondern auch der Persönlichkeitsentwicklung sind. Gewalt gefährdet diese zentrale Aufgabe.
Forderungen der DGUV
Angesichts der alarmierenden Zahlen fordert die DGUV eine verstärkte Präventionsarbeit an Schulen. Programme, die soziale Kompetenzen und Konfliktlösungsstrategien vermitteln, müssten intensiver gefördert und in den Schulalltag integriert werden.
Die DGUV spricht sich zudem für eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen, Eltern und externen Fachkräften wie Schulpsycholog*innen und Sozialarbeiter*innen aus, um gemeinsam gegen Mobbing und Gewalt vorzugehen.
Ein weiterer Fokus sollte auf der Verbesserung der räumlichen und personellen Ausstattung der Schulen liegen, um präventive Maßnahmen effektiv umsetzen zu können. Zudem müsse das Thema Gewaltprävention fest im Lehrplan verankert werden, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Perspektiven für die Zukunft
Um eine Trendwende zu erreichen, muss frühzeitig angesetzt werden. Die DGUV plädiert dafür, bereits in der Grundschule Maßnahmen zur Förderung sozialer Kompetenzen zu intensivieren, um Gewalteskalationen im späteren Schulverlauf vorzubeugen.
Langfristig sollte der Fokus auf einer gewaltfreien Schulkultur liegen, die sich durch ein respektvolles Miteinander, transparente Regeln und eine konsequente Konfliktbearbeitung auszeichnet. Hier sieht die DGUV nicht nur die Schulen, sondern auch die Bildungspolitik in der Verantwortung, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
DIE ERGEBNISSE DER DGUV-UMFRAGE IM DETAIL
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat eine repräsentative Befragung von 1.031 Lehrkräften zum Thema Gewalt unter Schülerinnen und Schülern sowie zu bestehenden Präventionsmaßnahmen durchgeführt.
Die Ergebnisse des »DGUV Barometer Bildungswelt« zeigen ein besorgniserregendes Bild:
Zunahme von Gewalt
Vier von zehn Lehrkräften geben an, im vergangenen Schuljahr wöchentlich mit psychischer Gewalt unter Schülerinnen und Schülern konfrontiert gewesen zu sein. Diese äußert sich vor allem in Beschimpfungen, Beleidigungen und Mobbing, wobei letzteres von rund einem Drittel der Befragten häufig wahrgenommen wurde.
Cybermobbing über soziale Medien wurde von 23% der Lehrkräfte genannt. Auch körperliche Gewalt ist nach wie vor ein Problem: Ein Drittel der Lehrkräfte berichtet von häufigem Schlagen und Treten, 18 % von Haareziehen und Kneifen und 8 % beobachten häufig den Einsatz von Gegenständen bei Angriffen.
Ursachen von Gewalt
Die befragten Lehrkräfte vermuten vor allem persönliche Faktoren wie Impulsivität, mangelndes Einfühlungsvermögen und geringe Frustrationstoleranz als Hauptursachen für Gewalt (93%). Auch familiäre Hintergründe wie Gewalt im Elternhaus oder eine geringe Bindung an die Eltern werden von 78% der Befragten als Ursache genannt.
Faktoren im schulischen Umfeld, wie z.B. Kriminalität in der Nachbarschaft, spielen mit 27% eine geringere Rolle. Erschreckend ist, dass 56% der Lehrkräfte eine Zunahme der psychischen Gewalt nach der Pandemie wahrnehmen, 44% sehen eine Zunahme der körperlichen Gewalt.
Präventionsmaßnahmen an Schulen
Die Befragung zeigt, dass in 84% der Schulen Gewaltprävention Teil des Schulprogramms ist. An vielen Schulen gibt es zudem multiprofessionelle Teams aus Schulpsycholog*innen und Sozialarbeiter*innen arbeiten (73%).
Rund 64 Prozent der Schulen verfügen über einen Schulkodex und mehr als 40 Prozent kooperieren mit der Polizei oder externen Partnern. Allerdings wird Gewalt nur in einem Viertel der Schulen systematisch erfasst und nur 41% haben ein festes Nachsorgekonzept wie Streitschlichtung oder ein festgelegtes Verfahren bei Gewaltvorfällen.
Verbesserungsbedarf
Mehr als ein Drittel der Lehrkräfte fordert eine konsequentere Haltung des Kollegiums und der Schulleitung im Umgang mit Gewalt. Zudem wird eine bessere Ausstattung mit Schulsozialarbeitern als dringend notwendig erachtet, um Gewalt effektiv vorzubeugen.