Unternehmen mit Frauen im Topmanagement sind an der Börse überdurchschnittlich erfolgreich

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Divers geführte Unternehmen schneiden am Aktienmarkt besser ab als der Durchschnitt aller 30 Firmen im DAX  *  Internationale Investoren fördern Vielfalt im Management von Unternehmen stärker als deutsche Investoren  *  Heterogenes Topmanagement geht einher mit offener Unternehmenskultur und Innovationskraft 

Vielfalt in der Führung schlägt sich nieder im Erfolg von Unternehmen. Das legt die neue Studie Boarding Call: Wie Unternehmen mit Vielfalt den Sprung nach oben schaffen – BCG Gender Diversity Index Germany 2019 nahe, für die die Boston Consulting Group (BCG) mit der Technischen Universität München (TUM) und der Deutschen Börse kooperiert hat. Demnach schneiden unter den 100 größten, börsennotierten Unternehmen die fortschrittlichsten 30 in Sachen Geschlechtervielfalt am Aktienmarkt um mehr als zwei Prozentpunkte erfolgreicher ab als der DAX. Zudem weisen die Aktien der 30 vielfältigsten Unternehmen eine geringere Volatilität als der DAX auf, also eine geringere Schwankungsbreite der Aktienpreise.

»Wir haben in mehreren Untersuchungen den Zusammenhang zwischen vielfältigem Topmanagement und der Innovationskraft von Unternehmen nachgewiesen. Nun sehen wir das Ergebnis auch am Aktienmarkt: eine bessere Performance«, sagt Rocío Lorenzo, BCG-Partnerin und Koautorin der Studie. »Es schadet dem Geschäft, dass viele Unternehmen noch immer die Zielgröße Null für Frauen im Vorstand angeben.« BCG und Deutsche Börse simulierten die Entwicklung eines Portfolios aus 30 DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen mit der höchsten Punktzahl für Gender Diversity. Ein solches Portfolio, das sich durch eine ausgewogene Gewichtung kleiner und mittelständischer Unternehmen entsprechend ihres Gender Diversity-Wertes auszeichnet, hat sich seit 2017 um etwa zwei Prozentpunkte besser und mit etwas geringerer Volatilität entwickelt als der DAX. »Unsere Analyse legt nahe, dass sich Frauen im Topmanagement positiv auf die Performance eines Unternehmens am Kapitalmarkt auswirken können. Ob sie der entscheidende Faktor dafür sind, wird eine langfristige Analyse zeigen«, sagt Hauke Stars, Vorstandsmitglied der Deutschen Börse.

Für den BCG Gender Diversity Index werden jährlich die 100 größten börsennotierten Konzerne Deutschlands analysiert. Dabei steht sowohl die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat im Mittelpunkt als auch die Vergütung der Mitglieder in beiden Gremien. Auf Basis dieser Daten hat die Deutsche Börse ein vorläufiges Indexkonzept zum Thema Diversity entwickelt. Im Zeitraum von März 2017 bis November 2019 wurde die Performance der besten 30 Unternehmen des BCG Gender Diversity Index am Aktienmarkt mit der des DAX-Index verglichen.

»Gender Lens Investing«-Produkte bei internationalen Investoren gefragt

Geschlechtervielfalt in Unternehmen erhält entsprechend Rückenwind vom Kapitalmarkt – zumindest jenseits der deutschen Grenzen. »Immer mehr Investoren achten auf Geschlechtervielfalt in den Unternehmen, in die sie investieren. Und das nicht nur aus Gründen der Fairness, sondern weil sie die wirtschaftliche Notwendigkeit erkannt haben«, erläutert Nicole Voigt, BCG-Partnerin und Koautorin der Studie. So genannte »Gender Lens Investing-Produkte« (GLI) gewinnen an Bedeutung. Es handelt sich dabei um Anlagen, die sich auf Gleichberechtigung fokussieren – sei es in Organisationen mit einem überdurchschnittlichen Frauenanteil in Führungspositionen oder mit einem Produktangebot, das die Gleichstellung fördert. Innerhalb von vier Jahren ist das verwaltete Vermögen von GLI-Produkten weltweit von 100 Millionen US Dollar im Jahr 2014 auf 2,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 gewachsen. Seit Mitte 2018 wurden mindestens zwei Dutzend neue GLI-Anlageprodukte auf den Markt gebracht.

In Deutschland ist diese Art des Investments jedoch noch weitestgehend unbekannt. Bislang gibt es kein einziges Investmentvehikel mit Schwerpunkt auf Deutschland. »Deutsche Unternehmen und Investoren laufen Gefahr, einen Trend zu verpassen und die wirtschaftliche Bedeutung von Geschlechtervielfalt zu unterschätzen«, sagt Nicole Voigt. So hat die Investmentbank Goldman Sachs kürzlich erklärt, keine Firma mehr an die Börse zu bringen, die nicht mindestens ein weibliches Führungsmitglied im Unternehmen hat. Investoren wie BlackRock oder State Street Global Advisors haben angekündigt, Führungsgremien mit rein männlicher Besetzung mit ihren Stimmrechten zu blockieren.

Diversität fördert innovative Unternehmenskultur

Die neue Studie zeigt zudem, dass ein diverses Topmanagement sich nicht nur wirtschaftlich auszahlt, sondern auch nach innen wirkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Arbeitnehmer verschiedenen Geschlechts, unterschiedlicher Herkunft und sexueller Zugehörigkeit in Unternehmen mit vielfältigen Vorständen und Aufsichtsräten gehört fühlen, ist um 24 Prozentpunkte höher als bei Arbeitgebern ohne diverses Topmanagement (93 Prozent gegenüber 69 Prozent). Im gleichen Maße fühlen sie sich durch gemischte Führungsriegen ermutigt, sie selbst zu sein (91 Prozent gegenüber 67 Prozent). »Unternehmen, die Chancengleichheit ernst nehmen und Diskriminierung ausschließen, inspirieren und motivieren ihre Beschäftigten dazu, sich mit all ihren Fähigkeiten einzubringen«, sagt Isabell Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und Koautorin der Studie. »Ein weiterer Aspekt, der belegt: Diversität an der Spitze lohnt sich für ein Unternehmen auf breiter Ebene«, resümiert Rocío Lorenzo.

Hintergrund
Für die Studie Boarding Call: Wie Unternehmen mit Vielfalt den Sprung nach oben schaffen – BCG Gender Diversity Index Germany 2019 haben die Boston Consulting Group (BCG) und die Technische Universität München (TUM) die 100 größten deutschen Unternehmen untersucht, die in einem der Prime-Indizes (DAX, MDAX, SDAX) gelistet sind und die benötigten Daten zur Berechnung des Index veröffentlichen (sortiert nach Marktkapitalisierung zum Stichtag 1. September 2019). Der entwickelte Index setzt sich zusammen aus dem Anteil an Männern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens zum Stichtag sowie der Verteilung der Vergütung in den beiden Gremien nach Ausweis des letzten voll-ständigen Jahresberichts. Diese vier Faktoren gehen jeweils zu einem Viertel in die Gesamtbewertung ein.

 

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