
Der Weg von Frauen in die Führungspositionen des Wissenschaftsbetriebs gestaltet sich nach wie vor steinig. Weniger als jede vierte Professur in Deutschland ist heute mit einer Frau besetzt. »Gleichstellung als klare, rechtlich verbindliche und indiskutable Zielvorgabe der Hochschulen scheint nicht überall angekommen zu sein«, kritisiert Prof. Dr. Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) und Projektleiterin der Studie.
In einem qualitativen Forschungsprojekt, gefördert vom NRW-Wissenschaftsministerium, haben Klammer und ihr Team* vom Institut für Soziologie untersucht, was Professor*innen über Genderfragen wissen und wie sie Gleichstellung in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung umsetzen. Wie die Auswertung der an vier NRW-Hochschulen geführten Interviews zeigt, wird Frauenförderung von Professor*innen beiderlei Geschlechts grundsätzlich befürwortet oder zumindest akzeptiert. Viele sehen allerdings einen Zielkonflikt zwischen der Norm der Bestenauswahl/Exzellenz und der Vorgabe gleicher Repräsentanz von Frauen und Männern.
Gleichstellung geht nach Einschätzung des Forschungsteams weit über das »Köpfeverhältnis« hinaus, da diskriminierende Strukturen auch in der Art und Ausstattung bestimmter Positionen, im Zugang zu Einfluss, Ressourcen und Deutungsmacht liegen könnten. »Wissenschaft wird von beiden Geschlechtern zunehmend als eine ‘Kampfarena‘ ständiger Bewährungsproben erlebt, wobei Strukturen und Bewertungskriterien zumeist nicht hinterfragt werden«, so Klammer. Impulse aus der Gleichstellungsforschung könnten hier genutzt werden, das Hochschulsystem insgesamt weiterzuentwickeln, etwa in Fragen, wie mehr Beschäftigungssicherheit für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschaffen werden kann.
Handlungsbedarf sehen die Forscherinnen u.a. darin, mehr zeitlichen oder ökonomischen Ausgleich für überdurchschnittliches Engagement in der Gremienarbeit zu schaffen. Wenn Frauen zu 40 Prozent in Berufungskommissionen und anderen Gremien vertreten sein sollen, gehe das auf Kosten ihrer Arbeit an Projekten und Publikationen, die für die wissenschaftliche Reputation und Karrierechancen maßgeblich sind.
Überrascht hat ein Ergebnis der Studie, nämlich, dass die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG (FoGs) sogar bei denjenigen überwiegend nicht bekannt waren, die bereits DFG-Forschungsprojekte geleitet haben.
Die Autorinnen der Studie finden daher: Gender- und Gleichstellungswissen müsse weiter gefördert werden. Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollten verstärkt auch als Thema für Männer adressiert und Väter und Pflegende bewusst stärker einbezogen werden.
* Zum Team gehörten Lara Altenstädter, Ralitsa Petrova-Stoyanov und Eva Wegrzyn.
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