
Ein Viertel der Eingewanderten in Deutschland erwägt Auswanderung – Fachkräfte drohen zu gehen
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt: 26 Prozent der nach Deutschland eingewanderten Personen, hochgerechnet rund 2,6 Millionen Menschen, denken über einen Wegzug aus Deutschland nach.
Davon haben bereits drei Prozent beziehungsweise 300.000 Personen konkrete Auswanderungspläne.
Hauptgründe für Auswanderungsüberlegungen
Die Hauptmotive für die Auswanderungsüberlegungen sind politische Unzufriedenheit, persönliche Gründe, steuerliche Belastungen und Bürokratie. Diese Gründe werden sowohl von Arbeitsmigrant*innen als auch von Bildungs- und Familienzuwandernden genannt. Geflüchtete berichten zudem von Diskriminierungserfahrungen als zusätzlichem Beweggrund.
Besonders soziale Faktoren stehen bei denjenigen im Vordergrund, die in ihr Herkunftsland zurückkehren möchten: Die Nähe zu Partner*innen, Familienangehörigen und Freunden ist für sie entscheidend. Wer eine Weiterwanderung in ein anderes Land plant, nennt berufliche Motive und die wirtschaftliche Lage im Zielland als wichtigste Gründe.
Abwanderungsbereitschaft variiert nach Branche
Besonders hoch ist die Abwanderungsbereitschaft in Branchen wie Information und Kommunikation, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie unternehmensnahe Dienstleistungen. Hier denken 30 bis 39 Prozent der Befragten über eine Ausreise nach. Auch in anderen Engpassbranchen wie Gesundheits- und Sozialwesen, verarbeitendem Gewerbe, Handel, Verkehr und Lagerei sind mit 24 bis 28 Prozent relevante Abwanderungstendenzen festzustellen.
Auffällig: Gerade besser gebildete, wirtschaftlich erfolgreiche und sprachlich gut integrierte Migrant*innen äußern überdurchschnittlich häufig Auswanderungsabsichten – also genau jene, die für die Fachkräftesicherung in Deutschland besonders wichtig wären.
Zielländer und Rückkehrpotenzial
Die meisten, die in ihr Herkunftsland zurückkehren möchten, ziehen Länder in Europa und insbesondere in der Europäischen Union ins Auge. Polen und Rumänien werden am häufigsten genannt, gefolgt von Nicht-EU-Staaten wie der Türkei und der Ukraine. Bei einer Weiterwanderung in ein anderes Land stehen die Schweiz, die USA und Spanien im Fokus.
Rund 21 Prozent der Personen mit Auswanderungsplänen wünschen sich auch eine langfristige Rückkehr nach Deutschland. Ein Drittel schließt dies aus, die Hälfte bleibt unentschlossen. Das deutet auf ein beträchtliches Rückkehrpotenzial hin.
Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft
Katia Gallegos-Torres vom IAB betont, dass Auswanderungsabsichten nicht zufällig entstehen, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels individueller Motive, persönlicher Merkmale und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen sind.
Die Leiterin des IAB-Forschungsbereichs »Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung«, Yuliya Kosyakova, fordert, dass Migrationspolitik nicht nur auf Zuzug setzen, sondern auch Bleibeperspektiven schaffen müsse. Dazu gehören laut Studie der Abbau struktureller Hürden, schnellere und transparentere Verwaltungsprozesse sowie gezielte Förderung sozialer Integration und gesellschaftlicher Offenheit.
Hintergrund
Die Studie basiert auf der ersten Welle des International Mobility Panel of Migrants in Germany (IMPa), einer repräsentativen Online-Befragung von rund 50.000 im Ausland geborenen und nach Deutschland eingewanderten Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren, durchgeführt von Dezember 2024 bis April 2025.
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