Forscher treten für Corona-Elterngeld ein, um erwerbstätige Eltern zu entlasten

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Die von Bund und Ländern gestern angekündigten Lockerungen der Corona-Maßnahmen sind zwar unter epidemiologischen und politischen Gesichtspunkten sinnvoll und weitsichtig, stellen aber berufstätige Eltern vor große Probleme. Die Wiederöffnung von Schulen soll frühestens Anfang Mai erfolgen und dann auch nur schrittweise. Für Kitas gibt es noch keine Perspektive. Zwölf DIW-Ökonom*innen aus den Abteilungen Bildung und Familie, Staat, Gender Economics und SOEP fordern jetzt, auch die Probleme der erwerbstätigen Eltern entschieden anzugehen und sie mit einem Corona-Elterngeld zu entlasten.

Die zeitlich nicht eingegrenzte Verlängerung der Schul- und Kitaschließungen bietet erwerbstätigen Eltern mit jüngeren Kindern keine Perspektive auf eine baldige Entlastung in ihrer häufig schwierigen Situation. Betroffen sind in etwa 4,2 Millionen Familien mit Kindern bis zu zwölf Jahren, bei denen beide oder alleinerziehende Elternteile erwerbstätig sind. Für viele dieser Familien ist das täglich genutzte System zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Corona-Maßnahmen ausgefallen. Insbesondere für Eltern von Kita-Kindern ist keine Verbesserung der Lage in Sicht. Es steht außer Frage, dass die Gesundheit aller zentral ist. Aber bei der Priorisierung von gesundheitspolitischen Zielen entstehen Zielkonflikte zu bildungs-, arbeitsmarkt- und vereinbarkeitspolitischen Zielen, die jetzt ebenso politisch mitgestaltet werden müssen.

Es muss anerkannt werden, dass nicht alle erwerbstätigen Alleinerziehenden und Familien mit zwei beschäftigten Elternteilen über Monate ihre Erwerbstätigkeit in gewohntem Umfang aufrechterhalten können, wenn sie »nebenbei« Kinder betreuen und Home-Schooling organisieren müssen. Ist gesundheitspolitisch keine Öffnung der Kitas absehbar, sollten erwerbstätige Eltern nicht nur von ihren Arbeitgebern, sondern auch von staatlicher Seite unterstützt werden. Denkbar wäre eine Corona-Elternzeit und ein Corona-Elterngeld, das heißt, sie haben einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeitreduzierung mit entsprechendem Kündigungsschutz und erhalten gegebenenfalls eine Einkommensersatzleistung. Bei einer solchen Maßnahme könnten Alleinerziehende sowie Familien, in denen beide Eltern gemeinsam mehr als 40 Stunden arbeiten, jeweils eine Reduzierung der individuellen Arbeitszeit zur Kinderbetreuung beim Arbeitgeber beantragen und dafür einen staatlichen Einkommensersatz erhalten. Um Geschlechterunterschiede bei der Erwerbs- und Sorgearbeit nicht zu verschärfen, könnte die Leistung bei Paaren an die Bedingung geknüpft werden, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren.

Da Kitas und Schulen neben der Betreuungsfunktion essentielle Bildungsaufgaben übernehmen, sollten parallel Konzepte erarbeitet werden, die eine Teil-Öffnung der Kitas bei maximaler Infektionsvorbeugung ermöglichen. Wünschenswert wäre etwa die tageweise Betreuung in kleinen Gruppen von Kindern. Da Kitas ein zentraler Ort frühkindlicher Bildung sind, sollte der dosierte und schrittweise Besuch der Kita nicht an die Erwerbstätigkeit der Eltern gekoppelt sein. Dazu sollten die Jugend- und Familienministerkonferenz mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbänden Vorschläge erarbeiten.

Es ist jetzt unerlässlich, Eltern und Kindern in der derzeitigen Situation eine Perspektive zu geben. Andernfalls wird riskiert, dass Eltern sich aufgrund fehlender Betreuungs- und Bildungsmöglichkeiten und einer beruflichen Überlastung anderweitige Betreuungs- und Interaktionsumgebungen für das Kind suchen. In solch selbstorganisierten Alternativen (zum Beispiel wechselnde Spielgruppen) wären Infektionen schlechter nachzuverfolgen und eventuell Risikogruppen wie Großeltern eingebunden. Eine Arbeitszeitreduzierung von Eltern kombiniert mit einem Einkommensausgleich – sowie eine schrittweise Kita-Öffnung - ermöglicht dagegen Betreuung und Bildung des Kindes und gleichzeitig den Erhalt der Erwerbstätigkeit. Die geordnete Betreuung in Kleingruppen in der gewohnten Kita-Umgebung gewährleistet zumindest minimalen Zugang zu dieser frühkindlichen Bildungseinrichtung für Kita-Kinder. Zur besseren Steuerung einer schrittweisen, partiellen Wiederaufnahme des Bildungs- und Betreuungsangebots wären digitale Instrumente denkbar, die sowohl den tatsächlichen Betreuungsaufwand als auch mögliche Infektionsketten nachvollziehbar machen.

»Es ist jetzt unerlässlich, Eltern und Kindern in der derzeitigen Situation eine Perspektive zu geben.«

Die Unterzeichnenden des Aufrufs für ein Corona-Elterngeld:
Mara Barschkett, Alexandra Fedorets, Ludovica Gambaro, Mathias Hübener, Jonas Jessen, Josefine Koebe, Kai-Uwe Müller, Claire Samtleben, Julia Schmieder, Rainer Siegers, C. Katharina Spieß und Katharina Wrohlich

 

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