Wie sehr lenkt das Smartphone ab?

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)
Uni Ulm

Zusammenhang zwischen Handy-Nutzung und Produktivität am Arbeitsplatz untersucht 

Bei der Arbeit nebenbei einen Facebook-Kommentar absetzen, abends auf der Couch noch schnell E-Mails checken und sich morgens vom Smartphone mit der aktuellen Wetterübersicht wecken lassen. Das Mobiltelefon ist inzwischen immer und überall dabei und hat unser Leben grundlegend verändert. Welche Auswirkungen die Smartphone-Nutzung auf die gesamte Produktivität während eines Arbeitstages hat, hat nun der Psychologe Prof. Christian Montag von der Universität Ulm untersucht.

Prof. Christian Montag, der Leiter der Abteilung Molekulare Psychologie des Instituts für Psychologie und Pädagogik, hat zusammen mit Éilish Duke von der University of London herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen häufiger Ablenkung durch das Smartphone und einer verminderten Produktivität und Effizienz bei der Arbeit besteht. Für die Untersuchung, die in der Fachzeitschrift »Addictive Behaviors Reports« erschienen ist, haben die Autoren die Smartphone-Nutzung von 262 Studienteilnehmern, darunter 168 Frauen und 94 Männer, mittels eines Fragebogens erhoben, den die Teilnehmer selbst ausfüllen mussten. Die Auswahl-Kriterien für die Befragten waren: erwerbstätig und Besitzer eines Smartphones.

Affinität zum Smartphone lässt Produktivität sinken

Für ihre Studie kombinierten Montag und Duke Fragen zweier unterschiedlicher Fragebögen zur Smartphone-Abhängigkeit und zur Beeinträchtigung der Arbeitsproduktivität und -aktivität (»Smartphone Addiction Scale« und »Work Productivity and Activity Impairment Questionaire«). Anhand der neuen Fragenkombination konnten die Wissenschaftler feststellten, dass bei »abhängigkeitsgefährdeten« Studienteilnehmern auch negative Auswirkungen auf die gesamte Tagesleistung nachzuweisen waren. »Wie erwartet haben wir festgestellt, dass Personen, die eine höhere Affinität zur Smartphone-Übernutzung berichten, weniger produktiv sind«, beschreibt Montag den Zusammenhang der verschiedenen Variablen. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, waren die täglichen Unterbrechungen beziehungsweise die verlorenen Arbeitsstunden durch das Gerät entscheidend. Die längste Periode ohne Arbeitsunterbrechung durch das Handy lag laut der aktuellen Studie im Durchschnitt bei fast zweieinhalb Stunden.

Auch in der Freizeit ein treuer Begleiter

Dass das Smartphone auch in der Freizeit intensiv genutzt wird, konnte die Studie ebenfalls nachweisen. Rund 13 Stunden in der Woche, so die Angaben der Befragten, würden sie das Smartphone für Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel für Spiele, nutzen. Die Wissenschaftler gehen aber, wie von Professor Christian Montag bereits in einer früheren Studie festgestellt worden ist, von einer weitaus höheren Nutzungsdauer aus. Rund 160 Minuten Handy-Nutzung am Tag summieren sich nach dieser Untersuchung auf rund 19 Stunden wöchentlich. Der Grund: viele User würden aufgrund der Routine und des Automatismus die Zeit, die sie tatsächlich am Smartphone verbringen, einfach unterschätzen.

Warum aber nun wenden sich Menschen auch während der Arbeit so oft ihrem Smartphone zu und nehmen mangelnde Konzentration und damit eine niedrige Produktivität in Kauf? Die jetzt veröffentlichte Untersuchung von Montag und Duke legt den Schluss nahe, dass Nutzer nicht nur zum Smartphone greifen, wenn sie sich unwohl fühlen oder sich nicht in der Lage sehen, effizient zu arbeiten. Sondern sie versuchen so auch möglicherweise Stress und Überforderung zu kompensieren. »In diese Richtung sind weitere Untersuchungen nötig. Erst dann können wir sagen, warum der Mensch in manchen beruflichen Situationen überhaupt zum Smartphone greift – sei es, ob er via WhatsApp Unterstützung von Freunden sucht oder mit Videos und Spielen komplett der Realität entfliehen möchte«, schlussfolgert Christian Montag.

 

 

Smartphones im Schulalltag – Fluch oder Segen?
Effekte von Smartphone-Verboten: Besseres Schulklima und Medienkompetenz im Fokus Smartphones sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie dienen der Kommunikation, der Unterhaltung und der Informationsbeschaffung...
Wenn Smartphones ans Lernen erinnern
Erinnerungen per Smartphone: Fluch oder Segen für das Lernen? Forschende des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation haben untersucht, ob Erinnerungen per Smartphone Schüler*innen wirklich helfen, regelmäßig zu lernen...
Noch nie verbrachten Deutsche so viel Zeit am Smartphone
Sehnsucht nach Digital Detox - und der schwierige Weg dorthin Deloitte hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der die aktuelle Smartphone-Nutzung in Deutschland im Jahr 2024 beleuchtet wird. Im Fokus stehen die stetig wachsende Bildschirmzeit...

 

 

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • BA-Etat 2025: Milliardenbudget für Weiterbildung und moderne IT-Lösungen

    Bundesagentur für Arbeit setzt auf Weiterbildung und Digitalisierung Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat den Haushalt für das Jahr 2025 beschlossen und plant trotz konjunktureller Belastungen umfangreiche Investitionen in die Fachkräftesicherung...

  • HubbS – Ein digitaler Hub zur Stärkung beruflicher Schulen

    Am 5. November 2024 ging HubbS, eine innovative Plattform für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen in Deutschland, online. Sie bietet ein umfassendes Informations- und Interaktionsangebot, das den Austausch, die Weiterentwicklung und die...

  • BIBB: Fachkräfterückgang gefährdet Wachstum und Wohlstand

    Demografischer Wandel bedroht Deutschlands wirtschaftliche Zukunft Die demografische Entwicklung in Deutschland führt zu einem Fachkräftemangel, der das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand des Landes gefährdet. Zu diesem Ergebnis kommt die achte...

  • Zukunft der Berufsbildungszentren des Handwerks

    Die Berufsbildungszentren des Handwerks spielen nach Ansicht der Bundesregierung eine zentrale Rolle in der beruflichen Bildung. In einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion betonte die Regierung, dass das Handwerk eine wichtige Funktion...

  • DGB: Fachkräftesicherung? Nur mit guten Arbeitsbedingungen!

    Fachkräftemangel und Arbeitsbedingungen: Der DGB-Index Gute Arbeit 2024 Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Stärkung des Fachkräftepotenzials als vordringliche Aufgabe an. Dabei...

.