Tagungsbericht: Gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie

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BMBF 260

Forschung für Integration, Teilhabe und Erneuerung

Welche langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie im Hinblick auf soziale Integration, soziale Ungleichheit, gesellschaftliche und politische Partizipation? Welche Lehren aus der Pandemie lassen sich bisher im Hinblick auf künftige Krisen ziehen?

Um diese beiden Fragen zu diskutieren, kamen 62 Fachexpert*innen verschiedener sozial- und geisteswissenschaftlicher Disziplinen zu einer Auftaktveranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) am 16. und 17. November in Bonn und online zusammen.

Es handelte sich um Forschende aus 18 Projekten, die im Rahmen eines Programms des BMBF zum Thema »Gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie − Forschung für Integration, Teilhabe und Erneuerung« gefördert werden, und aus drei ebenfalls BMBF-geförderten ländervergleichenden Projekten der Trans-Atlantic Platform zum Thema »Recovery, Renewal, and Resilience in a Postpandemic World« sind für die Tagung. Die Auftaktveranstaltung hatte der DLR Projektträger organisiert.

Birgit Pfau-Effinger (Universität Hamburg) leitete die Tagung mit der Frage ein, welche Besonderheiten die Corona-Pandemie als globale Krise aufweist, die nicht nur den Lebensalltag aller Menschen, sondern auch die Funktionsfähigkeit wesentlicher Bereiche wie Wirtschaft, Erwerbsarbeit, Bildungswesen, extra-familiale Kinderbetreuung und Pflege einschränkte.

Die Frage nach dem Krisenbegriff wurde in Diskussionen darüber aufgegriffen, wann die Pandemie als beendet angesehen werden kann, inwiefern die Unterscheidung verschiedener Krisenphasen eine Rolle spielt und wie wichtig in institutioneller Hinsicht neben ländervergleichenden Betrachtungen auch der Blick auf die regionale und kommunale Ebene und sogar auf einzelne staatliche Einrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen ist. Weiter wurden unterschiedliche Definitionen von Krise und einzelne Krisenfacetten diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde die Eigenart einer auch körperlich relevanten Krise hervorgehoben und auf Polarisierungstendenzen verwiesen.

Mehrfach wurde betont, dass neue Methoden und Methodenkombinationen notwendig seien, um über die Krise und ihre Auswirkungen zu forschen. In methodisch-konzeptueller Hinsicht wurde auch der Wellenverlauf einer Krise noch einmal betont. Entwicklungen müssten in allen Stadien und in ihrem jeweiligen nationalen, regionalen und lokalen Kontext analysiert werden. Auf der Basis entsprechender Ergebnisse könne schließlich eine institutionelle Erneuerung angestrebt werden mit dem Ziel, gesellschaftliche Resilienz erreichen.

Viele Konferenzbeiträge stimmten in der Feststellung überein, dass die Corona-bedingten sozialen und psychosozialen Belastungen vulnerable Gruppen am stärksten getroffen haben, insbesondere durch Einschränkungen der Partizipation am Bildungswesen, durch Verlagerung von Arbeiten in den privaten Haushalt und auf das Homeoffice. Auch frühe Hinweise auf eine Zunahme sozialer Ungleichheit und die Entstehung neuer Spaltungen scheinen sich in der neuen umfassenden Forschung als Langzeitfolgen der Corona-Krise zu erhärten.

Dass die Forschung in einer Gesamtschau zu langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht ohne das Konzept Vertrauen auskommt, bestätigten viele Konferenzbeiträge. Es interessierten die unterschiedlichen Operationalisierungen des Vertrauenskonzepts in den jeweils vorgestellten quantitativen wie qualitativen Methoden. Ebenso wurde Vertrauen als notwendige Bedingung partizipativer Forschungsansätze thematisiert.

Aufschlussreich waren schließlich die vorläufigen Erkenntnisse zur Rolle der Anerkennung gesellschaftlich (zu) gering geschätzter Erwerbstätiger. Die Verknüpfung von Anerkennungsfragen mit der nach gesellschaftlicher Teilhabe führte letztlich zur Frage einer gelingenden Demokratie – auch wenn das Thema nur angerissen werden konnte.

In diesem Kontext sei ein Fokus auf die Ebene des Alltagslebens und lokalen Handelns wichtig. Insbesondere müsse der Blick auf Milieus und Gruppen gerichtet werden, die als Teil der arbeitenden Bevölkerung während der Pandemie aus dem Blick geraten seien, da sie nicht im Homeoffice arbeiten konnten. Ein zentraler Aspekt sei neben Geschlechterverhältnissen die Alterssegregation auf dem Arbeitsmarkt, ein weiterer die Segregation abhängig von Migrationserfahrungen.

Insgesamt wurde mit der Auftaktveranstaltung ein fächer- und Forschungsfelder übergreifender Diskurs zu gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie angestoßen. Die Konferenz war auch ein erster Schritt, um zu einem umfassenden Bild der sozialen Langzeitfolgen zu gelangen.

Hintergrund
Der DLR Projektträger betreut im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das aktuelle Rahmenprogramm für die Geistes- und Sozialwissenschaften »Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten« und ist dabei sowohl mit der Entwicklung und Begleitung von Fördermaßnahmen betraut als auch mit Maßnahmen zu Transfer und Kommunikation.


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