DJI: Unterstützungsangebote für ukrainische Geflüchtete greifen nicht immer

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DJI-Forschungsprojekt: Empfehlungen für Kommunen und Fachpraxis

Der Abschlussbericht des Forschungsprojekts zur Situation ukrainischer Geflüchteter sowie den mit ihnen befassten Unterstützungsstrukturen in Deutschland liegt nun vor.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts (DJI) untersuchten die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Müttern, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind und analysierten die bestehenden Unterstützungsstrukturen, beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe und in den kommunalen Verwaltungen.

Das Projekt war in drei Teilprojekten organisiert: »Kommunale Bildungsbüros und Jugendämter«, »Kitas und ukrainische Mütter mit Kitakindern« und »Ukrainische Jugendliche in Deutschland«. Im Zeitraum vom 1. September 2022 bis 28. Februar 2023 wurden quantitative und qualitative Befragungen der Zielgruppen zu ihrem Leben in Deutschland und ihren Unterstützungsbedarfen sowie von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe, von kommunalen Verwaltungen und zivilgesellschaftliche Akteuren zu den Herausforderungen der Fluchtbewegungen durchgeführt. Die empirischen Befunde und hieraus abgeleitete politische Handlungsempfehlungen sind in dem Projektbericht zusammengefasst.

Bildung, Sprachentwicklung, Freizeitgestaltung, Freundschaften und Unterstützungsstrukturen sind grundlegend für eine gelingende Integration

Doch wie können Institutionen und Kommunen auf die Bedarfe von Geflüchteten reagieren? Aus den Befunden des Forschungsprojekts ergeben sich mehrere Handlungsfelder. Ein grundlegender Schlüssel ist die Sprache. Eine Empfehlung ist, die Sprachförderung für Kinder, Jugendliche und Familien in Kitas, Schulen und durch außerschulische Kursangebote auszuweiten. Die Schulen würden den Bedürfnissen der Kinder besser entgegenkommen, wenn die Sprachförderung ergänzend zum Regelunterricht stattfindet und die Kinder in festen Regelklassen verortet sind.

Weiterhin könnten Informationskampagnen und verbesserte Zugänge zu Unterstützungsangeboten dabei helfen, Nutzungsbarrieren abzubauen, denn häufig sind unzureichende Deutschkenntnisse der Grund dafür, dass Hilfen beim Deutschlernen, bei Behördengängen oder der Wohnungssuche nicht in Anspruch genommen werden.

Auch Kultur- und Sportangebote haben eine wesentliche Bedeutung beim Integrationsprozess, da sie niederschwellige Austauschmöglichkeiten eröffnen; sie sollten aus diesem Grund weiter ausgebaut werden. Für die Bereitstellung umfangreicher Integrationsangebote sind nachhaltig verankerte, breit aufgestellte kommunale Netzwerke mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wesentlich, damit sie bei Bedarf schnell und nachhaltig auf aktuelle Integrationsherausforderungen reagieren können.

Unterstützungsangebote greifen nicht immer

Die Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten sind Mütter mit Kindern. Die meisten der 777 aus der Ukraine geflüchteten befragten Mütter fühlen sich erschöpft und durch das Kriegsgeschehen belastet. Auch das Wohlbefinden ihrer Kinder schätzen die Mütter häufig eher gering ein. Diejenigen, die psychologische, sprachliche und andere Unterstützungsmöglichkeiten nutzen, sind im Durchschnitt besser sozial integriert und haben intensivere Kontakte zur Bevölkerung. Die Mütter, die Angebote wahrnehmen, äußern zudem ein höheres Wohlbefinden und haben auch häufiger das Gefühl, in Deutschland sehr willkommen zu sein. Jedoch sind vielen Müttern, die die Angebote nicht nutzen, diese gar nicht bekannt. Auch wird Unterstützung seltener wahrgenommen, wenn es keine passende Betreuungsmöglichkeit für die Kinder gibt.

Die 621 befragten Kita-Leitungen hoben hervor, dass Kita-Plätze sowie pädagogisches Personal fehlten. Fehlende Sprachkenntnisse der Kinder und ihrer Eltern sind für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Dies betone einmal mehr die Notwendigkeit niedrigschwelliger Zugänge zu Sprachkursen, erläutert die Autorengruppe des Berichts.

Eine wesentliche Herausforderung ist die möglichst nahtlose Bildungsintegration durch Sprachförderung, durch Bildungs-, Sport- und Kulturangebote, aber auch durch Unterstützungsangebote im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und im Gesundheitsbereich. Einige der Angebote werden auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Vereinen bereitgestellt. Verwaltungsinterne, abteilungsübergreifende Task Forces haben oftmals eine strategische Koordinationsfunktion, um auf kommunaler Ebene möglichst schnell und bedarfsgerecht zu handeln. Oftmals fehlt es an Ressourcen und Fachkräften. Gleichzeitig bleiben Plätze vor allem in den Kitas eine zentrale Herausforderung für die Kommunen und die Integration, wie auch Ergebnisse der Jugendamtserhebung im DJI-Projekt »Jugendhilfe und sozialer Wandel« verdeutlichen.

Die befragten Jugendlichen sind vor dem Kriegsgeschehen geflüchtet, jedoch haben sie bereits vor oder während der Flucht Erfahrungen und Auswirkungen des Krieges erlebt. Nun stehen sie angesichts von Ortswechseln vor der Herausforderung einer möglichst bruchlosen Integration in das Bildungssystem.

Ein gelungenes Ankommen in Deutschland hängt maßgeblich von der Unterstützung und dem Engagement von Schule und Lehrkräften ab. Schule ist für Jugendliche ein zentraler Ort, um neue Freundschaften zu knüpfen. Gleichzeitig ist es für sie schwieriger geworden, ihre alten Freundschaften in der Ukraine zu pflegen. Brückenklassen mit altersheterogener Zusammensetzung dienen dabei vor allem dem Erwerb von Deutschkenntnissen, ermöglichen jedoch nicht allen die angestrebten Bildungsfortschritte. Sie bieten jedoch mehr Kontinuität und damit mehr Möglichkeiten Beziehungen aufzubauen als bei wechselnden Zuordnungen zu unterschiedlichen Regelklassen.

Zusammenfassend ist die Situation für alle Geflüchteten sehr belastend und mit der Anstrengung verbunden, den Übergang von der Ukraine nach Deutschland möglichst bruchlos zu bewältigen. Dabei fehlt es trotz vieler Koordinationsanstrengungen an Platzangeboten, Fachkräften, finanziellen Ressourcen und teils auch an ausreichender Angebotskenntnis seitens der Zielgruppe. Es bedarf längerfristig des Erhalts nachhaltiger Unterstützungsstrukturen vor allem in den Kommunen, auch über das aktuelle Flüchtlingsgeschehen hinaus.


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