(K)eine Karriere für Frauen in MINT-Berufen?

Frau mit Reagenzglas

Frauen sind in den sogenannten MINT-Berufen noch immer stark unterrepräsentiert. Wissenschaftler*innen der Universität Siegen und des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn suchen nach den Gründen dafür und haben erste Ergebnisse präsentiert.

Die Digitalisierung wird vor allem im MINT-Bereich, also der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, für große Veränderungen sorgen und Fachkräften vielfältige Perspektiven bieten. Die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich wächst, doch junge Frauen sind mit einem Anteil von rund 16 Prozent unter den insgesamt 3,5 Millionen jungen MINT-Beschäftigten immer noch stark unterrepräsentiert (Stand 2016). Was sind die Gründe dafür? Wie verlaufen ihre Karrieren? Und wie kann die aktuelle Situation möglicherweise verbessert werden?

Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich seit 2017 WissenschaftlerInnen der Universität Siegen und des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts "MINTdabei". Bei einem Projekttreffen mit VertreterInnen aus Forschung, Industrie und von Verbänden am Campus Unteres Schloss wurden nun erste Ergebnisse der Untersuchungen vorgestellt und rege diskutiert.

»Es ist wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen, jedes Gespräch leistet dazu einen Beitrag«, sagte Juniorprofessorin und Projektkoordinatorin Dr. Kerstin Ettl. Auch im Rahmen des Forschungsprojektes werden zahlreiche Gespräche geführt, denn es besteht vor allem aus zwei Säulen: Auf der einen Seite wurden mittels qualitativer Interviews Gründerinnen, Unternehmerinnen und Angestellte zu ihren Karriereverläufen und den von ihnen wahrgenommenen Hürden und Herausforderungen, aber auch den Chancen im MINT-Bereich befragt. Auf der anderen Seite wurde eine quantitative Datenauswertung durchgeführt, die die Beschäftigungs- und Einkommenssituation von jungen Frauen in MINT-Berufen im Mittelstand untersuchte.

Projektmitarbeiterin Julia Schnittker führte die insgesamt 72 qualitativen Interviews. Erste Erkenntnisse zeigen: Viele Frauen in MINT-Berufen haben den Eindruck, mehr leisten zu müssen, als ihre männlichen Kollegen. Wenn sie sich erst einmal bewiesen haben, dann erfahren sie zwar Akzeptanz – aber auch Neid und Eifersucht. Eine der Befragten formulierte es folgendermaßen: »Wenn man immer sehr konziliant auftritt, dann ist das typisch Frau, weil man ein Weichei ist. Wenn man etwas härter auftritt oder mal seine Meinung kundtut, dann hat man Haare auf den Zähnen. Also gilt es, den gesunden Mittelweg zu finden«.

Gestützt werden diese Erkenntnisse auch durch die Ergebnisse der quantitativen Datenauswertung, die Dr. Rosemarie Kay vom IfM Bonn präsentierte. Mit Blick auf den nur geringfügig steigenden Anteil von jungen Frauen in MINT-Berufen stellte die Wissenschaftlerin fest: »Frauen holen in diesem Arbeitsmarktsegment nur sehr langsam auf«. MINT-Beschäftigte arbeiten vor allem im produzierenden Gewerbe, genau dort sind junge MINT-Frauen allerdings selten beschäftigt. Sie sind eher im Dienstleistungssektor zu finden. Untersucht wurde auch, inwiefern die Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf die Berufswahl haben können. Demnach arbeiten 36,4 Prozent aller jungen Frauen in sozialversicherungspflichtigen Berufen in Teilzeit, in MINT-Berufen sind es nur 20 Prozent. Möglicherweise ein Indiz für eine mangelnde Attraktivität durch mangelnde Flexibilität des Berufsfeldes. Was das Einkommen angeht, zeigen die Ergebnisse, dass die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen in MINT-Berufen geringer ist als in anderen Bereichen – allerdings weitet sich dieser sogenannte Gender-Pay-Gap mit steigender Betriebsgröße aus.

Was diese und die weiteren Ergebnisse im Kern bedeuten, werden die Forscherinnen bis zum Projektabschluss im Frühjahr 2020 analysieren. Aus den Interviews leitete Julia Schnittker aber bereits einige Handlungsempfehlungen ab: »Es bedarf einer besseren Verteilung und Kommunikation von Unterstützungsangeboten für Frauen im MINT-Bereich – auch in ländlichen Strukturen. Flexible Arbeitszeitmodelle müssten etabliert werden und die Karriere- oder Berufsberatung sollte vielfältiger, spezifischer sowie geschlechtsneutraler werden«. Ansonsten bleibe der Zufall bei der Entscheidung für einen MINT-Beruf ein zu großer Faktor.

     

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