OECD-Beschäftigungsausblick 2022: Aussichten sehr ungewiss

OECD Beschäftigungsausblick 2022

Die Beschäftigungsaussichten sind infolge von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sehr ungewiss

Die Arbeitsmärkte des OECD-Raums haben sich kräftig von der Coronapandemie erholt. Dennoch sind die weltweiten Beschäftigungsaussichten sehr ungewiss, so eine aktuelle OECD-Studie.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine schwächt das Wachstum der Weltwirtschaft und lässt die Inflation steigen, was sich negativ auf die Unternehmensinvestitionen und den privaten Konsum auswirkt.

Laut dem OECD-Beschäftigungsausblick 2022 ist die Arbeitsmarktlage in den meisten OECD-Ländern zwar nach wie vor angespannt, das Beschäftigungswachstum dürfte sich jedoch verlangsamen. Zugleich führen die stark steigenden Energie- und Rohstoffpreise zu einer Krise der Lebenshaltungskosten.

Seit dem pandemiebedingten Konjunkturtief im April 2020 wurden in den OECD-Ländern etwa 66 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen – 9 Millionen mehr, als nach dem Ausbruch der Pandemie in wenigen Monaten zerstört wurden.

Die Arbeitslosenquote des OECD-Raums hat sich im Juli 2022 bei 4,9 Prozent stabilisiert, 0,4 Punkte unter ihrem vor der Pandemie im Februar 2020 verzeichneten Niveau. Damit liegt sie auf ihrem tiefsten Stand seit Beginn der Datenreihe im Jahr 2001.

Arbeitslosenzahl im OECD-Raum im Juli weiter auf 33,0 Millionen zurückgegangen – das sind 2,4 Millionen weniger als vor der Pandemie

In den einzelnen OECD-Ländern stellt sich die Situation indessen differenzierter dar. In einem Fünftel von ihnen war die Arbeitslosenquote im Juli immer noch höher als vor der Pandemie. Auch die Erwerbsbeteiligung und die Beschäftigung verharren in einigen Ländern unter Vorkrisenniveau. Zudem expandiert die Beschäftigung in Hochlohnbranchen des Dienstleistungsgewerbes zwar recht kräftig, bewegt sich in vielen kontaktintensiven Niedriglohnbranchen aber weiterhin unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau.

»Die steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise fordern vor allem einkommensschwachen Haushalten viel ab«, so OECD-Generalsekretär Mathias Cormann. »Trotz allgemeiner Personalengpässe hält das reale Lohnwachstum nicht mit dem gegenwärtig hohen Preisauftrieb Schritt. In diesem Kontext sollten die Staaten gezielte, bedürftigkeitsabhängige und befristete Hilfsmaßnahmen prüfen. Dies würde die Auswirkungen der Krise auf die Verbraucher:innen und Unternehmen abfedern, die am dringendsten Hilfe benötigen, und zugleich den Effekt der staatlichen Unterstützung auf die Inflation sowie die Kosten für den Staatshaushalt begrenzen«, so Cormann.

Wegen der angespannten Arbeitsmarktlage sehen sich Unternehmen im ganzen OECD-Raum mit beispiellosen Arbeitskräfteengpässen konfrontiert. In der Europäischen Union berichtete im 2. Quartal 2022 fast ein Drittel der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors von Produktionsschwierigkeiten aufgrund von fehlendem Personal.

Das Nominallohnwachstum bleibt hinter dem raschen Inflationsanstieg zurück. Die Löhne dürften im Jahresverlauf 2022 real an Wert verlieren: Der Preisauftrieb wird voraussichtlich hoch bleiben und generell deutlich über dem Niveau liegen, das zum Zeitpunkt der maßgeblichen Tarifabschlüsse für 2022 erwartet worden war. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten wirkt sich auf einkommensschwache Haushalte überproportional stark aus. Sie müssen einen deutlich größeren Anteil ihres Einkommens für Energie und Nahrungsmittel aufwenden als andere Gruppen und waren auch das Bevölkerungssegment, das am wenigsten vom Beschäftigungsaufschwung nach der Coronakrise profitieren konnte.

Unter diesen Umständen müssen die Reallöhne von Geringverdienenden unbedingt gestützt werden, so die Studie. Um die effektive Kaufkraft dieser Gruppe zu sichern, sollten die Staaten prüfen, wie die gesetzlichen Mindestlöhne angepasst werden können. Auch gezielte, bedürftigkeitsabhängige und befristete Sozialtransfers an die am stärksten von den Energie- und Nahrungsmittelpreiserhöhungen betroffenen Gruppen würden helfen, den Lebensstandard der Schwächsten zu stützen.

Entscheidend sind unter den gegenwärtigen Umständen zudem aktive Diskussionen zwischen Staat, Arbeitnehmern und Arbeitgebern über die Löhne. Keine der drei Seiten kann die gesamten Kosten des Anstiegs der Energie- und Rohstoffpreise alleine schultern. Deshalb muss die Tarifpartnerschaft wieder gestärkt werden und es muss für ausgewogenere Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesorgt werden, damit die Beschäftigten unter fairen Bedingungen verhandeln können.

Die Länder sollten sich stärker bemühen, Geringqualifizierte und andere schwache Gruppen wieder in Beschäftigung zu bringen. Etwa zwei Drittel der OECD-Länder haben ihre Etats für die öffentliche Arbeitsmarktverwaltung seit Beginn der Coronakrise aufgestockt. Aber mit mehr Geld allein ist es nicht getan: Arbeitsvermittlung und Weiterbildung müssen miteinander verzahnt werden, umfassend sein und Arbeitgeber ebenso wie Arbeitsuchende wirksam erreichen.

Die Regierungen müssen dringend handeln, um die Beschäftigungsqualität in systemrelevanten Berufen zu verbessern. In über der Hälfte der OECD-Länder gab es Einmalzahlungen für Beschäftigte des Pflegesektors, um sie für die Mehrarbeit während der Pandemie zu entschädigen. Allerdings haben weniger als 30 Prozent der Länder die Arbeitsentgelte dieser Beschäftigten dauerhaft angehoben.

 

 

 

 

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