Fachkräftezuwanderung kann nicht per Gesetz verordnet werden

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Die Bundesregierung will mit einem neuen Einwanderungsgesetz mehr Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland holen. Ob das gelingt, hängt vor allem von begleitenden Maßnahmen ab 

Am 19. Dezember 2019 will das Bundeskabinett das neue Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen, auf das sich die große Koalition nach jahrelangem Hin und Her geeinigt hat. Das Gesetz regelt in erster Linie den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU und soll die Arbeitsmarktintegration von bereits in Deutschland lebenden Geflüchteten vereinfachen.

Deutschland ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen allmählich in Rente und die Gesellschaft altert. Das belastet die Sozialsysteme und führt zu einem Mangel an Fachkräften. Obwohl so viele Menschen arbeiten wie noch nie, waren Mitte 2018 über 1,2 Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt. Gerade im Bereich Pflege und Gesundheit, aber auch unter Mathematikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern sowie im Handwerk fehlt schon heute oft der Nachwuchs.

Das neue Gesetz soll die bereits existierenden Möglichkeiten der Erwerbszuwanderung erweitern und vereinfachen. So dürfen künftig alle Personen aus Drittstaaten in Deutschland arbeiten, die einen Arbeitsvertrag vorweisen können und deren Qualifikation anerkannt wurde. Auch die Gruppe derjenigen, die ohne einen Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen können, um hier für sechs Monate nach einer Stelle zu suchen, wird ausgeweitet. Neben Akademikern betrifft dies nun auch Personen mit anerkannter Berufsausbildung und junge Schulabsolventen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Bewerber, deren Berufsqualifikation nur teilweise anerkannt wurde, können künftig für bis zu zwei Jahre ins Land kommen um zu arbeiten und in dieser Zeit die fehlenden Qualifikationen nachholen. Schließlich soll der Arbeitsmarktzugang von bereits hier lebenden, geduldeten Geflüchteten vereinfacht werden. Neben der Ausbildungsduldung wird es auch eine zweijährige Beschäftigungsduldung geben, sodass gut integrierte Geduldete, die eine Arbeit haben, unter bestimmten Bedingungen zunächst bleiben können.

Die Bundesregierung setzt mit dem neuen Gesetz einige Maßnahmen um, die das Berlin-Institut bereits vor drei Jahren in der Studie »Internationale Arbeitskräfte einstellen« vorgeschlagen hat. Das neue Gesetz ist unzweifelhaft ein Schritt in die richtige Richtung. Ob es die gewünschte Wirkung entfaltet –den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten deutlich zu steigern – wird maßgeblich von der Umsetzung begleitender Maßnahmen abhängen, wie sie die Bundesregierung im Oktober im Eckpunktepapier zur Fachkräftegewinnung angekündigt hat. »Wenn Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland kommen sollen, muss die Regierung die Zugangswege in den Herkunftsländern der Migranten konsequent bewerben und transparent machen«, fordert Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. »Auch sind Unternehmen bei der Rekrutierung im Ausland zu unterstützen«.

Zudem sollten die bürokratischen Verfahren unkompliziert sein. Es ist wenig hilfreich, wenn potenzielle Fachkräfte teilweise erst nach Monaten einen Termin in einer deutschen Botschaft bekommen um ein Visum zu beantragen und im Anschluss noch einmal lange Zeit auf die Anerkennung ihrer Qualifikation warten müssen. Die Ankündigung, Fachkräfte schon im Ausland im Anerkennungsverfahren zu unterstützen, sollte konsequent umgesetzt werden. Da in der Regel bereits vor einer Einreise gute Deutschkenntnisse erforderlich sind, müssen auch im Ausland ausreichend deutsche Sprachkurse angeboten werden. Nicht zuletzt ist eine bundesweit einheitliche Umsetzung der Regelungen für Geduldete notwendig. Sowohl für Geflüchtete wie auch für Unternehmen ist eine Rechtssicherheit unerlässlich.

An manchen Stellen wäre mehr Mut bei der Formulierung des Gesetzes wünschenswert gewesen – etwa eine Ausdehnung der Aufenthaltserlaubnis zur Jobsuche von sechs auf zwölf Monate. Ein halbes Jahr ist nicht viel Zeit, um in einem neuen Land einen neuen Job zu finden. Auch wäre eine Stärkung der Rechtssicherheit für Geflüchtete mit befristeten Aufenthaltstiteln und Geduldete, die noch keine Arbeit haben, erstrebenswert gewesen, denn ohne eine gesicherte Bleibeperspektive ist es für diese Personengruppen schwierig, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

  

 

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