WR: »Geschlechterforschung breiter verankern«

Wissenschaftsrat

Wissenschaftsrat nimmt Stellung zu Status und Weiterentwicklung des Forschungsfeldes

Fragen des Geschlechts und der Geschlechterverhältnisse sind für viele wissenschaftliche und gesellschaftliche Bereiche relevant, beispielsweise für die medizinische Vorsorge und Therapie oder in Familie und Schule. Die Geschlechterforschung ist ein wichtiges disziplinenübergreifendes Forschungsfeld und deckt ein breites thematisches Spektrum von der Grundlagen- bis zur anwendungsorientierten Forschung ab.

Der Wissenschaftsrat hat den Stand der Geschlechterforschung in Deutschland erstmals breit erfasst und Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung erarbeitet.

»Die Geschlechterforschung ist ein dynamisches und auch international zukunftsträchtiges Forschungsfeld mit großer Transferrelevanz,« betont der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick. »Im internationalen Vergleich besteht allerdings Nachholbedarf, insbesondere in den technischen Disziplinen und der Medizin«, so Wick. Außerdem sei eine konsequente Unterscheidung zwischen Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik notwendig, auch wenn inhaltliche Berührungspunkte und sinnvolle Kooperationen bestehen. »Die Forschung darf nicht auf eine Zuarbeit für Gleichstellungsziele verkürzt werden«, unterstreicht Wick.

Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine stärkere Integration von Geschlechterperspektiven in Forschung und Lehre aus, vor allem in jenen Bereichen, in denen sie bislang kaum verankert sind. Großes Entwicklungspotenzial sieht er in der außerhochschulischen Forschung, einschließlich der Ressortforschung.

»Im außerhochschulischen Bereich ist die Befassung mit Themen der Geschlechterforschung noch stark von den Interessen einzelner Forschender abhängig«, erläutert Margit Szöllösi-Janze, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, »dabei bietet sich den Forschungseinrichtungen hier eine Chance, innovative Themenkomplexe zu besetzen und voranzutreiben.«

Der Wissen­schaftsrat empfiehlt den außerhochschulischen Einrichtungen daher, die Geschlechterforschung strategisch für nationale wie internationale Kooperationen und die Weiterentwicklung des eigenen Forschungsprogramms zu nutzen. Zudem sollte die Kooperation zwischen Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen intensiviert werden.

Wie jede erfolgreiche Forschung bedarf auch die Geschlechterforschung verlässlicher institutioneller Strukturen. Diese sind erforderlich, um Wissen langfristig zu sichern, Kooperationen anzubahnen, jüngeren Forschenden Karriereperspektiven zu eröffnen und überhaupt institutionell ansprechbar zu sein.

Der Wissenschaftsrat empfiehlt, Professuren mit einer Denomination in Geschlechterforschung gerade in Fächern auf- und auszubauen, in denen sie bislang wenig vertreten ist, sowie die hochschulischen Einrichtungen der Geschlechterforschung auskömmlich auszustatten. Diese Zentren und Netzwerke nehmen ein dichtes Bündel wichtiger Funktionen wahr und sind für die institutionelle und wissenschaftliche Weiterentwicklung des Forschungsfeldes unverzichtbar. Zudem regt der Wissenschaftsrat die Herausbildung einiger interdisziplinärer Zentren mit dezidiertem Forschungsfokus an, um Kräfte zu bündeln und die internationale Sichtbarkeit des Feldes zu erhöhen.

An das Forschungsfeld richtet der Wissenschaftsrat unter anderem die Empfehlung, sich intensiver um die Einwerbung größerer Verbundforschungsprojekte zu bemühen bzw. sich noch stärker in bestehende Verbünde zu integrieren, um durch Vernetzung innovative Anstöße zu erhalten und an andere weiterzugeben. Auch mit Blick auf eine stärkere Internationalisierung sieht der Wissenschaftsrat das Forschungsfeld in der Pflicht.

Darüber hinaus spricht der Wissenschaftsrat Empfehlungen etwa zu Studiengängen und Zertifikatsprogrammen, zur Forschungsförderung und zu Forschungsinfrastrukturen, aber auch zum Verhältnis zu verwandten Forschungsfeldern aus. Mit Sorge beobachtet er Diffamierungen und personenbezogene Angriffe auf Forschende und Studierende des Feldes und bekräftigt seine Empfehlungen zu deren Schutz durch die Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen.


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