Deutsches Schulbarometer: Jede zweite Lehrkraft beobachtet Gewalt an der eigenen Schule

 Lehrer vor Schiefertafel

Herausforderungen und Belastungen im Lehrberuf: Einblicke aus dem Schulbarometer.

Fast die Hälfte aller Lehrkräfte (47 Prozent) konstatiert an ihrer Schule Probleme mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schülerinnen und Schülern, wie die Ergebnisse des Schulbarometers der Robert Bosch Stiftung GmbH aufzeigen. Schulen in sozial benachteiligten Lagen sind dabei mit 69 Prozent besonders häufig betroffen.

Die Studie offenbart auch, dass solche Gewalterfahrungen das Risiko für Burnout und Stress bei den Lehrkräften signifikant erhöhen. Mehr als ein Drittel der Lehrkräfte (36 Prozent) berichtet von mehrmaliger wöchentlicher emotionaler Erschöpfung, wobei jüngere sowie weibliche Lehrkräfte und Grundschullehrerinnen und -lehrer besonders betroffen sind.

Berufszufriedenheit trotz Herausforderungen

Trotz dieser Belastungen äußert die überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte (75 Prozent) Zufriedenheit mit ihrem Beruf. Dennoch würde mehr als ein Viertel (27 Prozent) den Schuldienst verlassen, wenn sich eine Alternative böte. Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung, sieht in diesen Zahlen die »Momentaufnahme eines kranken Systems«. Sie betont, dass Lehrkräfte seit Langem die Folgen von Personalmangel und neuen Belastungen bewältigen müssen, was insbesondere für Berufseinsteiger eine große Hürde darstellt.

Drängende Herausforderungen und Bedarf an Ressourcen

Lehrkräfte sehen vor allem das Verhalten der Schülerinnen und Schüler (35 Prozent) sowie den Umgang mit heterogenen Klassen (33 Prozent) als große Herausforderungen an. In Grundschulen wird der Bedarf besonders in Bezug auf Personalmangel (51 Prozent) und die Modernisierung von Schulgebäuden sowie die Verbesserung der technischen und digitalen Ausstattung (35 Prozent) gesehen.

Fortbildung und Feedbackkultur im deutschen Schulsystem

Die Fortbildungssituation in Deutschland wird kritisch betrachtet. Im Vergleich zur internationalen TALIS-Studie der OECD von 2018 werden Fortbildungen zu pädagogischen Kompetenzen oder individualisiertem Lernen in Deutschland deutlich seltener besucht. Nur ein Viertel der Lehrkräfte erhält regelmäßiges Feedback zu ihrer Arbeit. Die überwältigende Mehrheit wünscht sich jedoch verbesserte Fortbildungsmöglichkeiten und eine stärkere Einbindung in schulübergreifende Netzwerke.

KURZZUSAMMENFASSUNG

Herausforderungen im Berufsalltag

  • Verhalten der Schüler*innen: Die größte Herausforderung für Lehrkräfte ist das Verhalten ihrer Schüler*innen. Als zweitgrößte Herausforderung wird die Heterogenität der Schüler*innen genannt (33%).
  • Inklusive Beschulung: Während 75% der Lehrkräfte glauben, dass inklusive Beschulung allen Schülern*innen zugutekommt, fühlen sich nur 66% in der Lage, flexibel auf verschiedene Lernbedürfnisse einzugehen.

Bedarf und Zufriedenheit

  • Sanierung und Investitionen: Lehrkräfte sehen einen dringenden Bedarf an Sanierung der Schulgebäude und Investitionen in die Ausstattung ihrer Schulen.
  • Berufliche Zufriedenheit: Trotz hoher beruflicher Zufriedenheit würden 27% der Lehrkräfte den Beruf wechseln, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten, wobei jüngere Lehrkräfte und Frauen besonders wechselbereit sind.

Psychosoziale Aspekte

  • Emotionale Erschöpfung: Viele Lehrkräfte fühlen sich mehrmals pro Woche erschöpft. Jüngere Lehrkräfte, Frauen und Grundschullehrkräfte zeigen hohe emotionale Erschöpfung.
  • Gewalt unter Schülern*innen: 45% der Lehrkräfte beobachten psychische oder physische Gewalt unter Schülern*innen, und 57% schätzen die psychosoziale Unterstützung an ihrer Schule als ausreichend ein.

Bildungsziele und Feedback

  • Kompetenzvermittlung: Lehrkräfte halten es für wichtig, ihren Schülern*innen soziale und Selbstkompetenzen zu vermitteln, um sie auf die Zukunft vorzubereiten.
  • Feedback und Fortbildung: 36% der Lehrkräfte haben in den letzten 12 Monaten kein Feedback zu ihrer Arbeit erhalten. Deutsche Lehrkräfte besuchen weniger Fortbildungen zu individualisiertem Unterricht im internationalen Vergleich.

Technologie im Unterricht

  • Digitale Medien: 68% der Lehrkräfte setzen regelmäßig digitale Medien in ihrem Unterricht ein. Jedoch fühlt sich nur die Hälfte (51%) gut auf digital gestützten Unterricht vorbereitet.

Stereotype in der Lehramtsausbildung: DIPF untersucht Vorurteile bei Sonderförderung
Inklusion: Welche Stereotype angehende Lehrkräfte mit besonders förderbedürftigen Schüler*innen verbinden Im Zuge der Inklusion unterrichten Lehrkräfte verstärkt besonders förderbedürftige Schüler*innen. Stereotype Annahmen über diese Kinder und...
Überwindung des Lehrermangels: Bundesländer setzen auf innovative Mittel
Neue Wege in der Lehrkräftebildung: Flexibilität und Diversität im Fokus Um dem Lehrermangel entgegenzuwirken und den Zugang zum Lehrberuf zu erweitern, hat die Kultusministerkonferenz (KMK) gestern neue Richtlinien für die Lehrkräftebildung...
Neue Wege zum Lehramt?
Studie weist auf strukturelle Defizite im System der Lehrerbildung hin Um den Herausforderungen eines eklatanten und anhaltenden Lehrkräftemangels in Deutschland zu begegnen, bedarf es mutiger Reformen in der Lehramtsausbildung: Das universitäre...

.