Fachkräftemangel in Deutschland steigt weit über Vorkrisenniveau

KfW 2

Der Fachkräftemangel in Deutschland beschleunigt sich und sorgt im Oktober 2021 für Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit von 43 % aller Unternehmen, wie das aktuelle KfW-ifo-Fachkräftebarometer zeigt.

Mittelständische Unternehmen und Großunternehmen sind im selben Ausmaß betroffen (43,2 bzw. 42,5 %). Im Vergleich zum Oktober 2020, als die Unternehmen in erster Linie mit Krisenbewältigung befasst waren, hat sich der Anteil der vom Fachkräftemangel betroffenen Unternehmen fast verdoppelt (23 % Oktober 2020). Fehlendes Fachpersonal ist damit aktuell ein weitaus häufigeres Produktionshemmnis als vor Ausbruch der Covid19-Pandemie (28,6 % Anfang 2020).

Im Oktober melden alle Wirtschaftsbereiche Probleme, am stärksten jedoch der Dienstleistungssektor, bei dem jede zweite Firma über fehlende Fachkräfte klagt (48 %). Im Verarbeitenden Gewerbe sieht sich jedes dritte Unternehmen von Fachkräftemangel beeinträchtigt - der Anteil hat sich mehr als verdreifacht von 11 % im Oktober 2020 auf 37 % im Oktober 2021. Gleichzeitig ist damit unter den Industrieunternehmen der Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht. Im Einzelhandel spüren aktuell ebenfalls 37 % der Unternehmen Behinderungen durch Fachkräftemangel, im Bauhauptgewerbe sind es 35 %.

Schaut man detaillierter in die Branchen, so ist der Fachkräftemangel im Oktober im Beherbergungsgewerbe mit 72 % betroffenen Unternehmen am stärksten ausgeprägt. Es folgt der Landverkehr (Personen- und Güterverkehr auf Straße und Schiene) einschl. Transport in Rohrfernleitungen, wo 64 % der Unternehmen fehlendes Fachpersonal bebeklagen. Von den Dienstleistern der Informationstechnologie sind ebenfalls mehr als die Hälfte betroffen. Die Ursachen für den besonders ausgeprägten Arbeitskräftemangel in diesen Branchen unterscheiden sich: Im Beherbergungsgewerbe und auch in der Gastronomie haben sich viele Beschäftigte wegen der langen Lockdown-Phasen und der Einkommensausfälle durch Kurzarbeit in der Corona-Krise Arbeit in anderen Branchen gesucht. Ebenso wie im Landverkehr dürfte hier aber auch die relativ niedrige Entlohnung eine Rolle spielen. Anders sieht es bei den Dienstleistungen der Informationstechnologie aus, wo weit überdurchschnittliche Bruttomonatsverdienste gezahlt werden; die Fachkräfteknappheit ist hier bedingt durch die stark wachsende Nachfrage nach IT-Dienstleistungen.

»Das aktuelle KfW-ifo-Fachkräftebarometer zeigt, dass die deutsche Wirtschaft aktuell mit mehr als Material- und Lieferengpässen zurechtkommen muss. Der Fachkräftemangel hemmt die Unternehmen in weit größerem Ausmaß als vor der Krise«, fasst Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, zusammen. »Fehlende Fachkräfte drohen zum Nadelöhr für den weiteren Aufschwung und das Wachstum in den nächsten Jahren zu werden. Wie sich der Fachkräftemangel weiterentwickelt, wird entscheidend davon abhängen, ob und in welchem Ausmaß die Erwerbsbeteiligung der Deutschen und die Arbeitskräftezuwanderung wieder steigt und inwieweit es gelingt, durch Aus- und Weiterbildung die Fachkräfte bedarfsgerecht zu qualifizieren.«

Hintergrund
Für das KfW-ifo-Fachkräftebarometer wertet KfW Research die ifo Konjunkturumfragen aus, aus denen unter anderem auch der bekannte ifo-Geschäftsklimaindex berechnet wird. Im Fachkräftebarometer wird über den Anteil der Unternehmen in Deutschland berichtet, die angeben, dass ihre Geschäftstätigkeit derzeit durch Fachkräftemangel behindert wird. Hierzu werden einmal pro Quartal rund 9.000 Unternehmen aus den Wirtschaftsbereichen Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Handel sowie Dienstleistungen (ohne Kreditgewerbe, Versicherungen und Staat) befragt, darunter rund 7.500 Mittelständler. Neben einem Gesamtindikator zum Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft sowie Indikatoren für verschiedene Sektoren und Regionen, können die Daten auch unternehmensgrößenbezogen nach Mittelständlern und Großunternehmen getrennt ausgewertet werden. Dabei zählen grundsätzlich diejenigen Unternehmen zu den Mittelständlern, die nicht mehr als 500 Beschäftigte haben und maximal 50 Mio. EUR Jahresumsatz erzielen. Zur Erhöhung der analytischen Trennschärfe müssen diese quantitativen Abgrenzungen allerdings beim Einzelhandel (maximal 12,5 Mio. EUR Jahresumsatz), beim Bauhauptgewerbe (bis zu 200 Beschäftigte) und bei den Dienstleistungen (maximal 25 Mio. EUR Jahresumsatz) enger gezogen werden. Alle Unternehmen, die mindestens einen dieser Grenzwerte überschreiten, werden als Großunternehmen klassifiziert.

 

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