Selbstverstärkendes Lernen: Chancen und Risiken im Lernprozess
Gliederung
Wie unüberwachtes Lernen unser Verständnis prägt – und manchmal irreführt
Selbstverstärkendes Lernen, auch unüberwachtes Lernen genannt, kann einerseits helfen, neue Dinge zu verstehen, birgt aber auch die Gefahr, dass sich falsche Überzeugungen verfestigen.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Kind, das auf einem Bauernhof zum ersten Mal Schafe und Ziegen sieht, wird von einem Elternteil in die Unterschiede zwischen den Tieren eingeführt. Bei einem weiteren Besuch ohne Anleitung muss das Kind selbst entscheiden, welches Tier welches ist. Ohne fremde Hilfe kann es sich die Merkmale merken, aber die Gefahr, dass sich falsche Annahmen verfestigen, ist groß.
Vergleich zwischen maschinellem und menschlichem Lernen
Algorithmen des maschinellen Lernens sind darauf ausgelegt, große Datenmengen zu durchsuchen und Muster zu erkennen, ohne auf Feedback von außen angewiesen zu sein. Menschen hingegen haben oft Schwierigkeiten, ohne Feedback zu lernen.
Die Neurowissenschaftlerin Franziska Bröker hat untersucht, wie Menschen und Maschinen ohne Anleitung lernen. Ihr Ergebnis: Menschen neigen dazu, Fehler zu wiederholen und falsche Überzeugungen zu verinnerlichen, wenn sie keine Korrektur erhalten. Dieser Prozess wird als selbstverstärkendes Lernen bezeichnet.
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass unüberwachtes Lernen besonders dann erfolgreich ist, wenn die Annahmen der richtigen Lösung bereits sehr nahe kommen. In komplexen Bereichen wie dem Erlernen einer Sprache oder eines Instruments ist Feedback jedoch unerlässlich, um Fortschritte zu erzielen und Fehler zu vermeiden.
Die Frage ist also weniger, ob Lernen ohne Feedback generell funktioniert, sondern in welchen Situationen es vorteilhaft ist.
Feedback als Basis für Expertise
Laborstudien zeigen, dass unüberwachtes Lernen zwar theoretisch funktionieren kann, in der Praxis aber oft an seine Grenzen stößt. Gerade beim Erwerb von Expertise, wie zum Beispiel bei Radiologen, ist Feedback entscheidend. Während ihrer Ausbildung erhalten sie viel Feedback, müssen aber später oft ohne direkte Unterstützung arbeiten.
Studien zeigen jedoch, dass reine Erfahrung ohne regelmäßiges Feedback nicht zwangsläufig zu Expertenwissen führt. Kognitive Verzerrungen wie der Bestätigungsfehler können dazu führen, dass Lernende nur Informationen wahrnehmen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen.
Ohne regelmäßiges Feedback bleibt das Lernen auf halbem Wege stehen und falsche Annahmen können sich verfestigen. Dies wird besonders deutlich in Berufen, in denen Fachwissen entscheidend ist. Ein Mangel an externem Feedback kann dazu führen, dass sich Lernende auf ihre eigenen, oft unzutreffenden Annahmen verlassen. Es entsteht eine Lernfalle, die den Lernfortschritt blockiert.
Die Balance zwischen eigenständigem Lernen und Feedback
Die Forschung verdeutlicht, dass selbstgesteuertes Lernen sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. Es hilft, Neues zu verstehen, birgt aber auch die Gefahr, sich in falschen Überzeugungen zu verlieren.
Selbstgesteuertes Lernen ist also nicht pauschal gut oder schlecht, sondern hängt stark von der individuellen Lernumgebung ab. Es ist wichtig, eine Balance zwischen eigener Exploration und externem Feedback zu finden, um dauerhaft erfolgreich zu lernen.
Zukünftige Studien sollten daher untersuchen, wie sich diese beiden Lernformen optimal ergänzen. Dies ist nicht nur für das maschinelle Lernen von Bedeutung, sondern auch für den Lernprozess beim Menschen. So könnten neue Lehrmethoden entwickelt werden, die lebenslanges Lernen fördern und gleichzeitig verhindern, dass sich falsche Überzeugungen verfestigen.
Originalpublikation:
Bröker, Franziska et al. (2024): Demystifying unsupervised learning: how it helps and hurts.
Trends in Cognitive Sciences, doi:10.1016/j.tics.2024.09.005
Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Dr. Franziska Bröker
Postdoktorandin
Carnegie Mellon University
Telefon: +1 878 256-9144
E-Mail: fbroker@andrew.cmu.edu
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