Smartphones im Schulalltag – Fluch oder Segen?

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 Abbildung zeigt 4 Schulkinder mit ihren Smartphones

Effekte von Smartphone-Verboten: Besseres Schulklima und Medienkompetenz im Fokus

Smartphones sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie dienen der Kommunikation, der Unterhaltung und der Informationsbeschaffung.

Doch gerade im schulischen Umfeld werden sie kontrovers diskutiert. Pädagog*innen und Bildungsforscher*innen diskutieren, ob Smartphones das Lernumfeld stören oder als nützliches Werkzeug zur Vermittlung digitaler Kompetenzen genutzt werden sollten.

Die Universität Augsburg ist dieser Frage in einer umfassenden Übersichtsstudie von Prof. Dr. Klaus Zierer und Tobias Böttger nachgegangen, die in der Fachzeitschrift Education Sciences veröffentlicht wurde. Die Studie untersucht die Auswirkungen von Smartphone-Verboten auf das soziale Wohlbefinden und die Lernleistung von Schülerinnen und Schülern.

Kernthese der Studie: Positive Effekte von Smartphone-Verboten

Die Ergebnisse der Untersuchung von Zierer und Böttger sind eindeutig: Smartphone-Verbote haben messbare positive Auswirkungen, insbesondere auf das soziale Wohlbefinden der Schüler*innen. Auch die Lernleistungen verbessern sich, wenn auch in geringerem Ausmaß.

Die Autoren analysierten fünf Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden und konnten zeigen, dass ein Smartphone-Verbot soziale Probleme wie Cybermobbing reduzieren kann. Dies trage wesentlich zu einem besseren sozialen Klima an Schulen bei.

Tobias Böttger betont, dass viele Lehrkräfte bereits ähnliche Beobachtungen gemacht hätten: Ein Smartphone im Unterricht sei nicht nur eine potenzielle Ablenkung, sondern verschärfe auch soziale Konflikte. Die Schülerinnen und Schüler würden weniger direkt miteinander interagieren und die Nutzung sozialer Netzwerke während des Unterrichts könne zu Problemen wie Cybermobbing beitragen.

Methodik der Studie: Rapid Review als Analyseansatz

Um die gesellschaftliche Debatte um Smartphone-Verbote an Schulen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu untermauern, setzten Zierer und Böttger auf einen sogenannten Rapid Review.

Dieses vereinfachte Verfahren der Metaanalyse ermöglicht es, in kürzerer Zeit eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung zu erstellen. Bei der Analyse von fünf internationalen Studien, die quantitative Daten zu den Auswirkungen von Smartphone-Verboten liefern, ermittelten die Forscher die Effektgrößen in den Bereichen schulische Leistung und soziales Wohlbefinden.

Die Effektgröße für die schulische Leistung wurde mit einem kleinen Wert von d = 0,05 gemessen, während der Einfluss auf das soziale Wohlbefinden mit d = 0,22 als moderat eingestuft wurde. Die Heterogenitätsmaße zeigten, dass die Ergebnisse der einzelnen Studien in einem moderaten Rahmen schwankten.

Soziales Wohlbefinden: Signifikante Verbesserung durch Verbot

Der signifikanteste positive Effekt des Smartphone-Verbots zeigte sich im Bereich des sozialen Wohlbefindens. Die Schüler*innen fühlten sich in einer Umgebung ohne Smartphones wohler und sicherer.

Die Studie hebt hervor, dass Smartphones häufig als Mittel für digitale Belästigung oder Cybermobbing eingesetzt werden, was das soziale Klima an Schulen erheblich beeinträchtigen kann. Wird der Zugang zu Smartphones in der Schule eingeschränkt, sinkt das Risiko von Mobbing und die zwischenmenschliche Interaktion zwischen den Schülern verbessert sich.

Ein zentrales Ergebnis ist, dass das soziale Wohlbefinden ein entscheidender Faktor für den schulischen Erfolg ist. Ein positives soziales Umfeld trägt wesentlich dazu bei, dass Lernprozesse ungestört ablaufen können.

Dies deckt sich mit anderen Forschungsergebnissen, die zeigen, dass das soziale Klima in Schulen direkt mit der Lernbereitschaft und den schulischen Leistungen der Schüler*innen korreliert.

Schulleistung: Nur geringe Effekte gefunden

Die Auswirkungen von Smartphone-Verboten auf die schulischen Leistungen sind der Studie zufolge geringer.

Die Ergebnisse zeigen, dass ein Smartphone-Verbot zwar zu einer leichten Verbesserung der Konzentration und der Prüfungsleistung führt, die Effektstärke mit d = 0,05 aber vergleichsweise gering ist. Die Forscher führen dies auf die begrenzte Anzahl der analysierten Studien und die große Bandbreite an Einflussfaktoren zurück, die die schulischen Leistungen der Schüler*innen beeinflussen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die geringe Effektstärke in Bezug auf die schulischen Leistungen nicht bedeutet, dass ein Smartphone-Verbot wirkungslos ist. Vielmehr legen die Autoren nahe, dass andere Maßnahmen wie pädagogische Begleitung und die Förderung von Medienkompetenz entscheidend sind, um die positiven Effekte von Smartphone-Verboten auf die schulischen Leistungen zu maximieren.

Pädagogische Begleitung: Schlüssel zum langfristigen Erfolg

Die Untersuchung zeigt auf, dass ein reines Smartphone-Verbot nicht ausreicht, um nachhaltig positive Effekte zu erzielen. Zierer und Böttger empfehlen, das Verbot durch pädagogische Maßnahmen zu ergänzen, die den Schüler*innen einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien vermitteln.

Ziel sollte es sein, die Medienkompetenz der Schüler*innen schrittweise zu Schritt für Schritt zu stärken, damit sie lernen, Smartphones sinnvoll zu nutzen und sich ihrer negativen Auswirkungen bewusst zu werden.

Klaus Zierer betont, dass es wichtig sei, den Jugendlichen klare Regeln zu vermitteln und die Gründe für Verbote transparent zu machen. Mit einer Kombination aus Verboten und Aufklärung könne ein langfristiger Wandel hin zu einem reflektierten Umgang mit digitalen Medien erreicht werden.

Langfristige Forschung und Evaluation notwendig

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die Forderung nach langfristiger Forschung. Bisherige Studien beschäftigen sich vor allem mit kurzfristigen Effekten von Smartphone-Verboten. Langfristige Auswirkungen, insbesondere auf die schulischen Leistungen, wurden bisher kaum untersucht.

Die Autoren plädieren daher für eine kontinuierliche Evaluation der Maßnahmen und eine Anpassung der pädagogischen Strategien, um sowohl den sozialen als auch den schulischen Nutzen zu maximieren.

Zusammenfassung: Smartphone-Verbote als wirksame Maßnahme, aber nur mit Begleitung

Die von Zierer und Böttger durchgeführte Übersichtsstudie zeigt, dass Smartphone-Verbote in Schulen positive Effekte auf das soziale Wohlbefinden der Schüler*innen haben und auch zu leichten Verbesserungen der schulischen Leistungen führen.

Allerdings reicht ein Verbot allein nicht aus. Entscheidend ist die pädagogische Begleitung, um einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu fördern und langfristig ein positives Lernumfeld zu schaffen.

Die Autoren empfehlen, Smartphone-Verbote schrittweise aufzuheben, sobald die Schülerinnen und Schüler eine höhere Medienkompetenz erreicht haben. Gleichzeitig sei weitere Forschung notwendig, um die langfristigen Auswirkungen von Smartphone-Verboten besser zu verstehen und die Maßnahmen entsprechend anzupassen.

Bibliographie
Böttger, T.; Zierer, K. To Ban or Not to Ban? A Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance. Educ. Sci. 2024, 14, 906.


  VERWEISE  

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