Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zum WissZeitVG

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)
Allianz der Wissenschaftsorganisationen

Die zukünftige Leistungsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems hängt wesentlich von attraktiven Arbeitsbedingungen für Forschende in frühen und mittleren Karrierephasen ab. Gleichzeitig ist es erforderlich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wissenschaftseinrichtungen so zu gestalten, dass eine starke Dynamik in Forschung, Lehre und Transfer erhalten bleibt.

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat zu den Überlegungen des BMBF vom 17. März 2023 zu einer Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) eine Stellungnahme verabschiedet. Wir veröffentlichen sie hier im Wortlaut:

Die hohen Erwartungen, die sich in der aktuellen Diskussion um die Zukunft des Wissenschaftssystems widerspiegeln, können nur sehr bedingt durch eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) erfüllt werden, da sie strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen betreffen. Vermieden werden sollte aber unbedingt, bestehende Spielräume zu Lasten der Beschäftigten einzuschränken. Eine Novelle des WissZeitVG sollte die berechtigten Anliegen der verschiedenen Betroffenen – die der Einrichtungen, der Professorinnen und Professoren, der Promovierenden, Promovierten sowie der Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern – angemessen berücksichtigen. Leitmotiv der Reform des WissZeitVG sollte es sein, transparente, verlässliche Karrierewege zu schaffen und gleichzeitig den Wissenschaftsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb attraktiv zu positionieren.

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen begrüßt es daher, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen der umstrittensten Punkte aus dem Eckpunkte-Papier für die Reform des WissZeitVG zur Diskussion gestellt hat. Eine zeitliche Begrenzung der Qualifizierungsbefristung in der Postdoc-Phase auf drei Jahre behindert Forschende auf ihrem Karriereweg und würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verlust hochqualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen und mittleren Karrierephasen führen. Dies würde den Wissenschaftsstandort Deutschland und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands enorm schwächen.

In diesem Zusammenhang sind bereits Vorschläge geäußert worden, wie bei der Gesetzesreform die Transparenz und Vielfalt wissenschaftlicher Karrierewege gestärkt und die besonderen Profile wissenschaftlicher Einrichtungen berücksichtigt werden können. Die Postdoc-Phase dient zum einen einer grundsätzlichen Orientierung im Hinblick auf unterschiedliche wissenschaftliche und wissenschaftsnahe Aufgabenfelder und muss den Beschäftigten zugleich Zeit und Möglichkeit zum Kompetenzerwerb und zur Profilierung geben, um sich im Anschluss erfolgreich in Auswahlverfahren innerhalb oder außerhalb der Wissenschaft zu beweisen. Dabei müssen sie sich auf transparente und besser planbare Karrierewege und eine aktive Laufbahnunterstützung verlassen können. Zugleich soll die internationale Wettbewerbs- und Anschlussfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems für die talentiertesten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesichert werden.

Ein novelliertes WissZeitVG sollte den unterschiedlichen Bedürfnissen der Hochschulen und der außerhochschulischen Forschungseinrichtungen aufgrund ihrer funktionalen Differenzierung Rechnung tragen. Unterschiedliche Fachkulturen müssen beachtet werden, um nicht einzelne Disziplinen oder Institutionen systematisch zu benachteiligen. Dazu bedarf es insbesondere für die Regelung der Qualifizierungsphase während und nach der Promotion neben einem weitgefassten Qualifizierungsbegriff auch einer wissenschaftsadäquaten Höchstbefristungsdauer sowie geänderter Personalstrukturen mit einem definierten Befristungsanteil, anderer Personalkategorien und Karriereziele ohne Professur. Zudem sind eine bessere Grundfinanzierung und darauf aufbauend mehr Dauerstellen sowie entsprechende Spielräume erforderlich, um befristete Projektmittel für die Finanzierung unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse einsetzen zu können. Befristungen im Tenure Track und vergleichbare Verfahren sollten ähnlich wie in den Hochschulen auch für außerhochschulische Forschungseinrichtungen möglich sein. Ebenfalls muss die Möglichkeit der Mobilität von Forscherinnen und Forscher zwischen den Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland sowie internationale aufrechterhalten werden. Eine weitere Öffnung der Tarifklausel hält die Allianz daher für problematisch und möchte deutlich unterstützen, dass eine länderübergreifend einheitliche Lösung gefunden wird.

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen wird sich sehr gerne aktiv in die angekündigten Gespräche mit dem BMBF einbringen.


WissZeitVG: Zum zeitlichen Vorrang der Qualifizierungs- vor der Drittmittelbefristung
Fragen und Antworten zur beabsichtigten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Die Bundesregierung plant eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), die am 27. März 2024 beschlossen und dem Bundestag zur weiteren...
WissZeitVG-Update: Mindestlaufzeiten und kürzere Befristungen für Wissenschaftler
Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: Bessere Arbeitsbedingungen für junge Wissenschaftler Die Bundesregierung plant eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen...
Stand zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) soll geändert werden, die Ressortabstimmung dazu dauert an, wie die Bundesregierung mitteilt. Die Union hatte sich in ihrer Vorlage über das weitere Vorgehen der Bundesregierung hinsichtlich des...

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • Bildungsforschung goes Fediverse: Neue Mastodon-Instanz eduresearch.social

    Nach einer DIPF-Pressemitteilung vom 17.09.2024 Ein datenschutzkonformer Austausch über die sozialen Medien ist für wissenschaftliche Einrichtungen und Forschende bislang nur schwer möglich. Mit der neuen Mastodon-Instanz eduresearch.social steht...

  • KI in der Hochschulbildung

    Förderung von Künstlicher Intelligenz in der Hochschulbildung: Maßnahmen der Bundesregierung Im Rahmen der Bund-Länder-Initiative »Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung« unterstützt die Bundesregierung die Stärkung der KI-Kompetenzen an...

  • Zahl der Hochschul-Beschäftigten stieg 2023 um 0,6 Prozent

    An den deutschen Hochschulen und Hochschulkliniken waren zum Jahresende 2023 rund 792.300 Personen beschäftigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 0,6 Prozent oder rund 4.800 Personen mehr als Ende 2022. Dabei beschränkte sich der...

  • Uni-Profs warben 2022 durchschnittlich 326.400 Euro ein

    Drittmittel an deutschen Universitäten im Jahr 2022 deutlich gestiegen Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, warb eine Professorin oder ein Professor an einer deutschen Hochschule im Jahr 2012 Drittmittel in Höhe von durchschnittlich...

  • Higher Education Explorer: Eine neue Datenbasis für die Hochschulforschung

    Der Stifterverband und die Heinz Nixdorf Stiftung haben mit dem »Higher Education Explorer« (HEX) eine neuartige Datenbank entwickelt. Erstmals werden die Inhalte der Vorlesungsverzeichnisse deutscher Hochschulen systematisch erfasst und...

.