Faire Erbschaften fördern soziale Gleichheit

WZB Berlin2

Deutsche Gemeinden, in denen Familien gerecht vererbten, haben bis heute mehr Frauen in Kommunalparlamenten  

Soziale Gleichheit ist auch das Ergebnis historischer Erbpraktiken. Deutsche Gemeinden, in denen innerhalb von Familien gerecht vererbt wurde, sind bis heute sozial ausgewogener. Umgekehrt gilt: Wenn Männer oder Erstgeborene das Erbe allein antraten, verstärkt das soziale Ungleichheit. Diese Auswirkungen historischer Erbpraktiken belegt eine WZB-Studie von Anselm Rink.

Konkret hat Rink landwirtschaftliche Erbpraktiken im 19. Jahrhundert untersucht. Diese variierten in Deutschland von Gemeinde zu Gemeinde stark. Somit lässt sich der Zusammenhang von historischen Erbschaften und sozialer Gleichheit auf lokaler Ebene gut untersuchen. Um soziale Gleichheit zu messen, nutzt die Studie den Anteil von Frauen in Kommunalparlamenten und den Anteil von Adligen in Rotary Clubs.

Die Analysen zeigen, dass historische Erbpraktiken nachhaltig soziale Gleichheit geprägt haben. Gemeinden, in denen in der Vergangenheit fair vererbt wurde, sind bis zum heutigen Tage sozial ausgewogener. Dort sitzen mehr Frauen in Kommunalparlamenten, und Mitglieder von Rotary Clubs tragen seltener adlige Namen. Faire Erbschaften unterstützen also historisch benachteiligte Gruppen – wie Frauen –, während sie historisch einflussreiche Gruppen – wie Adlige – eher bremsen.

Die Studie erklärt diesen Zusammenhang mit zwei Mechanismen: Erstens stellen faire Erbsitten sicher, dass Vermögen gleich verteilt wird. Dies erlaubt es insbesondere Frauen, sich stärker gesellschaftlich einzubringen. Zweitens gewöhnen faire Erbsitten Menschen daran, dass Wohlstand zu teilen ist. „Diese Gewohnheit führt vermutlich dazu, dass sich Menschen stärker für Gleichheit einsetzen. Gleichheit wird dadurch zur Norm“, erklärt Anselm Rink.

Hintergrund
Die Studie erscheint in Kürze im American Journal of Political Science. Eine Kurzfassung der Studie finden Sie im aktuellen Heft der „WZB-Mitteilungen: "Das Rätsel der Ungleichheit. Historische Erbsitten haben Auswirkungen bis heute" (siehe Link unten).

Anselm Rink ist Juniorprofessor für Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Migration, Integration, Transnationalisierung des WZB.

   

  LINKS  

 

Alterseinkünfte von Frauen 27,1 Prozent niedriger als die von Männern
Frauen ab 65 Jahren beziehen Alterseinkünfte von rund 18.700 Euro brutto im Jahr, Männer von rund 25.600 Euro Frauen sind hinsichtlich ihres durchschnittlichen Einkommens schlechter gestellt als Männer – auch bei den Alterseinkünften. Nach...
Wandel der Geschlechterrollen in verschiedenen Berufsfeldern
Zunahme weiblicher Präsenz in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen Die Beteiligung von Frauen in technischen Berufen sowie in traditionell von Männern dominierten Branchen hat in den letzten zehn Jahren merklich zugenommen. Das...
Geschlechtsspezifische Einkommenslücken im Fokus der Forschung
Deutliche Einkommensdifferenzen bei Eltern Eine internationale Forschungsgruppe hat die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Einkommensungleichheit auf dem Arbeitsmarkt in 17 europäischen und nordamerikanischen Ländern über einen Zeitraum von...

.