Alles digital: Soll Bildungsarbeit auf Dauer online stattfinden?

Digitale Bildung   VR (Symbolbild)

Zukunft der digitalen Bildung

Ende Mai diskutierten im österreichischen Rundfunk Ö1 unter der Rubrik »Science Arena« zwei hochkarätige Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Forschung über eine Frage, die im Bildungsbereich viele bewegt. Das Portal »erwachsenenbildung.at« fasste die Ergebnisse in dem nachstehenden Text zusammen, den wir hier wiedergeben,

Bei der Bildungsdebatte trafen Friedrich Hesse und Christiane Spiel aufeinander, um sich der Frage nach künftigen Bildungsformaten aus zwei unterschiedlichen Standpunkten zu nähern. Sie taten das wohlgemerkt in Präsenz – und erstaunlich konsensuell.

Friedrich Hesse: KI als Privatlehrer*in

Der Tübinger Kognitionspsychologe und Spezialist für Fernstudien Friedrich Hesse ermutigte dazu, die digitalen Möglichkeiten in Zukunft noch intensiver zu nützen und gezielt nach Prozessen zu suchen, die digital besser umzusetzen sind als analog. Das größte Potenzial sieht er dabei aktuell im personalisierten Lernen.

Feedback sei eines der mächtigsten Instrumente beim Lernen, und hier könne Künstliche Intelligenz (KI) sehr viel leisten: Learning Analytics machen potenziell etwas ganz Ähnliches wie ein*e »Privatlehrer*in«, wenn sie den Lernenden konkrete Rückmeldungen über ihren individuellen Lernstand geben. Damit könnten Lernende ihre Selbstregulation verbessern und Selbstwirksamkeit steigern, und das sind für den Lernprozess ganz wesentliche Parameter: »Mit digitalen Werkzeugen kommen wir den Vorzügen eines Privatlehrers näher und können durch Nutzung künstlicher Intelligenz gar noch mehr – ohne, dass etwas fehlt. Die Organisation der Lehr- Lernszenarien und neue Rollenmodelle machen dann den Unterschied«, so Hesse.

Daneben ließe sich KI auch als Unterstützung des Präsenzunterrichts nutzen: Wenn Unterrichtende objektives Wissen über Lernende haben, können sie gezielt unterstützen.

Christiane Spiel: Menschliches unersetzbar

Dagegen trat die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel auf und betonte den unersetzbaren Wert des Zwischenmenschlichen für den Lernprozess: »Digitalisierung kann die gute Lehrerin, den guten Lehrer und die gute Schule nicht ersetzen – genau diese brauchen wir! Daher: nicht alles digital!«

Ihr zufolge sind nicht alle Bildungsziele auf digitalen Wegen erreichbar. Trotz der Vorzüge des personalisierten Lernens mittels KI brauchen Lernende auch echte soziale Kontakte, so Spiel, insbesondere wo es um Motivation oder um soziales Lernen geht. Zu den psychologischen Grundbedürfnissen – auch beim Lernen – gehört neben Kompetenzerleben und Autonomie auch die soziale Eingebundenheit.

So betrachtet, seien auch Flipped Classroom-Settings als Form des individualisierten Lernens zu sehen und damit als zukunftsträchtig einzustufen. Gerade beim Flipped Learning habe sich in der Forschung bestätigt, wie wichtig es sei, Lernerfolge gemeinsam zu zelebrieren.

Fazit der Forscher*innen: Digitalisierung mit Mehrwert

Aus pädagogisch-psychologischer Perspektive waren sich die beiden Expert*innen erstaunlich einig: Man sollte beim Lernen alles digital machen, was digital besser geht - und das »ist schon eine ziemlich scharfe Trennlinie«, so Hesse. Dabei sei es lohnend, zwischen Lernen im Sinne von Studieren und Bildung zu unterscheiden.

Digitalisiert werden soll also (nur bzw. überall) dort, wo es dadurch einen Mehrwert gibt. Wo genau dieser Mehrwert möglich sei und wie digitalisiert werden solle, das sind weiterhin lohnende Fragen für die empirische Forschung – und zwar für interdisziplinäre Forschung, so das Abschlussplädoyer. Nur Bildungsexpert*innen und Informatiker*innen gemeinsam können demnach sinnvolle Ergebnisse liefern.

 

 
Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

 

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