Lehrkräfte in Deutschland: Zwischen Belastung, Digitalisierung und dem Wunsch nach mehr Demokratiebildung

Robert Bosch Stiftung    Deutsches Schulbarometer 2025

Ergebnisse der Lehrkräftebefragung

Die Robert Bosch Stiftung führt seit 2019 jährlich das »Deutsche Schulbarometer« durch, eine repräsentative Studie zur Schulsituation in Deutschland. 

Die Untersuchung 2025 zeichnet ein differenziertes Bild der aktuellen Situation an deutschen Schulen. Die repräsentative Befragung von 1.540 Lehrkräften und Schulleitungen zeigt, dass die Herausforderungen vielfältig sind – von steigender Arbeitsbelastung über Digitalisierung bis hin zur Frage, wie Demokratie und Inklusion im Schulalltag gelebt werden können.

Aktuelle berufliche Herausforderungen

Für die befragten Lehrkräfte bleibt das Verhalten der Schüler*innen die größte berufliche Herausforderung. 42 Prozent nennen es als zentrales Problem – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr (35 Prozent). Besonders an Haupt-, Real- und Gesamtschulen ist die Belastung hoch (52 Prozent).

An zweiter Stelle steht die eigene Arbeitsbelastung und der Zeitmangel (34 Prozent), gefolgt von der Heterogenität der Schülerschaft (32 Prozent). Auch strukturelle Probleme wie Personalmangel (20 Prozent), Bürokratie (23 Prozent) und die Zusammenarbeit mit Eltern (20 Prozent) werden als belastend empfunden.

Demokratiebildung und Partizipation

Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte (54 Prozent) wünscht sich mehr Aktivitäten zur Demokratiebildung an ihrer Schule. Besonders ausgeprägt ist dieser Wunsch an Haupt-, Real-, Gesamt-, Förder- und beruflichen Schulen. Als Haupthindernis wird fehlende Unterrichtszeit genannt (77 Prozent), gefolgt von mangelndem Fachwissen im Kollegium (45 Prozent).

In Ostdeutschland sehen Lehrkräfte häufiger ein fehlendes Interesse im Kollegium und Konfliktängste als Hürde, während im Westen eher fehlende Materialien als Problem genannt werden.

Die Mitbestimmung der Schüler*innen ist vor allem bei Klassenregeln möglich (86 Prozent), aber kaum bei der Auswahl von Unterrichtsmaterialien (59 Prozent »gar nicht«) oder bei Entscheidungen über Lerninhalte (39 Prozent »gar nicht«). Im internationalen Vergleich sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten in Deutschland eher gering.

Künstliche Intelligenz: Potenziale und Unsicherheiten

Die Mehrheit der Lehrkräfte fühlt sich im Umgang mit KI-Tools unsicher (62 Prozent). Knapp ein Drittel nutzt KI regelmäßig, vor allem für die Erstellung von Aufgaben und die Unterrichtsplanung.

Negative Folgen werden vor allem für die Entwicklung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten sowie für das kritische Denken erwartet. Positive Effekte sieht die Mehrheit bei der individuellen Lernunterstützung (57 Prozent).

Der Fortbildungsbedarf ist hoch, insbesondere bei der Nutzung von KI für die Unterrichtsgestaltung (54 Prozent) und zur Förderung kritischen Denkens (52 Prozent).

Heterogenität und Inklusion

Die Einstellung zur inklusiven Beschulung bleibt mehrheitlich kritisch: 71 Prozent der Lehrkräfte glauben, dass Inklusion den Unterricht für alle nicht verbessert. Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen sind positiver eingestellt.

Die Belastung durch Heterogenität bleibt hoch: 83 Prozent geben an, dass der Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sehr viel zusätzliche Arbeit erfordert. Dennoch fühlt sich der Großteil der Lehrkräfte selbstwirksam im Umgang mit Heterogenität (76 Prozent).

Berufliche Zufriedenheit und Belastungserleben

Trotz aller Herausforderungen ist die Mehrheit der Lehrkräfte mit ihrer Arbeit zufrieden: 80 Prozent sind zufrieden, 70 Prozent würden den Beruf wieder ergreifen, und 90 Prozent arbeiten gerne an ihrer Schule.

Schulleitungen sind zufriedener als Lehrkräfte. Allerdings fühlt sich fast ein Drittel der Lehrkräfte mehrmals pro Woche erschöpft, jede*r Zehnte sogar täglich. Besonders betroffen sind jüngere und weibliche Lehrkräfte sowie Grundschullehrkräfte.

Psychosoziale Unterstützung und Fortbildung

Die psychosoziale Infrastruktur wird von vielen Lehrkräften als unzureichend bewertet. 38 Prozent berichten, dass die Unterstützung durch Schulpsychologie »überhaupt nicht« ausreichend ist. In Ostdeutschland sind die Angebote besonders rar.

Der Fortbildungsbedarf ist hoch, vor allem beim Umgang mit psychisch belasteten Schüler*innen (43 Prozent), bei der Nutzung digitaler Medien (41 Prozent) und beim Unterrichten von Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf (35 Prozent).

Zusammenarbeit im Kollegium

Die Zusammenarbeit im Kollegium ist weit verbreitet, insbesondere beim Austausch über die Lernentwicklung der Schüler*innen (94 Prozent) und beim Teilen von Unterrichtsmaterialien (92 Prozent). Teamteaching und gegenseitige Hospitationen sind hingegen weniger verbreitet.

Resumee

Die Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers 2025 zeigen: Lehrkräfte in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen, sind aber mehrheitlich zufrieden mit ihrem Beruf.

Es besteht jedoch dringender Handlungsbedarf bei der Entlastung, der Förderung der Demokratiebildung, der Integration digitaler Technologien und der Unterstützung im Umgang mit Heterogenität. Nur mit gezielten Maßnahmen und ausreichenden Ressourcen kann es gelingen, die Qualität des Unterrichts und das Wohlbefinden aller Beteiligten nachhaltig zu sichern.


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