Viele Online-Plattformen können mehr als die Hälfte der Internetaktivität beobachten

DIW Berlin

Studie: Digitale Plattformen können bis zu 52 Prozent der Seiten nachvollziehen, die Internetnutzer*innen besuchen

Online-Plattformen wie Facebook können Internetaktivitäten vieler Menschen verfolgen und speichern – unabhängig davon, ob diese dort angemeldet sind. Das zeigt eine Studie, die Forscher der Abteilung Unternehmen und Märkte im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universitäten Zürich, Lausanne und Yale durchgeführt haben.

Für die Studie haben die Ökonomen auf Basis von Nutzerdaten von knapp 5 000 Menschen berechnet, welche Daten der Plattform-Betreiber Facebook theoretisch speichern könnte. Ihr Ergebnis: Bis zu 52 Prozent der von den untersuchten Personen besuchten Seiten – das entspricht etwa 40 Prozent der im Internet verbrachten Zeit – könnten mit den technischen Möglichkeiten der Plattform nachvollzogen werden.

»Weil die Unternehmen kaum Auskünfte darüber geben, welche Algorithmen sie verwenden, kann niemand mit Sicherheit sagen, welche Daten wirklich gespeichert und genutzt werden«, erklärt Hannes Ullrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte des DIW Berlin. »Unsere Untersuchung zeigt aber, dass die technischen Grundlagen dafür, einen großen Teil der Internetaktivität zu beobachten, bei Online-Plattformen vorliegen.«

Die beobachteten Internetverläufe können sich eignen, individuelle Konsumentenprofile zu erstellen. Für die Unternehmen sei es attraktiv, solche Profile zu erstellen, weil sie so zielgerichtet geschaltete Werbung an Anbieter von Produkten und Dienstleistungen verkaufen können. Diese Praktiken wurden bereits durch andere Untersuchungen aufgezeigt, die jetzige Studie quantifiziert aber erstmals, wie groß der Anteil der beobachtbaren tatsächlichen Internetaktivität ist und auf welche Weise die gesammelten Daten genutzt werden können.

Betroffen sind auch Menschen, die Plattformen gar nicht nutzen

Nicht nur von Nutzer*innen der Plattformen könnten dabei die Internetaktivitäten dokumentiert werden – auch Menschen, die die Dienste selbst nicht nutzen, könnten erfasst werden. Um Konsumentenprofile zu erstellen, benutzen die Plattformen sogenannte Tracker, die zum Beispiel über Like-, Share- oder Login-Buttons automatisch geladen werden – unabhängig davon, ob die erfasste Person selbst bei der Plattform angemeldet ist oder ob dieser Button geklickt wird. So könnte Facebook die von seinen Anwender*innen besuchten Seiten mit den bei Facebook hinterlegten Nutzerdaten verknüpfen und Rückschlüsse auf andere Besucher*innen dieser Seiten ziehen.

Die Studie zeigt, dass mit dieser Methode demografische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht oder das Bildungsniveau von Nicht-Nutzer*innen der Plattformen mit bis zu 65-prozentiger Sicherheit korrekt geschätzt werden können. »Auch die Internet-Aktivität von Menschen, die selbst nicht auf den Plattformen angemeldet sind, kann beobachtet werden«, so Studienautor Ullrich. »Durch den Vergleich mit Daten von angemeldeten Personen können auch über sie Konsumentenprofile angelegt werden, die die Plattformen oder Dritte für gezielte Werbung nutzen können.«

Aufsichtsbehörden müssen angemessen ausgestattet werden

Theoretisch können Internetnutzer*innen zwar seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dem Speichern von Trackern bei der bekannten Cookie-Abfrage auf Webseiten widersprechen, bisherige Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass nur wenige von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

»Die aktuell von der Europäischen Kommission geplanten Neuregelungen im Digital Markets Act und im Digital Services Act könnte Verstöße gegen Datenschutzrichtlinien stärker sanktionieren«, prognostiziert Ullrich. »Damit die Regeln aber auch umgesetzt werden können, braucht es eine angemessene personelle Ausstattung der Aufsichtsbehörden.« Zudem könnten unabhängige Datentreuhänder mit expliziter Zustimmung der Nutzer*innen Daten sammeln und diese nach transparenten Richtlinien an Werbetreibende weitergeben. So könnte die – für Internetnutzer*innen durchaus auch nützliche – gezielte Werbeschaltung mit dem erwünschten Datenschutz verbunden werden.

 

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